An seer

29 5 0
                                    

Stirnrunzelnd drehte ich mich langsam um und starrte auf .... Etwas. Erschrocken grunzte ich auf und es drehte ruckartig seinen Kopf, schaute mich mit seinen großen Mondaugen an.
Ich hatte mich nie näher mit Tieren beschäftigt. Sie interessierten mich nicht, ich hatte keine Ahnung, auch nicht, was das da sein sollte. Aber ich wusste, dass man bei manchen den direkten Augenkontakt vermeiden sollte. Doch schon früh lernte ich, dass eben dieser Blick Autorität, Respekt und Gehorsam entscheidet. Und so starrte ich es unverhohlen an. Es sollte sehen, dass ich der größere war, der mit mehr Autorität und mehr Geld. Nicht, dass es klein gewesen wäre. Obwohl es mehr kniete als stand, ließ sich ein stattliche Größe erahnen. Lange Krallen an den Fingergebilden und aufmerksame Augen, die mich fokussierten.
Langsam kauerte es sich in eine gehockte Haltung und krümmte seinen schmalen Rücken, sodass man jeden Wirbel hätte zählen können. Trotz der schwächlichen Beleuchtung sah ich tatooartige Ornamente auf der Haut der Kreatur, die mich ausdruckslos musterte.

Lauf!
Hm?

Ich war betrunken, aber ich war mir sicher, dass ich laufen sollte.
Die Kreatur streckte den Rücken durch und bewegte sich lautlos auf mich zu.

Lauf weg!
Äh...

Gut, manchmal gibt es diese Momente, in denen man lieber einsieht, dass der andere stärker ist. So absurd es sich anhört, aber spätestens, wenn man wie ein saftiges Steak angesehen wird, sollte man sich eingestehen, dass man keine Chance hat und schleunigst den Rückzug antreten. Ich hasste diese Momente.
Ich drehte mich um und rannte. Wohin, war mir egal, aber weg von diesem Monster. Mein Atem ging viel zu schnell in scheppernden unregelmäßigen Abständen und der Alkohol vernebelte noch immer meinen Kopf. Doch das schnelle Klacken der Krallen auf Teer gab meinen übermüdeten Beinen die Kraft, mich weiter zu tragen. Aber ich merkte, dass ich langsamer wurde, als die Seitenstiche meinen Bauch zerfraßen, und das Ziehen mir bis in die Brust stach.
Meine Glieder brannten schmerzhaft und die unerträgliche Trockenheit meiner Kehle schien sich schnell in meinem Körper auszubreiten. Ich rannte in eine Gasse und wünschte, ich wäre mehr zu Fuß gegangen, als mich von Dwoyn kutschieren zu lassen und sich nur auf das Glas vor mir zu konzentrieren. Ein graunvoller Geruch stach mir in die Nase, als ich an Containern vorbei lief. Eine Mischung aus Müll und verwesendem Fisch. Der Althafen. Der ständige Sturm trieb all den Schrott und die Abfälle, die man in der Nähe ins Meer geworfen hatte, hierher. So viele Container. Der Wind kreischte an den Metallwänden entlang, wie die Finger auf Schiefer und wehte etwas Plastik umher. Ich sah mich nach der Kreatur um. Nichts. Auch kein Klacken war zu hören. Ächtsend lehnte ich mich an einen der geriffelten Container und rutschte die kalte Wand hinunter, bis ich saß. Noch nie war ich am Althafen gewesen. Hatte ihn nur von weitem ein paar mal gesehen, wenn ich auf einem Schiff vorbei fuhr.
Es ekelte mich an. Der feuchte Boden war glitschig und Algengebilde hangelten sich an den Wänden der Container entlang, klammerten sich verzweifelt daran fest, um auf ihren eigenen Schleim nicht abzurutschen. Die Container stapelten sich bestimmt fünffach und ließen bloß kleine Gassen, sodass vielleicht kleine Lastheber gerademal hindurchpassten. Wahrscheinlich wurden diese Massen mit einem gigantischen Krahn bewegt, doch es war zu dunkel, um danach Ausschau zu halten und ich sehnte mich wieder zurück in die Stadt mit ihren währenden Laternen, wobei hier kaum alle hundert Meter eine stand. Mein Atem rasselte noch immer hektisch und die Seitenstiche ließen mich nicht los. Verzweifelt stöhnte ich auf und ließ meinen Hinterkopf gegen die algige Wand krachen. Und an allem ist dieses Handy schuld!

In all meiner tragischen Selbstbemittleidung und Selbstzweifel, meinem erbärmlichen Herumgeflenne, hörte ich ein mir nur allzu vertrautes Klacken auf Teer.


MarryaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt