Starlight

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Schweißgebadet schrak ich hoch. Ein erschrockener Laut kam aus meinem Mund, als ich Sváya am anderen Ende der kleinen Höhle liegen sah. Das Mondlicht schien durch den Wald schwach auf die schlafende Schönheit und tauchte ihr Haar in ein silbriges Licht. Ihr Brustkorb hob und senkte sich in regelmäßigen Abständen, doch ihr Gesicht war mir abgewannt, sodass es dem groben Gestein entgegenblickte.

Ich hatte fast damit gerechnet, dass sie vor der Höhle stand und sich umsah, umher tiegerte, auf der Suche nach. ... keine Ahnung, was es war. Vielleicht, dachte ich, hätte sie mich auch wieder in meiner Bewusstlosigkeit, noch tiefer in den Wald gebracht, mich irgendwo hin verschleppt. Doch ich war nicht bewusstlos gewesen. Ich hatte geschlafen. Und wir waren immernoch hier.

Ich sah noch einmal zu Sváya, dann ging ich aus der Höhle. Der Regen hatte aufgehört und hatte eine glänzende, nasse Welt zurückgelassen. Tropfen hingen an Blättern und Nadeln, zu schwer um sich zu verteilen, zu leicht, um sich vom Blatt zu lösen, um endlich zu fallen. Pfützen versickerten langsam im Boden, verkrochen sich im Morast des vergangenen Unwetters.
War mein Traum doch Wirklichkeit gewesen?
Doch es lagen keine ausgerissenen Äste neben den Bäumen, Blüten hingen noch an ihren Stängeln, bereit der Sonne entgegenzusprießen, sobald sie erscheint.
Die Wolkenschwaden hatten sich verzogen und entblößten den dunkelblauen Himmel, an dem die Sterne wahllos angebabst schienen. Die Sichel des Mondes hing an der dunklen Kuppel, beleuchtete die Wälder unter ihm im neutralen weiß.

"Wunderschön, oder?"

Ich zuckte zusammen, als Sváya plötzlich neben mir stand, jedoch an mir vorbei gen Himmel sah.

"Hat was.", sagte ich nur. Ich hatte keine Angst vor der Dunkelheit, ganz und gar nicht. Aber der Tag war mir um einiges lieber.

"Wenn wir erstmal angekommen sind, seer, kannst du die wahre Pracht der Sterne sehen. Ihr Licht ist unser aller Heiligstes.", sagte sie verträumt und ein seeliges Lächeln erschien auf ihren Lippen.

"Ich fand immer, es ist ein kaltes Licht.", entgegnete ich ihr und sehnte mich innerlich nach den warmen Strahlen der Sonne.

"Ich wette, wenn du es siehst, wirst du anders denken, seer.", kicherte sie, sah mich an und blinzelte keck mit ihren langen Wimpern. Verlegen lächelte ich, straffte aber die Schultern, als ich mir wieder bewusst wurde, wer sie war.

"Warum jagt ihr uns?", fragte ich sie grade heraus.

Sofort verschwand ihr liebliches Lächeln und wurde von einer stumpfen wehklagenden Maske ersetzt. "Bitte, darüber müssen wir jetzt nicht reden. Du solltest wieder schlafen gehen."

"Nein, erzähl es mir! Ich bin es leid, dir nur hinterherzulaufen und keine Ahnung zu haben, was das hier alles soll.", mühsam versuchte ich meine Verzweiflung zu verstecken.

"Ich darf nicht, seer. Bitte, du musst mir vertrauen.", fast schon traurig sah sie in meine Augen. Entnervt wandte ich mich ab und stieß dabei ein leises Knurren aus.
"Es sind Opfer.", hörte ich sie leise sagen. Über die Schulter schaute ich zurück.

"Gaben, nenn es, wie du willst."
"An wen?", fragte ich leise.

"Unsere Göttin. Unsere Mutter. Unser Leben. Ich weiß nicht, ob eure Götter existieren, aber sie tut es. Sie ist alles, unser Alles.", sagte sie langsam und schaute verträumt zu den Sternen hinauf.
Sekptisch hob ich eine Augenbraue, doch ihre Augen strahlten, als würde sie sich an etwas erinnern.

"Woher weißt du, dass es sie gibt?"

"Es ist ein Gefühl. Und in Nächten wo der alte Mond in den Armen des Neuen liegt, dann ist sie uns so nah..."

"Hört sich für mich nach einem Hirngespinnst an. Eine Illusion, die euch irgendjemand aufgedrängt hat.", sagte ich entschieden und schielte zu ihr herüber. Sie schnaubte abfällig. "Du hast keine Ahnung, seer. Nicht die geringste Ahnung. "

Kopfschüttelnd drehte ich ihr den Rücken zu. "Ihr seid doch krank. Metzelt Menschen nieder, im Glauben, dass euch eure sogenannte Gottheit dann gnädig gestimmt ist. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch du deine Maske fallen lässt und ihr mich endlich aufopfern könnt.''

"Seer, ich würde ni-..."
"Argh, ich will das nicht mehr hören!", schnauzte ich und atmete tief durch.

Ich legte mich wieder auf das harte Gestein und schloss die Augen. Sie seufzte auf und ich hörte, wie sie erst ein paar Schritte auf mich zu machte, sich dann aber wieder umentschied und zurück zum Höhleneingang ging.

"Sie werden dir nichts tun, seer. Du musst mir nur vertrauen...."
Doch ich dämmerte bereits weg.

MarryaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt