"Seer! Seer, wach auf!", hektische Rufe, rissen mich aus dem Schlaf.
Verwirrt blinzelte ich und stöhnte, als plötzlich ein scharfer Schmerz über mein Gesicht fuhr und ich Sváya fragend ansah.
"Was sollte das?", fragte ich und rieb mir die Wange, auf die sie eingeschlagen hatte. Doch sie sprang schon wieder auf. "Schnell, hilf mir!", rief sie und ich rappelte mich hoch. Panisch hämmerte sie gegen Felsbrocken. Geschockt sah ich auf den verschütteten Eingang der Höhle. "Los, mach schnell! Wir müssen hier raus!", kreischte sie und zog an meinem Arm. "Sie kommen näher!"
Ohne weiter nachzudenken lief ich zu ihr, als auch mich irgendwie die Panik ergriff und ich neben ihr anfing, wie wild gegen die Steine zu hämmern. Ich wusste nicht, was uns einkreiste und uns bedrohte, aber es musste schrecklich sein, wenn sie solche Angst hatte. Viel zu langsam begannen sich einige Brocken zu lösen und ließen sich zu Boden reißen. Ich krazte mir die Finger blutig, als ich mit den Nägeln versuchte, in das Gestein zu fahren. Doch sie brachen nacheinander alle ab. Zu schnell machte sich Erschöpfung in mir breit, aber Sváyas verzweifeltes Schluchzen spornte mich an, uns hier rauszuholen.
"Die Luft....", kam es von ihr und sie fasste sich an den Hals. Ihre Atmung ging hektisch und stoßweise, ihre senigen Glieder waren aufs äußerste angespannt, Tränen liefen ihr über die Wangen. "Sie sind so nah", krächste sie und starrte in die Höhle. Aber ich sah sie nicht, ich sah nicht, wovor sie Angst hatte, was uns so nah war. Immer weiter arbeiteten wir uns durch das Gestein, bis einzelne schwache Lichtfälle durch kleine Lüchen strahlten. Als ich einen kleineren Brocken wegzog, fiel ein anderer auf meine Hand, doch ich spürte nur ein dumpfes Pochen und grub weiter, bis wir draußen waren. Mit unkontrollierten Bewegungen drängte sich Sváya durch den Felsspalt, den wir geschaffen hatten. Schnell wollte ich ihr folgen, doch ich war nicht so schmal wie sie und steckte auf den letzten Zentimetern fest. Der Stein drückte gegen meine Brust und schürte mir die Luft ab. Ich spürte, wie Sváya auf der anderen Seite wie wild an meinem Arm riss und ich hatte das Gefühl, dass sie ihn mir eher ausreißen würde, als mich mitzuziehen. Ich biss die Zähne zusammen und atmete langsam aus, bis ich glaubte, dass ich so schmaler würde und richtete mich auf. Mit kleinen Tippelschritten schaffte ich es schließlich auf die andere Seite, nach draußen, wo Sváya mir in die Arme fiel und weinte. Obwohl ich noch hecktisch atmete, versuchte ich sie zu beruhigen und strich ihr behutsam über den Kopf, drückte sie an mich. Sie war so zart, dass ich Angst hatte, sie würde zerbrechen, wenn ich sie fester halten würde.
Die Morgenröte erfüllte die Lichtung, die vor uns lag und spielte mit den Schattenflecken auf den Steinen der Felsen.
Dann fiel mir wieder ein, dass wir eigentlich vor etwas davongelaufen waren und ich löste mich von ihr, um wieder auf die Höhle zuzugehen. Ich stopfte die Brocken, die wir mit nach draußen gerissen hatten, wieder in den Spalt. "Was tust du, seer?", schniefte sie und kam auf mich zu. "Ich verschließe den Ausgang, damit die uns nicht weiter folgen können.", antwortete ich entschlossen und nahm mir den nächsten Stein, doch Sváya legte mir ihre Hand auf die Schulter. "Sie können uns nicht folgen....", sagte sie gedehnt. Ihre Augen waren vom Weinen rot angeschwollen, doch sie wirkte um einiges ruhiger, als noch vor wenigen Augenblicken.
"Wie meinst du das?", fragte ich verwirrt, ließ aber vom Gestein ab. "Sie werden uns nicht folgen, einfach weil sie fest sind.", verlegen fuhr sich sich durch die Haare und lächelte scheu. So hatte ich sie noch nie gesehen. "Sváya, wovor sind wir eben weggelaufen?" Sie winkte ab und sah beschämt zur Seite "Das ist absurd, wir sollten weiter, seer..." Ich sah ihr fest in die Augen, zwang sie dazu, mir zu antworten. "Wenn...., wenn es keinen Ausweg gibt, dann kommen sie mir immer so unglaublich nah, dass sie mich zerquetschen.", "Die Wände?", sie sah wieder auf den Boden. Plötzlich begriff ich: "Du hast Platzangst." Sváya zog die Augenbrauen zusammen "Nein, hab ich nicht! Ich kann mich nicht wehren und auch nicht weglauen, das ist das, was mir Angst macht..."
Ich musste lächeln. Doch als die Angst verschwand, verschwand auch der Schreck, der den Schmerz verhüllte und das Pochen in meiner Hand ließ mich aufzischen. "Du bist verletzt.", "Nein, es ist nichts", ich hielt meine Hand hinter den Rücken und versuchte, den Schmerz zu überspielen. "Zeig mir deine Hand, seer. Es bringt uns beiden nichts, wenn deine Verletzung, dich irgendwann umbringt.", fordend hielt sie mir ihre Hand entgegen und ich gab nach.
Vorsichtig strichen ihre zarten Finger über meine Hand und untersuchten die Wunde. "Es sind ein paar Adern aufgeplatzt, aber deine Knochen sind nicht beschädigt.", mit einem müden Lächeln zog ich die Hand wieder zurück. "Noch ist es nichts ernstes, aber wenn du nicht aufpasst, wirst du eine Blutvergiftung bekommen und all meine Bemühungen waren umsonst", nachdenklich sah sie mir in die Augen, schien aber durch mich hindurchzusehen. "Welche Bemühungen?", ich zog eine Augenbraue in die Höhe. Ihre Mundwinkel hoben sich. "Dich am Leben zu erhalten...." abwartend sah sie mich an und ich war gebannt von ihren großen Augen, die so tief und unergründlich waren. "Und trotzdem willst du mich zu ihnen bringen, die mich um jeden Preis umbringen werden..."
Sie legte ihre Hände um mein Gesicht, strich meinen Kiefer entlang. "Nein. Ich werde nicht zulassen, dass du umgebracht wirst, dass sie dich gefangen nehmen." Mein Herz hämmerte mir gegen die Brust und ich zog sie an der Taille näher zu mir. "Du musst mir vertrauen", wisperte sie und ich spürte ihren unregelmäßigen Atem auf meiner Haut. Ein seltsam warmes Gefühl machte sich in mir breit, etwas, das ich bisher noch nie gefühlt hatte. Es war mir fremd, doch es fühlte sich so gut an "Nenn mir einen Grund, warum ich das tun sollte." und sie legte ihre Lippen auf meine.
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Marrya
Fantasy"Gestalten huschten durch die Straßen. Fast transparente Körper, die sich wie Geister durch die Massen bewegten. Ihre Bewegungen ähnlich einer Katze. Und doch fast menschlich. Und er sah sie." ◇ "Du solltest nicht hier sein.", "Warum?", "Wenn sie d...