Kapitel 4 - Unsichtbare Aura

7.4K 464 47
                                    


"Also gut, wenn der Schuldige gesteht, werde ich Milde walten lassen und es gibt geringe Konsequenzen.", die strenge Lehrerin sah prüfend in die Menge, doch keiner rührte sich. Ich spürte ein schlechtes Gewissen in mir aufkeimen, doch wie hätten wir erklären sollen, dass wir sie mutwillig aus den Angeln gerissen hatten? Und vor Allem: Wie wir sie aus den Angeln gerissen hatten? "Nun gut, dann werden eben alle die 9. und 10. Stunde Nachsitzen und die Tür wird von dem Geld der Klassenkasse bezahlt.", entschied sie unnachgiebig, woraufhin ein frustriertes Seufzen durch die Reihen ging.

„Was macht Sie denn so sicher, dass es einer von uns gewesen ist?", ertönte eine dunkle, aber sehr selbstsicherer Stimme hinter mir, mit der ich bereits Bekanntschaft gemacht hatte. Sie gehörte dem Jungen, neben dem ich die ersten beiden Schulstunden verbringen musste. Ms. Campbell hielt es augenscheinlich nicht für nötig zu antworten.

Ich schielte zu Aurel, dessen Kiefer angespannt knirschte. Das tat er immer, wenn er im Stillen eine Entscheidungen traf und die Pros und Kontras abwog. Ehe er einen Fehler begehen konnte, hielt ich ihn mittels unserer Telepathie auf: «Denk nicht mal dran.» Er seufzte leise und nickte kaum merklich: «Ich weiß.»

Die Gruppe löste sich allmählich auf und die Schüler gingen ihrer Wege. Auch Aurel machte sich auf den Weg in die Klasse und ich wollte ihm gerade folgen, als ich hinter mir erneut die raue Stimme vernahm: „Na, hast du eine Ahnung, wer die Tür auf dem Gewissen hat?" Ich zuckte kaum merklich zusammen. Dann drehte ich mich, äußerlich völlig entspannt, zu ihm um und entgegnete ein kühles: "Keinen blassen Schimmer." Anschließend wandte ich mich wieder der Tür zu. Doch was nun folgte, überraschte und schockierte mich in gleichem Maße: Mit einem lauten Schnalzen klatschte seine große Hand auf meinen Hintern: „Netter Arsch."

Ohne mit der Wimper zu zucken holte ich blitzschnell aus und schlug ihm aus vollem Lauf in seine Weichteile. Als er sich daraufhin schmerzverzerrt nach Vorn beugte, drehte ich mich in Windeseile um und rammte ihm mein Knie in den Solarplexus. Abschließend wandte ich einen Hebel an und brachte ihn endgültig zu Fall. Schadenfroh musterte ich das kümmerliche Häuflein Elend, das sich am Boden krümmte und beugte mich zu ihm hinab: „Mach das nie wieder, oder deine Zahnbürste greift demnächst ins Leere."

Als ich mich erhob bemerkte ich, dass mich meine Mitschüler ungläubig und starr musterten. Auf ein Mal beginnt ein Junge, der das Geschehen mit angesehen hatte, aus vollem Halse zu lachen: „Spitzenmäßig Parker! Das war ne super Show! Dass ausgerechnet ein Mädchen diejenige sein wird, die dir eines Tages eine verpasst!" Einige weitere Stimmten in das Gelächter ein und ich Musterte den Aufmüpfigen, der als Einziger Parkers einschüchternden Blick ignoriert hatte.

Sein langarmiges Oberteil spannte an den starken Armen, die er demonstrativ vor der Brust verschränkt hatte. Trotz seiner muskulösen Gestalt wirkte er, im Gegensatz zu Parker, alles andere als bedrohlich, was womöglich an den warmen, an flüssiges Karamell erinnernden Augen liegen mochte. Sie trugen trotz ihrer hellen Farbe eine ungewöhnliche Tiefe in sich und leuchteten auf eine aufgeweckte, lebensfrohe Weise. Durch die welligen Strähnen hinweg, die ihm in die Stirn fielen, warf er mir einen anerkennenden Blick zu. Sein dunkelblondes Haar war nicht sonderlich lang, als kurz konnte man die verwegene Mähne jedoch genauso wenig bezeichnen.

"Klappe Nino!", zischte ihm Parker gereizt zu und rappelte sich beschämt auf. Er warf uns einen warnenden Blick zu und rief, ehe er hinter der nächsten Ecke verschwand, ein wütendes: "Das hat noch ein Nachspiel, Kleine!" Beinahe wäre er mit Aurel zusammengestoßen, der soeben mit seinem geschulterten Rücksack aus der Tür kam. „Na, na, du wirst doch wohl keiner Dame drohen!", höhnte Nino, während Aurels fragender Blick eine Erklärung verlangte. „Er hat mir an den Hintern gefasst. Also habe ich ihm eine Lektion erteilt.", ich zuckte beiläufig mit den Achseln, war jedoch sehr froh, dass Aurel nicht dabei gewesen war. In dem Fall könnte Parker nun seine Zähne vom Boden aufkratzen.

StrongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt