3. K A P I T E L

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"Justitia in suo cuique tribuento cernitur."                                                                                                                 Marcus Tullius Cicero (106-43 v.Chr.)                               

Das Läuten der Haustürglocke ließ 195 hochschrecken. Dass sie innerhalb des ersten Monats in der neuen Wohnung Besuch bekäme, daran hatte sie nicht im geringsten gedacht. Schnell ging sie zu ihrem Kleiderschrank und zog den grünen Einheitsoverall heraus, denn ihren jetzigen, grauen trug sie nun schon ein paar Tage. Blau und grau, eine andere Farbe für Kleidung gab es nicht, was 195 schade fand. Gleichzeitig würde sie es jedoch merkwürdig finden, mit etwas anderem herumzuaufen. Doch wer würde sie sehen?
Die Hälfte ihres zukünftiges Leben würde sich sowieso Zuhause abspielen.

Als sie nun neugierig die Haustür einen Spalt öffnete, verfiel sie einen Augenblick in Schockstarre, knallte jedoch im nächsten Moment die Tür wieder zu. In wenigen Sekunden hatten sich Schweißperlen auf ihrer Stirn gesammelt, und auch an ihren Händen konnte sie die Angst deutlich in Form von Schweiß spüren, sie hätte am liebsten geschrien, traute sich jedoch nicht Aufmerksamkeit zu erregen. Sie kniff in Panik die Augen zu, um sich zu beruhigen, ballte sie ihre Hände zu Fäußten und drückte fest zu, so dass die Haut an den Knöcheln weiß wurde. Ohne es zu bemerken, biss sie gleichzeitig ihre Zähne zusammen. 195 musste ihre Gedanken zusammenhalten.


Einen kühlen Kopf bewaren, was hinsichtlich der Hitze in ihrem Körper schon vor dem Versuch gescheitert schien. Sie war gefangen. Es gab keinen Ausweg. Das Seil an ihrer Kehle schnürrte sich enger und wenn sie jetzt nicht den Zugang in ihre Wohnung freigab, würde es sie töten.

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