15. K A P I T E L

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"Jede Revolution war zuerst ein Gedanke im Kopf eines Menschen."                          Ralph Waldo Emerson

"195, glaubst du daran, dass wir, einfache Zahlen etwas ändern können? Glaubst du daran?" 27 sprach die Worte leise und heiser, es wäre fatal, hätte die beiden jemand gehört. Sie hatten sich in einen der Natursäle auf den grünen Boden gesetzt und philosophierten über das allesumfassende System.

Die Ungerade lag auf dem Oberkörper  von 27 und blickte in den nicht vorhandenen Himmel. 195 war froh, endlich zu wissen, dass sie nicht die einzige war, die sich Gedanken machte. Nicht die Einzige war, die Zweifel hatte. Sie hatte sich eben diese Frage schon dutzend Mal überdacht.

"Glaubst du etwa daran, dass wir nur Zahlen sind. Glaubst du nicht, dass sie uns Zahlen gegeben haben, um eben diese Frage zu ersticken? Sie nehmen uns den Sauerstoff, den wir brauchen um unseren Gedanken Atem zu geben. Um etwas ändern zu können, brauchen wir viele Leute, die ebenso denken. So könnten wir unsere Luft teilen. Ich denke, dass wir mehr Mensch als Zahl sind." 27 schwieg. Er drehte seinen Kopf zu ihr und sah ihr direkt in die Augen. Seine Atmung ging ruhig und gleichmäßig. Die meisten Leute hatten Angst wegen der Vorfälle und hatten sich in ihre Zimmer verkrochen.

So lagen die Beiden allein in der künstlichen Wiese. Er nahm den Kopf von 195 zwischen ihre Hände, immernoch wortlos. 195 wusste nicht, ob das jetzt die Situation war, um sich zu küssen, doch in den Augen ihres Gegenüber sah sie etwas anderes. Flammen. "Wir brauchen dich, 195, es gibt Leute, die denken genau wie du und ich. Ich komme von diesen. Ich bin da, um die Regierung zu schwächen. Ich bin der Spion und sie werden mich finden. Aber wenn du mir einen letzten Wunsch erfüllen willst, dann geh mit ihnen. Sie brauchen dich."

Die junge Frau verstand nicht. Sie wollte nicht verstehen, so ließ sie ihren Gefühlen den Vorrang. Nicht denken, nur fühlen. Den Tränen nahe legte 27 seine Lippen auf die des trauernden Mädchens.  Seine warmer Duft benebelte alle Sinne der Ungeraden. Er roch nach Frühling und schmeckte nach Blumen und küsste so unheimlich gut. Obwohl es der erste Kuss von 195 war, bezweifelte sie, dass es jemals etwas Schöneres gab. Sie bezweifelte, dass sie jemals jemanden anderes küssen würde. Doch dann wäre dies ihr letzter Kuss. 195 wusste, dass 27 gehen würde. Zwar unfreiwillig, aber er würde gehen.

Die UngeradeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt