Kapitel 9

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„Warst du schon einmal mit einem Mann zusammen?"

„So?" sagte Will mit hochgezogenen Augenbrauen und blickte bedeutungsvoll auf Hannibals nackte Brust. „Noch nie."

„Wolltest du schon einmal so mit einem Mann zusammen sein?"

„Nein", antwortete Will abwesend, während seine ausgebreitete Hand über Hannibals Bizeps hoch und runter schwebte.

Keine peinlichen Highschool Erfahrungen, keine Experimente im College, kein geteiltes Sechser Pack Bier und seine unvermeidlichen Folgen.

Nie.

Will blickte durch seine Wimpern in Hannibals Augen. „Du bist der erste."

Hannibal summte – ein Brummen, das tief in seiner Kehle vibrierte. Es gefällt ihm, dachte Will und der unausgesprochene Besitzanspruch ließ ihn angenehm schaudern.

„Seit wann – "

Will beugte sich hinunter und küsste ihn. Nicht lange, nur kurz, ein Augenblick, aber mit Nachdruck. Als er sich zurückzog, streiften seine Lippen Hannibals Wange und er konnte den Ansatz von Bartstoppeln spüren.

„Ich finde, Sie reden entschieden zu viel, Dr. Lecter."

Hannibal lächelte – nicht mit dem Mund, sondern auf seine spezielle Art mit den Augen, die Will auf Halbmast betrachteten.

Er schlang einen Arm um Wills Taille und zog ihn runter. Nicht ruppig, aber bestimmt und der Ruck ließ Will nach Atem schnappen.

Bereits seit geraumer Zeit fühlte er ein sanftes, unaufgeregtes Ziehen in seinen Hoden.

Sicher die Nebenwirkungen des Medikamentes, welches der gute Doktor ihm so umsichtig verschrieben hatte.

Männer? Nein. Nie. Ausschließlich Frauen. Hannibal war der erste Mann, den er nicht strickt unter platonischen Gesichtspunkten betrachtete.

Und es ließ sich nicht abstreiten, dass Hannibals Körper die reine Definition von Männlichkeit darstellte.

Die breite, flache Brust, die Will zaghaft berührte, mit den Fingerspitzen durch das ergrauende Haar streifend, das dort üppig wuchs, während sich der Brustkorb langsam hob und senkte.

Die Arme, die sich um seine Mitte geschlungen hatten und ihn festhielten. Will dachte daran, wie sie auf dem Feld miteinander gerungen hatten und er wusste, dass Hannibal stärker war als er.

Er könnte ihn aufheben und tragen und so arrangieren, wie es ihm gefiel und Will hätte ihm körperlich wenig entgegensetzen, auch wenn er alles andere als ein Hänfling war.

Es war anders, ja, ungewohnt auch, neu, keine Frage und doch war es leicht, so leicht für ihn, sich darauf einzulassen. Es war, als würde er aus seiner eigenen Haut schlüpfen. All den alten Ballast – die ständige Furcht vor dem Anders Sein, dem Nicht Normal sein – hinter sich lassen.

Hier in der Dunkelheit von Hannibal Lecters Schlafzimmer, gab es nichts, wovor er Angst haben musste. Es gab nur sie beide.

Keine Augen die ihn misstrauisch und manchmal auch verängstigt musterten. Jack, Alana, Beverly – sie alle sahen ihn mit diesem Blick an. Mit dem "Ich mache mir große Sorgen um dich, Will Graham" Blick, den er seit seiner jüngsten Kindheit kannte.

Und hasste.

In Hannibals Augen jedoch spiegelte sich nichts dergleichen, nur Akzeptanz. Vollkommen und unerschütterlich und so wundervoll sonderbar.

Das war ein unbekanntes, berauschendes Gefühl, das sich intensivierte, jedes Mal, wenn sich ihre Lippen trafen. Es brachte sein Blut in Wallung und sein Herz zum stolpern.

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