Kapitel 10

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Die Nacht war so klar, dass sogar trotz der allgemeinen Lichtverschmutzung einige Sterne am Himmel von Baltimore zu sehen waren.

Hannibal schauderte und zog den Morgenmantel enger zusammen – eine Robe mit geradem Rumpfsaumabschluss aus feinster Seide mit grau-goldenem Muster. Das Material war leicht und geschmeidig und glänzte im Mondlicht.

Es sah wundervoll aus, Schweizer Qualität auf höchstem Niveau, traditionelle Handwerkskunst, maximaler Tragekomfort, klassisches Design, optimal maßgeschneiderte Passform, perfekte Schnittführung.

Nur leider nicht dafür konzipiert, des Nachts bei Temperaturen um die 6 Grad einen unentschlossenen Hund dabei zu begleiten, den idealen Ort für sein Geschäft zu finden.

Er hatte keine Angst davor sich zu erkälten – er achtete streng darauf, jeden Tag die Menge Vitamine zu sich zu nehmen, die sein Körper benötigte – aber die Kälte war klirrend unangenehm und von der Sorte, die jede Öffnung in der Kleidung fand und von dort aus mit einer Gänsehaut über das Fleisch bis in die Knochen kroch.

Wenn Hannibal vorher gewusst hätte, dass sich dieser Ausflug (er sah auf seine Uhr und sein Blick verdunkelte sich) auf mittlerweile über 30 Minuten ausdehnen würde, hätte er sich natürlich etwas passenderes angezogen.

Er betrachtete den Terrier, der an einem Baum schnüffelte, sich aber wieder nicht hinhockte, nur sein Beinchen hob und den Stamm mit ein paar Tropfen markierte. Der Hund blickte hoch in sein Gesicht und hechelte stark, zog an der Leine, auf zur nächsten Station, die hoffentlich bald seinen Ansprüchen genügen würde.

Aber wieder nichts.

Ihm kam ein Rezept in den Sinn, das er schon lange einmal ausprobieren wollte.

Über Hannibals Augen legte sich ein Schleier, während er versuchte, sich daran zu erinnern, ob er noch Kumin im Haus hatte. Vielleicht würde auch gewöhnlicher Kümmel genügen. Einen Versuch war es wert.

Das Fleisch müsste acht Stunden in einem Sud aus Salz, Anis, Ingwer und Sanddornbeeren köcheln. In Aussicht auf das Endergebnis lief ihm zugegebenermaßen das Wasser im Mund zusammen und ein entrücktes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, während er den Hund betrachtete, der immer noch keinen angemessenen Platz für seine Notdurft entdecken konnte.

(Lass ihn am Leben)

Letztlich scheiterte es aber an einer Grundzutat, die ihm fehlte und die zu besorgen einigen Aufwand in Anspruch nehmen würde.

Eine Meeresschildkröte für den Fond.

(Bitte)

Hannibal seufzte.

Auf jeden Fall würde er es auf die Liste setzen, wenn er das nächste Mal beim Delikatessenhändler seines Vertrauens vorbei schaute.

Es dauerte noch fünfzehn weitere Minuten, ehe das Tier sich erleichtern konnte. Der Hund hatte starken Durchfall. Hannibal konnte nach einer kurzen, objektiven Sichtung des Stuhlgangs wenigstens keine Parasiten entdecken.

Natürlich war er alles andere als ein Experte auf dem Gebiet. Er würde es die nächsten Stunden im Auge behalten, bevor er andere Maßnahmen ergreifen würde. Zunächst ging er von der einfachsten Möglichkeit aus, dass es sich um eine ordinäre Magenverstimmung handelte.

Nachdem er die ausgesprochene Schweinerei so gut es ging mit einer kleinen Schaufel aus seinem Garten bereinigt hatte (und diese sogleich im Vorbeigehen in einem Müllcontainer entsorgte), kehrte er ins Haus zurück und desinfizierte seine Hände.

Benny schlief unten im Flur. Ohne Proteste hatte er sich in sein Körbchen zurückgezogen und blieb dort, auch als Hannibal an ihm vorbei und die Treppe nach oben ging.

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