Kapitel 15

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Wir hatten uns entschieden nur die Punkte-Aufgaben zu machen, da wir keine Lust hatten den ganzen Tag irgendwo im nirgendwo herumzulaufen und Stempel zu suchen. Also suchten wir eine Bushaltestelle, von der wir ins nächste Dorf gelangen konnten. Wir hatten Glück, in 20 Minuten würde ein Bus fahren und danach erst in zwei Stunden der Nächste.Also setzten wir uns ins Wartehäuschen. Ich legte meine Beine auf seinen Schoss und gähnte.

„Müde?"

„Nö überhaupt nicht. Ich hab schliesslich die letzten Tage immer etwa die gesunden acht Stunden geschlafen."

Er lachte: „Okay blöde Frage."

„Frag mich was Besseres."

„Und was?"

„Na das musst du schon selbst rausfinden. Ich meine ja nur, eigentlich weiss ich nichts über dich und du auch nicht über mich. Ich könnte eine Massenmörderin sein, die dich die ganze Zeit nur manipuliert hatte um dich hierhin zu verschleppen und unbemerkt umbringen zu können."

Er sah mich kritisch an: „Du brauchst definitiv mehr Schlaf."

„Vielleicht."

„Aber eigentlich hast du recht. Ich weiss wirklich kaum was über dich. Also lass mich überlegen... Wie würdest du gerne sterben?"

Ich brach in ein schallendes Gelächter aus: „Was ist das denn bitte für eine kranke Frage?"

„Was ist so krank daran?"

„Das überlegt sich doch keiner! Oder wüsstest du, wie du sterben möchtest?", aber ich bemerkte langsam, dass er es nicht als Witz gemeint hatte.

„Ich möchte sterben, nachdem ich ein erfülltes Leben hatte, ich möchte sterben bevor all die Gebrechen des Alters beginnen und bevor ich beginne alles zu vergessen. Ich möchte irgendwann einmal Seite an Seite meiner faltigen, grauhaarigen Ehefrau friedlich in meinem Schaukelstuhl einschlafen. Aber vor Allem möchte ich erst sterben, nachdem ich gelebt habe, nachdem ich alles ausprobiert habe, alles gesehen habe. Ich möchte nicht mitten aus dem Leben gerissen werden, bevor es überhaupt begonnen hat."

Mein Lachen war während er das sagte verstummt. Ich wusste nicht was erwidern und das Einzige was mir einfiel war: „Leider können wir das nicht kontrollieren."

„Ich weiss", sagte er und sein Blick verfinsterte sich.

„Was ist passiert?", sagte ich, denn ich spürte, dass da mehr dahinter stecken musste.

„Ich hatte eine Schwester."

„Was ist mit ihr geschehen."

„Sie hatte Knochenkrebs. Sie ist nicht älter als sieben Jahre geworden. Der Krebs hat sie von Innen her aufgefressen."

Geschockt starrte ich ihn an. Vorsichtig legte ich ihm meine Hand auf die Schulter und war zu sprachlos um etwas zu erwidern.

„Sie hiess Amy und war mein Engel. Weisst du, obwohl sie so viel durchmachen musste und so viele Schmerzen hatte, strahlte sie immer. Sie trug ihren kahlen Kopf immer oben und trug ein breites Lächeln. Sie war unglaublich", eine einzelne Träne rann über seine Wange. Immer noch wusste ich nicht was antworten.

 „Weisst du was am meisten schmerzt? Sie hat so viele Dinge noch nicht erlebt, noch nicht gesehen, als sie uns schon wieder verlassen musste. Sie hat sich noch nie in den Wellen treiben lassen, die salzige Luft gerochen oder den Sand zwischen den Zehen gespürt. Sie ist noch nie in einem Flugzeug gesessen und hat die Welt immer kleiner werden sehen. Sie hat noch nie Alkohol getrunken oder getanzt bis ihr die Füsse weh taten. Sie hat nie Ballett gemacht, obwohl sie es sich doch so wünschte. Aber das Schlimmste ist, sie wird nie wissen was Liebe ist. Ich habe ihr alle meine Liebe gegeben. Aber das ist Geschwisterliebe. Sie wird nie wissen, wie es ist Hals über Kopf verliebt zu sein und nur noch an diese eine Person zu denken. Ihr Leben wurde ihr viel zu früh genommen, darum habe ich mir versprochen aus meinem Leben alles rauszuholen. Ich habe mir versprochen, all die Dinge, die sie nie erleben konnte für sie mitzuerleben. Darum weiss ich wie ich sterben will. Ich will sterben nach einem erfüllten Leben."

Kiss me under the  light of a thousand starsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt