Alles auf Anfang

7 0 0
                                    

„Morgen fängt die Schule wieder an", mault Timon, als er auf den Kalender geguckt hat. Ehrlich! Hat er das erst jetzt mitbekommen? „Das hast du heute schon öfters gesagt", sage ich. „Na und?", erwidert Timon. „Ich kann es gar nicht oft genug sagen, dass die Ferien viel zu kurz sind. Es sind jetzt noch 9 Wochen bis zu den Herbstferien. Wie überstehen wir das?" „So, wie die anderen 6 Jahre davor auch", meine ich. „Außerdem wird morgen der Neubau eröffnet. Ich bin gespannt, wie es aussieht." Nachdem in den vorigen Sommerferien ein Teil von unserer Schule abgebrannt war, mussten wir für ein ganzes Schuljahr in die Grundschule umziehen, wo es dann einige Probleme gab. Ab morgen geht auch Paule, unser kleiner Bruder, aufs Gymnasium. Er ist mindestens genau so aufgeregt, wie vor seinem Geburtstag. Das ist Bill, unserem Schäferhund, jedoch herzlich egal. Er bellt und lässt seinen Ball vor meine Füße fallen. Ich hebe ihn auf und werfe. Bill sprintet sofort hinterher und fängt das Spielzeug. Dann kommt er wieder zu mir und verlangt, dass ich noch mal werfe. So jagen Timon und ich den Hund quer durch den Garten, bis Bill alle vier Pfoten von sich streckt und nicht mehr kann. Es ist immer noch hell, als wir ins Haus gehen und der letzte Tag der Sommerferien zu Ende geht.

Als wir am Morgen mit dem Fahrrad zur Schule fahren, ist es schon ziemlich warm. Paule sagt uns ungefähr aller drei Minuten wie aufgeregt er ist. In der Schule sind wir fast die ersten. Der Neubau sieht schon von Außen ziemlich modern aus. "Ich geh' dann mal zu Maks", sagt Paule. Maks ist Paules bester Freund, der jetzt auch aufs Gymnasium geht. "Gut, dann bis heute Nachmittag", sagt Timon. Schon ist Paule weg. "He, ihr beiden!", ruft plötzlich jemand. Sofia und Anna sind auch schon da. "Wisst ihr, dass Anna jetzt wirklich in Richtung Grundschule wollte?", grinst Sofia. "Wenn wir da jetzt auch ein Jahr hingegangen sind", verteidigt sich Anna. "Hoffentlich hält Cäcilie heute die Klappe und meckert nicht wieder an allem rum." "Du weißt doch, wie sie ist", erwidere ich. "Doof bleibt doof." "Ich bin trotzdem gespannt, wie sie heute hier ankommt. Könnt ihr euch noch an ihren Auftritt im letzten Jahr erinnern?" "Und ob", sagte Sofia und lacht." Jonas ist aber nicht mehr da", meint Anna. "Wetten, sie hat jetzt Einen aus der Zwölften?" "Wäre ihr zumindest zuzutrauen", stimmt Timon zu. Der Schulhof füllt sich allmählich. Nico ist aber immer noch nicht da. Wo er nur bleibt? Er war dieses Jahr wieder in Frankreich mit seinen Eltern. Er hat mir gestern am Telefon gesagt, dass einige Fluggesellschaften in Frankreich streiken. Wahrscheinlich dauert es eine Weile, bis die sich wieder eingekriegt haben, hat er gesagt. "Was wohl dieses Jahr so passiert?", fragt Anna. "Ob wir wieder auf Klassenfahrt gehen? Fiona aus der 7c glaubt, dass sie dieses Jahr ins Erzgebirge fahren." "Hoffentlich", antwortet Anna. "Meine Schwester sagt, die siebte Klasse hat es ganz schön in sich. Vor allem wegen den neuen Fächern. Ihr wisst schon, Chemie, Physik und das Ganze." "Das kriegen wir auch irgendwie hin", meint Timon zuversichtlich. "Unsere Oma sagt immer: Das Essen wird nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird." "Da hat eure Oma Recht", stimmt Sofia zu. "Was ist das denn?" Vor dem Schultor hält eine weiße Limousine. Es wird schlagartig still und alle schauen zum Tor. "Fünfzig Euro, dass das Cäcilie und Anja sind", schlägt Timon vor. "Die Wette gilt", stimmt Sofia zu. Der Chauffeur steigt aus und öffnet die hintere Tür. Und wer steigt aus? Natürlich die Prinzessinnen, Cäcilie und Anja. Jede eine kleine Lederhandtasche in der Hand. Eine große, dunkle Sonnenbrille und reichlich Make-Up im Gesicht. "Wann soll ich Sie wieder abholen?", fragt der Fahrer. "Um eins", antwortet Anja. "Sie können jetzt wieder fahren." Der Fahrer rührt sich nicht. "Na hopp, wird's bald?", kommandiert Anja. "Sie müssen auch noch meine Eltern auf Arbeit fahren. Wenn Ihnen Ihr Job lieb ist, sollten sie fahren." Der Fahrer steigt schnell ein und braust davon. Anja und Cäcilie schauen ihm nach. "Meine Eltern sind schon ganz verzweifelt", seufzt sie. "Nirgendwo findet man noch geeignetes Personal." Sie wenden sich zur Schule. Cäcilie verzieht das Gesicht. "Wie schön waren doch die Ferien in Monaco, am Strand, das Luxushotel, die Bedienung und der nette, hübsche Barkeeper. Aber jetzt sind wir wieder hier in diesem Kaff und müssen zur Schule gehen." So staksen sie auf ihren Absatzschuhen auf den Schulhof. "Was glotzt ihr alle so?", fährt Anja die umstehenden Schüler an. "Noch nie eine Limousine gesehen? Ach so, stimmt ja. Hat ja nicht jeder so reiche Eltern wie wir." Sofort rufen einige Mutige "Buh!". "Na, wie viele Schönheits-OP's habt ihr diese Ferien machen lassen?", fragt Sofia. "Aber am Gehirn habt ihr mal wieder nichts machen lassen. Da würde ein bisschen Silikon auch gut tun, aber intelligenter macht das auch bloß nicht." Theatralisch seufzt Cäcilie. "Und diese Trampel sind immer noch hier. Die haben wirklich keine Ahnung von Mode, geschweige denn, von dem was wichtig ist im Leben." Sofia dreht sich um und tut so, als müsse sie sich übergeben. "Ihr seid doch die Trampel", erwidert Timon. "Halt' den Mund", sagt Anja. Jetzt fällt mir auch wieder ein, was ich über die Ferien gar nicht vermisst habe: Die beiden. Als die Sache mit Jonas vor den Ferien rausgekommen ist, haben die beiden mal kurze Zeit lang keine Schminke getragen und waren eigentlich ganz nett. Aber die Nummer hier übertrifft echt alles. Sicher, die Großen kommen immer wieder und erfinden sich ständig neu. Sofia hat sich wieder erholt und mustert die beiden grimmig. Das mit dem Trampel scheint sie den beiden sehr übel zu nehmen.

Der Auftritt der beiden scheint jetzt Gesprächsthema Nummer Eins zu sein! Fast alle reden unauffällig über Cäcilie und Anja und gucken ihnen zu, wie sie sich ihre Haare mit einer Bürste kämmen. Vorher haben sie sich natürlich lang und breit darüber beschwert, dass die Bänke total schmutzig sind. Also wenn mich die Leute so ansehen würden, ich würde lieber wegrennen, aber den beiden scheint die Aufmerksamkeit auch noch zu gefallen. "Das Jahr kann heiter werden", sagt Sofia bitter. "Wenn das schon so los geht! Da melde ich mich lieber ab und gehe auf eine andere Schule. Zur Not in Australien, da finden sie mich nicht." "He, Cäcilie!", ruft jemand. Cäcilie schaut auf. "Theresa!", kreischt sie und schmeißt die Bürste weg. Dann rennt sie auf ihre ehemalige Freundin zu und umarmt sie. Wir brauchen erst einen Moment, bis wir wissen, wer da vor uns steht. Theresa, Cäcilies ehemaliger Schatten. Ist sie jetzt etwa auch wieder hier? Neben ihr steht ein Mädchen, das ich nicht kenne. "Und wer ist das?", fragt Anja und deutet abfällig auf das Mädchen neben Cäcilie. "Ich bin Noamy-Jolyne-Noelle", stellt es sich vor. "Cäcilie, du hast mir ja schon von Theresa erzählt", meint Anja. "Doch du sagtest, dass sie auf die Regelschule geht." Auf einmal verschwindet das Lächeln von Theresas Gesicht. "Oh Cäcilie, es tut mir so leid", auf einmal bricht sie in Tränen aus. "Ich weiß nicht, was in mich gefahren war, als ich mich mit Carolin angefreundet habe. Das Jahr an der Regelschule war einfach nur schrecklich. Carolin war ganz gemein zu mir, weil ich immer die beste und schönste war, da hat sie mir die Freundschaft gekündigt. Doch Noamy-Jolyne-Noelle hat mich getröstet und wir haben beschlossen, dass wir wieder aufs Gymnasium gehen. Also haben wir uns angestrengt und da sind wir!" "Mir wird schlecht!", meint Sofia. "Wie spricht man das aus?", fragt Anna. "Noämie-Scholiene-Noäll oder wie?" "Das wird sie dir bei der nächsten Gelegenheit schon unter die Nase binden", antworte ich. "Du wirst es also früh genug erfahren." "Die Neuen müssen sich doch fragen, ob sie hier in der Psychiatrie gelandet sind", sagt Timon. "Das da" - er deutet auf die Vier- "ist doch echt eine Zumutung für jeden normalen Menschen." Es klingelt. Cäcilie und Anja nehmen ihre Handtaschen und stolzieren ins Schulhaus. "Auf in den Kampf", meint Sofia.

Simon und das Großstadtabenteuer (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt