Leider sind im Terminal 2 nicht so viele Menschen unterwegs wie sonst. Deswegen kommt der Mann auch ziemlich schnell voran. Er hat eine große Reisetasche dabei und die Handtasche der alten Frau, die mit ihren Freundinnen immer näher kommt. Am Ende des breiten Ganges ist eine Rolltreppe, die nach unten fährt. Der Mann rennt sie hinunter. Vorbei an einer Frau mit großem Koffer. Aus Versehen stellt sie ihm dabei ein Bein. Erschrocken sieht sie zu, wie der Mann die Rolltreppe hinunterrollt und sich mehrmals überschlägt. „Nicht schlimm", meint Timon, der die Steintreppe daneben hinunter sprintet. „Der hat es verdient", ergänzt Anna, die kurz hinter ihm läuft. „Er hat was, was ihm nicht gehört", sagt Nico. „Außerdem wird er von der Polizei gesucht", erkläre ich noch, dann sind wir an der Frau vorbei. Ich frage mich, was die denkt, als auch noch der Rest von uns die Treppe hinunter sprintet. Die alten Frauen sind auf einmal verschwunden. Ich habe aber jetzt keine Zeit darüber nachzudenken, wo sie abgeblieben sind. Der Mann humpelt jetzt vor uns her, er ist aber immer noch sehr schnell. Ich bin schon ganz außer Atem. Da taucht auch unsere Rollator-Polizei wieder auf. Sie haben wahrscheinlich eine Abkürzung genommen. Ich weiß mittlerweile nicht mehr, wo wir sind. Herr Fegebein, Susanne und die anderen sind auch nicht mehr hinter uns. Dort vorne scheint die Bahn zu sein. Da stehen auch die anderen von uns und versperren alle Ein- und Ausgänge der Bahn. Anscheinend hatte der Mann die Idee mit der Bahn auf Nimmer Wiedersehen zu verschwinden, doch daraus wird jetzt leider nichts. Er läuft nach rechts. Hier sind nur noch ein Buchladen und ein Restaurant, aber dahinter scheint es eine Treppe nach oben zu geben. Hilfe, wie weitläufig ist der Flughafen eigentlich? Das scheint aber laut den Schildern immer noch Terminal 2 zu sein. Hätten wir nicht eine Klassenfahrt nach Erfurt machen können? Erfurt ist bei weitem nicht so groß und hat außerdem einen viel kleineren Flughafen. Da hätten wir ihn wahrscheinlich schon längst. Selbst in der dritten Etage sind noch Geschäfte. Der Mann reißt einen Tisch mit Blumen um, Glasscherben fliegen durch die Gegend und die schönen Blumen liegen auf dem Boden. Das ist wie ein Labyrinth hier, ehrlich! Falls ihr mal in Frankfurt seid, lasst euch ja nicht die Tasche klauen. Unser Dieb rennt an einem Fahrstuhl vorbei, aus dem die Rollator-Polizei kommt. Deswegen sind sie also manchmal verschwunden und tauchen dann kurz vor uns wieder auf. Eine von ihnen läuft etwas schneller und fährt den Mann mit ihrem Rollator über den Haufen. Der Dieb fällt hin und verzieht vor Schmerz das Gesicht. „Das ist meine Handtasche, mein Freundchen", sagt die Frau zu ihm, nimmt ihre Handtasche und schlägt kurzerhand drei Mal auf den Mann ein. Erschöpft gibt der Dieb auf. Timon und wir anderen sind sofort da und halten ihn fest. „So, den hätten wir", freut sich die alte Frau. „Gut gemacht, Mädels!" Dann guckt sie uns an. „Aber ihr wart auch nicht schlecht." „Danke", sage ich außer Atem. Herr Fegebein und die anderen kommen nun auch endlich. „Habt ihr ihn?", fragt Herr Fegebein. Wir nicken. Susanne kommt mit einer Frau und einem Mann in Uniform. „Das ist also den Mann, den Sie für den Drogendealer halten, der seit Tagen gesucht wird", fragt die Frau. „Ganz sicher", versichert Susanne. „Das ist er wirklich", stellt der Mann fest. „Unverkennbar." Kurz darauf bricht lauter Jubel aus, sodass sich einige Leute nach uns umdrehen. Carlotta tippt mich an. „Was ist?", frage ich. „Alles im Kasten", antwortet sie und drückt mir meine Kamera in die Hand. Ich bin total verwirrt. „Du hast vor Aufregung deine Tasche mit der Kamera stehen lassen", erklärt Carlotta. „Und da dachte ich, dass ich euch bei eurem Film ein bisschen helfe." „Danke", sage ich. Hätte Carlotta das nicht gefilmt, hätten wir den Dieb noch mal von vorne jagen können. Ich bin mir aber nicht sicher, ob er das noch mal machen würde. Er hat sich anscheinend bei seinen Stürzen ganz schön am Bein verletzt. Jetzt wird er von der Polizei abgeführt.
Kurze Zeit später sitzen wir in dem muffigen Büro der Flughafen-Polizei. Noch einmal erzählen wir alles und lassen kein Detail aus. Die Polizisten hören uns aufmerksam zu. Unser Dieb ist schon auf einem Revier in der Stadt. Wahrscheinlich wird er jetzt verhört und kommt dann vor Gericht. Dann verlassen wir das Büro. Die Polizei hat uns versprochen, dass sie uns auf dem Laufenden hält, was den Dieb angeht. Aber ich glaube, dass wir das auch im Fernsehen und im Radio werden. Als wir über die Türschwelle treten, atmen Frau Stern und Herr Fegebein fast gleichzeitig lang aus. „Das war mal wieder ein Ding", seufzt Frau Stern. „Ich glaube, dass wir jetzt zurück ins Hotel fahren", schlägt Herr Fegebein vor. Auf dem Weg zurück bleibt Sofia an einem kleinen Stand stehen. „Das ist niedlich!", sagt sie und hält ein kleines, getupftes, dreifarbiges Kätzchen hoch (aus Stoff natürlich). „Aber ich habe leider nicht genug Geld mit", seufzt sie. „Du weißt ja, meine Eltern sind bei sowas ziemlich knuckrich." Enttäuscht setzt sie das Tier zurück in den Korb. „Ich hätte mir gerne ein kleines Andenken mitgenommen." Dann gehen wir weiter. Die Bahn fährt uns direkt vor der Nase weg. Heißt also, wir haben noch fünf Minuten Zeit. „Ich muss noch mal schnell weg", sage ich zu Timon. Zum Glück fragt er nicht warum. Wahrscheinlich weiß er es. Als ich denke, dass die anderen mich nicht sehen, laufe ich zurück zu dem Stand. Die Katze, die Sofia gerne mitgenommen hätte, ist noch da. Soviel Geld sollte ich eigentlich noch haben. Es reicht sogar noch einen für kleinen Bildband über Frankfurt am Main. Ich bezahle und laufe zurück zu den anderen. Die Bahn fährt gerade ein. Hoffentlich hat keiner mein Verschwinden bemerkt. „Hast du alles gekriegt, was du kaufen wolltest?", fragt mich Timon. Ich muss wohl ein ziemlich entsetztes Gesicht machen, als er sagt: „Keine Angst, ich verrate ihr nichts."
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Simon und das Großstadtabenteuer (Band 3)
Novela JuvenilDie 7. Klasse Das neue Schuljahr beginnt gleich aufregend: die Klassenfahrt soll in die Großstadt Frankfurt am Main führen! Als wäre das nicht schon Aufregung genug, wird auch noch mitten im Großstadttrubel Cäcilies Tasche gestohlen. Für Simon und d...