Frankfurt, da sind wir!

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Wir steigen aus. Nach einer unendlich scheinenden Zugfahrt sind wir erstmal in Erfurt angekommen. Das heißt also, dass wir den größten Teil der Reise noch vor uns haben. "Und jetzt?", fragt Sofia, als alle mit ihrem Gepäck auf dem Bahnsteig stehen. Herr Fegebein und Frau Stern sehen sich einen Moment lang ratlos an. "Also den ICE haben wir auf alle Fälle verpasst", meint Herr Fegebein. "Ich geh' mal zur Information", meint Susanne. "Vielleicht können die uns weiterhelfen." Kurz darauf kommt sie zurück. "Noch zwei Stunden", erklärt sie. "Außerdem müssen wir auf die andere Seite des Bahnhofs." Cäcilie und Anja stöhnen. "Schon wieder laufen und dann zwei Stunden in der Kälte stehen?", fragt Anja. "Können wir uns nicht irgendwo in ein Café setzen?", ergänzt Theresa. "Oder shoppen gehen?", will Nojono wissen. "Meine Gutsten", meint Susanne. "Das hat euch Herr Fegebein vorhin schon mal erklärt. Vielleicht hättet ihr es mit euren supertollen-schicki-micki Handys aufnehmen sollen, dann könntet ihr es euch immer wieder anhören und bräuchtet nicht jedes Mal nerven." Cäcilie verdreht die Augen. "Na gut", sagt sie. Anja hat inzwischen ihr supertolles Handy zur Hand genommen. "Was schreibst du da?", fragt Theresa. "Ich schreib' nur grad' bei Facebook, dass wir hier in der Pampa festsitzen und wir uns von irgendeiner dahergelaufenen Tante belehren lassen müssen." "Erwartet ihr etwa, dass Leute wie Madonna 'gefällt mir' klicken?", fragt Sofia. "Madonna?", sagt Susanne. "Hab' ich euch schon mal erzählt, dass ich sie persönlich treffen durfte?" Sofort kleben Cäcilie, Anja, Theresa und Nojono an ihren Lippen. "Sie durften wirklich Madonna treffen?", fragt Theresa noch einmal. Susanne nickt. "Und? Wo? Wie war sie?", will Anja wissen. "Ich war für unsere Plattenfirma in London unterwegs und habe einen Teil der Aufzeichnung von ihrem Konzert in der Wembley-Arena beaufsichtigt." Die 4 sehen sie erwartungsvoll an, doch Susanne macht keine Anstalten weiterzuerzählen. „Erzählen Sie weiter!", fordert Anja. „Ich bin doch bloß eine dahergelaufene Tante", meint Susanne trocken. „Das... das war nicht so gemeint", sagt Theresa. Ich weiß nicht, ob sie das ehrlich meint oder nur sagt, damit Susanne weitererzählt. Das macht sie. Kurze Zeit später hören wir alle zu, wie Susanne erklärt, wie es bei so einer Konzertaufzeichnung abläuft. Eigentlich dachte ich immer, dass man nur hier und da Kameras installiert, die alles mitfilmen und das dann alles zusammengeschnitten wird. Doch so einfach ist es anscheinend doch nicht. Bin ich froh, dass für den Wettbewerb kein professioneller Film verlangt wird...

Laaaaaaange Zeit später: Wir hocken immer noch auf dem Bahnsteig rum. Als kein Platz mehr auf den Bänken war, haben sich einige einfach auf den Boden gesetzt. Susanne hat mittlerweile von all ihren Begegnungen mit Stars erzählt. Die Zeit ist zwar dadurch vergangen, aber eine Stunde ist es immer noch. Ich glaube, dass ihr selber wisst, dass eine Stunde vom Gefühl her unterschiedlich lang sein kann. Mal vergeht sie schnell und dann denkt man, dass die Uhr stehengeblieben ist. Carlotta und Klara sind schon eingenickt, Herr Fegebein kann auch noch kaum die Augen offenhalten und Frau Stern liest ein Buch. Cäcilie und ihre Freundinnen haben die ganze Zeit ihre Handys beim Wickel und schreiben irgendwas. Susanne liest in der Zeitung und Nico, Timon und Anna unterhalten sich. Sofia und ich überlegen, was wir nun in Frankfurt für unseren Film nehmen. „Ich hab's!", ruft Sofia plötzlich. Das hat die anderen wahrscheinlich ziemlich aus dem Konzept gebracht. Verwundert schauen sie Sofia an. Carlotta blinzelt und macht ein fragendes Gesicht. „Ich habe eine Idee für unseren Film", verkündet Sofia strahlend. „Schön für dich", erwidert Anja, ohne von ihrem Handy aufzublicken. „Danke Barbie, dass du auch was dazu sagst", sagt Sofia und erzählt. „Das ist auf alle Fälle schon mal realistischer als unsere Idee mit Bill und Fiona", stimmt Timon zu. „Also ich bin dafür. Wer noch?" Er hebt die Hand. Nico, Anna, Sofia und ich auch. Nach und nach entscheiden sich auch die anderen dafür, sich der Idee anzuschließen. Sogar Cäcilie und die anderen wollen mitmachen. Ich packe die Kamera aus. Die anderen stehen auf und nehmen ihr Gepäck. „Geht bitte da runter", sagt Sofia, die die Regie übernommen hat. „Wenn ich euch das Zeichen gebe, kommt ihr langsam hochgelaufen, okay? Simon filmt das Ganze." „Müssen wir das Gepäck unbedingt mitschleppen?", mault Anja. „Sonst sieht es nicht echt aus. Und wir sind doch professionell, oder?", erwidert Cäcilie. Ob das, was wir vorhaben, nun professionell ist, darüber lässt sich streiten. „Kamera läuft", verkünde ich. „Action, meine Lieben!", ruft Sofia. Kurz darauf ist die Szene im Kasten. In der nächsten unterhalten sich alle über die bevorstehende Klassenfahrt, als aus dem Lautsprecher über uns eine Ansage kommt. „Noch eine viertel Stunde", sagt Phillip. „Endlich!" Ich filme auch, wie alle in den Zug einsteigen, muss mich aber beeilen, weil sich die Türen schon fast geschlossen haben. Wir haben den Wagon fast für uns alleine, also brauche ich hier auch keinen fragen, ob wir ihn denn mitfilmen dürfen. Dann setzte ich mich auch hin und die Reise geht weiter.

Es dämmert schon, als wir endlich den Frankfurter Hauptbahnhof erreichen. Schon von weitem konnten wir die Skyline sehen. Wenn alle Lichter an sind, sieht es richtig toll aus. Aber auch der Hauptbahnhof kann sich sehen lassen! Wir bewaffnen uns alle mit unserem Gepäck und warten, dass der Zug hält. Es steigen viele Leute aus und es herrscht ein ziemliches Gedrängel. Abseits von dem ganzen Trubel treffen wir uns alle und überprüfen, ob wir alle da sind und ob wir auch alle unser Gepäck haben. Dann gehen wir raus auf den Parkplatz. Die Wolkenkratzer sind riesig. Da halten auch Cäcilie und ihre Freundinnen den Mund. Der Bus wartet schon auf uns. Als alle Koffer verstaut sind, fahren wir los. Ich knipse fast alles, was mir vor die Linse kommt. So ziemlich jeden Wolkenkratzer, ein Foto vom Hauptbahnhof und wo wir sonst noch vorbeikommen. Wenn wir uns das alles in einer Woche angucken wollen, müssen wir aber ziemlich hetzen. Doch dann wird es immer ländlicher. Wir halten auf einem Parkplatz. Ein großes Haus steht hell erleuchtet vor uns. Doch ringsherum ist Wald! In weiter Ferne können wir die Wolkenkratzer sehen. „So weit ab vom Schuss?", fragt Anja entgeistert. „Herr Fegebein!", mault Theresa. „Sie sagten, dass wir eine Klassenfahrt nach Frankfurt machen, also wird es doch wohl die Möglichkeit geben, dass wir auch in der Stadt übernachten." „Das wäre ziemlich teuer", erwidert Frau Stern. „Außerdem fahren wir jeden Tag mit dem Bus in die Stadt. Ihr bekommt schon noch genug von Frankfurt zu sehen, keine Sorge." „Es ist hier draußen auch viel ruhiger", stellt Susanne fest. „In Frankfurt fahren die Autos Tag und Nacht, also würden wir da bestimmt kein Auge zutun." „Und wenn es hier nun wilde Tiere gibt?", fragt Nojono ängstlich. „Ach, zu Hause gibt es auch Wildschweine", meint Sofia trocken. „Die haben dich auch nicht geholt. Was sollen die auch mit dir?" Wir gehen in die Eingangshalle. An der Rezeption begrüßt Herr Fegebein einen gewissen Herrn Andersson, der Chef der Herberge. Es scheint jedoch mehr ein Hotel zu sein. Also doch nicht so vorsintflutlich, wie Anja gedacht hat. „Wir dachten uns schon, dass der Zug zu spät kam", sagt Herr Andersson. „Das können Sie laut sagen", stimmt Frau Stern zu und unterdrückt ein Gähnen. „Dann verteile ich jetzt die Zimmerschlüssel. Abendbrot gibt es immer von 18:00Uhr bis 20:00Uhr. Frühstück von 7:00Uhr bis 9:00Uhr", erklärt Herr Andersson. „Und Mittagessen?", fragt Cäcilie. „Tagsüber sind wir in der Stadt", antwortet Susanne. „Wir werden uns wahrscheinlich immer etwas mitnehmen, was wir dann essen werden." Cäcilie nickt. „Ich habe ja genug Geld mit", murmelt sie vor sich hin. „Das reicht für ein Mittagessen in einem Restaurant." „Eure Zimmer liegen im dritten Stock. Es sind jeweils 5-Bettzimmer mit Bad", gibt Herr Andersson bekannt. „In den Zimmern liegen auch Listen, wo alles erklärt ist. Ich muss euch darauf hinweisen, dass ihr keine Drogen oder Alkohol mithabt, was mich dazu verpflichten würde, die Polizei zu rufen. Allerdings möchte ich das nur ungern tun." Dann verteilt er die Schlüssel. Wir ziehen mit unserem Gepäck in den dritten Stock. Allerdings gibt es keinen Fahrstuhl, was in den Augen von Cäcilie, Anja, Theresa und Nojono ein fetter Minuspunkt ist. Timon, Nico und ich haben Zimmer 309. Das Zimmer ist riesig, fast dreifach so groß wie mein Zimmer zu Hause. „Richtet euch in Ruhe ein und kommt dann bitte runter zum Abendessen", sagt Frau Stern. „Alles klaro", meint Timon. Als wir gerade dabei sind, die Schränke einzuräumen, klopft es. „Herein", ruft Nico. Frederik und Phillip kommen herein. „Ist hier noch was frei?", fragt Frederik. „Ja, wenn mich meine Mathekenntnisse nicht im Stich gelassen haben", antwortet Timon. „Kommt rein." Als wir alles ausgepackt haben, gehen wir runter in den Speisesaal. Außer uns sind keine weiteren Schulklassen da, dafür ziemlich viele Ehepaare mit oder ohne kleinen Kindern, die uns alle neugierig mustern, als wir den Speisesaal betreten. Alle essen schon, als ein Raunen durch den Saal geht. Natürlich, wie konnte ich das nur vergessen! Cäcilie, Anja, Theresa und Nojono fehlen ja noch. „Wer ist das?", fragt Anna. „Kennen wir die?" „Das sind die 4 Supermodels", antwortet Sofia. „Du musst gleich hinlaufen und um ein Autogramm betteln!" Herrn Fegebein fallen beinah die Augen aus dem Kopf, Frau Stern fasst sich an die Stirn und Susanne guckt schnell woanders hin, als würde sie nicht zu unserem Verein gehören. Die vier haben sich natürlich aufgebrezelt bis zum Geht-nicht-mehr. Kleine Handtäschchen, Minikleidchen und jede Menge Schmuck. „Haben die erst noch 'nen Juwelier überfallen?", raunt Timon mir zu. Ich zucke mit den Schultern. Die vier wollen sich schon an einen anderen Tisch setzen, als Frau Stern ruft: „Nee, meine Lieben, so geht das nicht. Ihr sitzt hier! Guckt mal, hier sind noch vier wunderbare Plätze frei." Sie deutet auf die vier freien Stühle an unserem Tisch. Plötzlich fangen einige an, hinter vorgehaltener Hand zu lachen. Wahrscheinlich haben sie mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass die vier zu uns gehören. Ja ja, als Karnevalsverein würden wir locker durchgehen!

Simon und das Großstadtabenteuer (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt