☑️ Kapitel 36♚

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~Bin unter Tränen eingeschlafen, bin unter Tränen wieder aufgewacht. Hab' über dieselbe beschissene Frage zwei Millionen Mal nachgedacht.~

Ich habe es geschafft.
Ich bin über meinen Schatten gesprungen und es war absolut die schlechteste Idee, die ich je hatte.

Ich fühle in den Stunden, die sich wie Sekunden anfühlen rein gar nichts.
Keinen Schmerz und keine Gedanken. Erst, als ich langsam wieder Licht durch meine Augenlieder lassen kann, erdrücken mich beinahe diese höllischen Kopfschmerzen.
Wie unerträglich viele Stiche an meinen Schläfen.
Schnell kneife ich meine Augen wieder stöhnend zu und lasse sie geschlossenen, in der Hoffnung, dass die Schmerzen nachlassen.

Als ich jedoch ein regelmäßiges Piepen höre, werde ich hellhörig und realisiere erst die Lage, in der ich gerade stecke.
Nach wenigen weiteren Minuten fühle ich, dass etwas in meiner Haut steckt.
Ich bewege meine Finger und dann schließlich meinen Arm.

Auch ohne die Augen zu öffnen, weiß ich, das ein Venenkatheter in meinem Arm steckt.
Eine Infusion.

Fehlt nur noch meine weinende Mutter an meinem Krankenbett und dieser ständige Druck in meinen Kopf.
Die Krankheit, die nicht nur meinen Eltern, sondern auch mir das Leben nahm.
In verschiedenen Weisen.

Ich schlucke meine aufkommenden Tränen und die damit verbundene Wut herunter.
Nie wieder!
Ohne noch weiter zu zögern reiße ich erbarmungslos meine Augen auf.
Die Kopfschmerzen ignoriere ich, als ich mich blitzschnell aufsetze und die Atemschläuche an meiner Nase entferne.
Ich schleudere sie in die Ecke, obwohl sie fest mit einem Gerät zu meiner Rechten verbunden sind.

Kurz will ich schon erleichtert ausatmen, als frische Luft in meine Lungen strömt, doch dann fällt mein Blick auf meine Arme die Kunststoffschläuche, die in meiner Haut stecken.
Auch dies reiße ich ohne zu zögern aus meiner Haut.

Alle Anschlüsse die an meinem Körper hängen, entferne ich mit gezielten Bewegungen.
Dann schalte ich den Monitor des Elektrokardiogramm's ebenfalls aus.

Sobald ich wieder frei von all dem bin, atme ich erleichtert aus und ich fühle mich augenblicklich befreiter.
Auch die Erinnerungen schwinden in meinen Gedanken und das Gefühl, eingesperrt zu sein, ebenfalls.

Ich lasse meinen Körper wieder zurück in die Matratze fallen.
Die Kopfschmerzen lassen langsam nach, jedoch nicht schnell genug, um hier sofort hinauszugehen.
Mit misstrauischen Augen blicke ich mich schließlich im Zimmer um.
Steril. Weiß. Unpersönlich.
Und ein Einzelzimmer.
Gott sei Dank.

Erst dann merke ich die zierliche Gestalt, die am Ende meines Bettes liegt.
Jess ihr Atem geht ruhig und gleichmäßig, während ihr Kopf auf den letzten Rand meiner Matratze liegt.
Sie selber sitzt halb auf einen Stuhl.
Jess schläft.

Warm lächle ich, auch wenn ich weiß, dass ich es ab heute nicht mehr zulassen werde. Keind Freundschaft und keine Hoffnung.
Je früher ich es verstehe und durchziehe, desto besser.
Ich habe sie so sehr ins Herz geschlossen und es tut mir weh, dass alles zu beenden.
Doch ich muss es tun.

Behutsam richte ich mich auf, um leicht über ihren Kopf zu streicheln.
Ein letztes Mal sanft sein. Liebe zeigen.
"Es tut mir so unendlich leid", flüstere ich kaum hörbar. Und dieser Satz gilt nicht nur mir, sondern auch Jess und alle, die sie unabsichtlich mit in die Dunkelheit zu reißen vermag.
Sie rührt sich nicht.

Langsam stehe ich auf, darauf bedacht, Jess nicht zu wecken.
Als ich auf meinen Beinen stehe, halte ich meinen Blick auf einen Punkt auf dem Boden gerichtet.
Alles dreht sich und ich atme den Schwindel so gut es geht weg.

Draußen kommt die Sonne von den dichten Wolken hervor und gibt der Stadt ein wunderschönes Bild. Wenn dieser Frieden nur jeden Menschen vergönnt sein könnte.
Manchmal stelle ich mir ein ganz anderes Leben vor.
Wenn ich ganz normal wäre, dann würde ich mich vermutlich jetzt mit Freunden treffen oder vielleicht über sinnlosen Liebeskummer weinend im Bett liegen.
Doch dann hätte ich nicht den Wolf in mir und die schiere Macht, die mir zur Verfügung steht.
Ich hätte nicht den Frieden, den mir der Wald immer wieder aufs neue gibt oder die seelische und physische Stärke, die ich mir im Laufe der Zeit aneignen konnte.
Nichts von all dem wäre da.

Meine Gedanken fliegen hinüber zum Mondwolf-Buch.
Bald werde ich zuhause sein und es lesen.
Es wird mir eine so gute Ablenkung sein, dass ich hoffentlich keine negativen Gedanken über Jess haben werde.
Keine Schuldgefühle und keinen Schmerz.

Ich seufze leise auf und stelle mich seelisch auf die nächste harte Zeit ein.
Was soll ich denn auch sonst machen?

Meine Augen heften sich wieder auf die schlafende Jess. Mein Herz erwärmt sich.
Hoffentlich träumt sie schön.

Als meine vielen Gedanken ihr Ende finden, fällt mir erst jetzt auf, dass etwas eigenartiges in der Luft liegt.
Ein Geruch.
Verwundert ziehe ich meine Augenbrauen zusammen und betrachte nun auch den Rest des großen Raumes.
Schräg hinter meinem Bett erkenne ich eine Gestalt.

Als ich Jason erblicke, zucke ich so heftig zusammen, dass ich mir beinahe auf die Zunge gebissen hätte.
Erschrocken keuche ich auf.
Die gesamte Zeit war er hier?

Er schaut mich bereits an.
Seine grünen Augen liegen ohne jeden Hohn auf mir. Vollkommen verschlossen.
Seine Arme liegen entspannt auf den Sofalehmen, auf dem er gerade sitzt.
Und ich frage mich, warum er sich mit keinen Deut bemerkbar gemacht hat.



Meinungen?

Leute, ich hab die Kapitel bis 39 vorgeschrieben und ich bin so zufrieden mit der 39. Es hätte echt nicht besser werden können! Vor allem deswegen, weil ich die perfekte Idee habe.

Ich frage mich, wie ihr es finden werdet. ❤️

Danke für eure süße Unterstützung und an 26k+
& all die süßen Kommentare im letzten Kapitel!❤️

M.

Wolfsmond - Wolf der LegendeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt