Kapitel 18

408 29 2
                                    

So in etwa verliefen auch die nächsten Tage. Jeden Tag ritt ich Keschen und Devil und suchte mir noch verschiedene Aufgaben, um beschäftigt zu sein. So nahm ich einigen unserer Stallburschen die Arbeit ab und mein Vater drohte mir damit, dass er einem der Stallburschen kündigen müsste, wenn ich so weiter machen würde. Das war mir allerdings egal, da mein Vater es sowieso nie wagen würde einen unserer Arbeiter zu entlassen. Dafür hatte er sie alle viel zu gern und genug Arbeit gab es bei uns immer.

Am Wochenende fuhr Ben dann mit den anderen zu einem Rennen und auch Mirella fuhr mit. Ich hatte nämlich festgestellt, dass sie noch nie ein Distanzrennen gesehen hatte und war der Meinung sie müsste unbedingt mit. Sie konnte schließlich nicht jeden Tag auf einem Gestüt sein, wo Distanzrennpferde gezüchtet wurden und noch nie bei einem Rennen dabei gewesen sein. Außerdem fand ich es ganz schön auch mal ein bisschen meine Ruhe zu haben und in Ruhe vor mich hin zu arbeiten ohne ständig jemand um mich herum zu haben. Es war nicht so, dass mich der ganze Trubel jeden Tag störte. Ganz im Gegenteil, aber manchmal war es doch ganz schön einfach seine Ruhe zu haben und dafür war das Wochenende die beste Gelegenheit, denn dieses Wochenende würden sie weit fahren müssen und daher an dem Platz des Rennens übernachten. So waren sie wirklich für drei Tage weg und ich war allein mit meiner Mutter, die die meiste Zeit sowieso irgendwo in der Stadt war oder drinnen die Buchhaltung machte.
Am Morgen des Freitages fuhren sie dann los und ich verabschiedete mich von Ben.
"Willst du wirklich nicht mit?", fragte er mich zum gefühlt tausendsten Mal und wie jedes Mal schüttelte ich mit dem Kopf.
"Wirklich?"
"Ja! Ben du musst mich nicht noch tausend mal fragen! Ich bleibe hier!"
"Ich lass dich nur so ungern alleine."
"Mir geht's gut und ich komme auch alleine klar. Notfalls ist meine Mutter ja auch noch da."
"Okay. Bis bald!", sagte Ben und gab mir noch einen Kuss. Ich erwiderte und sagte: "Bis bald."
Er wand sich nun von mir ab und ging zu dem Transporter, wo die Anderen bereits warten. Dort angekommen drehte er sich noch einmal zu mir um und rief: "Wenn irgendwas ist kannst du mich jeder Zeit anrufen."
"Ben! Es sind nur drei Tage! Ich komme solange auch alleine klar!"
"Okay. Bis bald!"
Nun stieg er ein und sie fuhren vom Hof.
Ich machte mich nun auf den Weg in den Stall, wo die Pferde gerade ihr Futter bekommen hatten. Der Stall war nun, bis auf die Pferde, völlig leer, da die Arbeiter nun mit ihrem Frühstück im Reiterstübchen saßen. So ging ich nun in Ruhe durch den Stall bis zu Devil. Als mein Hengst mich sah spitzte er sofort die Ohren und brummelte zur Begrüßung sanft. Ich betrat seine Box und stellte mich neben ihn, bis er aufgefressen hatte und sich vollständig mir zu wand. Er rieb nun seinen Kopf an meiner Schulter und ich streichelte ihm über die Stirn. Das war für uns mittlerweile zum Ritual geworden, da der Hengst es, genau wie Darling auch, liebte an der Stirn gekrault zu werden. So standen wir einfach eine Weile nebeneinander, bis die Stallburschen dann wieder in den Stall kamen und mir alle samt ein fröhliches: "Morgen Lisa!", zuriefen. Auch sie waren es mittlerweile gewohnt mich jeden Morgen in der Box des Hengstes auf zu finden.
"Morgen!", rief ich zurück und machte mich dann auf den Weg zur Sattelkammer, um mein Putzzeug zu holen und Devil einmal gründlich zu putzen. Da ich momentan viel Zeit hatte putzte ich ihn jeden Morgen solange, bis er glänzte. So konnte ich Zeit bei ihm verbringen und er schien es auch zu genießen, denn er blieb dabei ruhig stehen und döste vor sich hin.
Als sein Fell dann glänzte legte ich ihm ein Halfter an und führte ihn zum Putzplatz, wo ich ihn locker anband und schließlich sattelte. Als er dann vollständig ausgerüstet war ging ich mit ihm zum Reitplatz, wo ich mich auf seinen Rücken schwang und ihn erst einmal in allen Gangarten locker vorwärts abwärts warm ritt. Dabei fiel mir das kleine Kreuz auf, das in der Mitte des Platzes aufgebaut war. Es war ja schon zu verlockend und mit Darling wäre ich jetzt schon hinüber gesprungen. Sollte ich das mit Devil auch versuchen? Immerhin hatte Darling mir gesagt ich sollte wieder mit dem Springen angefangen und sie hatte mir auch deutlich gezeigt, dass sie in der Gestalt von Devil bei mir war.
Nach langem Überlegen entschloss ich mich dann doch dazu es einfach mal zu versuchen. Mehr als schief gehen konnte es ja nicht. So galoppierte ich den Hengst nun an und nachdem ich ein paar Runden gedreht hatte ritt ich auf den Sprung zu. Was mich allerdings wunderte war, dass nicht, wie mit Daisy, sofort wieder alle Erinnerungen hoch kamen. Stattdessen flog ich ohne Probleme hinüber. Dabei fühlte ich mich so sicher, wie ich mich vorher nur auf Darlings Rücken gefühlt hatte. Noch nie war ich mit einem anderen Pferd als meiner Stute so mühelos über die Hindernisse geflogen und hatte mich dazu noch so sicher gefühlt. Dieses Gefühl beflügelte mich so sehr, dass ich das Hindernis noch einige Male übersprang und dann zum Springplatz ritt, wo ich einige der kleineren Hindernisse, die dort aufgebaut waren, mit nahm.
Nach einer Stunde beschloss ich Devil im Gelände noch etwas im Schritt zu reiten. So trabte ich noch etwas am langen Zügel und parierte ihn dann durch zum Schritt. Langsam ritt ich durch den Wald und der Hengst unter mir streckte sich schön und schien es richtig zu genießen. Irgendwann kam ich dann auch an der Lichtung vorbei und sah, dass dort noch immer der Parcours stand, den wir damals für Darling aufgebaut hatten. Als der Hengst das sah hob er sofort den Kopf und spitzte seine Ohren. Ich spürte, dass er am liebsten sofort los legen wollte, aber wollte ich das auch? Diese Hindernisse waren ja nun doch um einiges höher, als die, die ich am Gestüt übersprungen hatte.
Nach langem Überlegen konnte ich allerdings nicht widerstehen und galoppierte den Hengst an. Dieser reagierte sofort und ich lenkte ihn erst einmal um die Hindernisse herum, bis ich ihn auf das erste Hindernis zu lenkte. Er sprang ohne Probleme hinüber und meisterte den Parcours nahezu perfekt. Ich lobte ihn ausgiebig und setzte dann meine ruhige Schritt Runde fort.

Als ich dann wieder am Gestüt ankam kam auch meine Mutter wieder und fragte: "Na? Wie wars?"
"Echt entspannt. Und so ruhig.", meinte ich.
"Ist schön manchmal einfach seine Ruhe zu haben oder?"
"Ja. Und dann noch einen langen Ausritt zu machen noch viel besser."
"Was hast du denn heute noch so vor?"
"Ich muss eigentlich noch mit Keschen trainieren, aber wenn sie so gut läuft, wie die ganze Woche schon mache ich mit ihr nur einen langen, etwas schnelleren Ausritt."
"Was verstehst du unter etwas schnelleren?"
"Ich trabe einfach die ganze Zeit durch und gehe dann die 80 Kilometer Strecke oder so."
"Hättest du denn ein Pferd für mich frei?"
"Klar. Du kannst Shalima nehmen."
"Okay. Nimmst du mich dann mit?"
"Gerne. Keschen läuft mit Begleitung sowieso besser."
So machte ich nun Keschen fertig und half meiner Mutter dann Shalima zu satteln. Meine Mutter konnte zwar einigermaßen gut reiten, aber nicht schneller als Trab und auch nur auf ruhigen Pferden. Da war Shalima das perfekte Pferd. Die ältere Stute war früher auch Distanzrennen gelaufen, aber war nun in Rente und lief nur noch ab und zu bei jungen Pferden im Training mit. Ben liebte sie trotzdem über alles und die Stute vertraute ihm blind. Die Beiden waren einfach das perfekte Team.

Der letzte Sprung - #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt