Kapitel 2

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"Lisa, bitte, bitte sag irgendwas dazu!", flehte Ben nun schon fast. Er war wirklich total verzweifelt und ich hörte Panik in seiner Stimme. Ich wollte ihm jetzt eine Antwort geben, aber ich konnte nicht. Am liebsten hätte ich jetzt irgend eine Blume genommen und die Blüten abgerissen, um es aus zu zählen, aber es war leider Winter und hier wuchsen weit und breit keine Blumen.
Ich entschied mich nun allerdings dafür auf mein Bauchgefühl zu hören. Das war ja meistens die bessere Wahl und ich hoffte, dass es auch in diesem Fall die richtige Wahl war.
"Ja.", sagte ich nun. Ben schaute mich allerdings nur fragend an. Er schien nicht so ganz zu verstehen, was ich meinte. Oder er konnte einfach genauso wenig wie ich realisieren, was hier gerade passierte.
"Hast du gerade wirklich ja gesagt?", fragte Ben nach einer kurzen Zeit des Schweigens.
"Ja. Das habe ich. Wir werden wohl heiraten.", sagte ich und erst, als ich es wirklich ausgesprochen hatte realisierte ich, wie glücklich ich in diesem Moment eigentlich war. Erst jetzt verstand ich, wie sehr ich Ben doch liebte und das ich eigentlich nur darauf gewartet hatte, dass er mir irgendwann einen Antrag machte. Ich hätte nur nie gedacht, dass Ben sich das tatsächlich trauen würde. Er war schon immer sehr schüchtern gewesen und ich war in dem Moment wirklich überrascht, dass er sich tatsächlich getraut hatte mich zu fragen.
Langsam verstand ich nun wirklich, was hier gerade passiert war und wusste gar nicht wohin mit dem ganzen Glück. Ehe ich mich versah, kamen mir dann auch schon die Tränen. Ben, der scheinbar noch nicht ganz glauben konnte, dass ich tatsächlich ja gesagt hatte, schien das nun allerdings zu verunsichern.
"Warum weinst du jetzt?", fragte er besorgt.
"Vor Glück.", schluchzte ich und fiel ihm um den Hals. Mit der Situation war Ben nun allerdings endgültig überfordert. Er hatte scheinbar nicht mal damit gerechnet, dass ich ja sagen würde und er kannte es von mir so gar nicht, dass ich ihm weinend um den Hals fiel. Das hatte ich das letzte Mal bei meinem Olympia Sieg gemacht und da war ich auch nicht ihm um den Hals gefallen, sondern eher Darling.
Ben hatte in dem Moment so gar keine Ahnung, was er tun sollte. Er stand ziemlich verwirrt da und schien sich ernsthaft zu fragen, was hier gerade passierte. Langsam verstand dann auch er allerdings, dass ich gerade wirklich vor Freude weinte, weil wir bald heiraten würden und schloss mich in seine Arme.
Nach einer langen Zeit lösten wir uns dann wieder voneinander und steckten uns die Ringe an. Nun waren wir also tatsächlich verlobt!
Wir setzten uns nun wieder auf unseren Felsen und jeder hing seinen Gedanken nach.
"Schon irre.", sagte ich nach einer Weile
" Was?", fragte er verwundert
" Na das mit uns beiden. Jahrelang waren wir die besten Freunde und ein Pferd hat alles geändert."
"Ja. Irgendwie schon. Ohne Darling wären wir jetzt nicht zusammen."
Ich nickte nur. Immer wieder gern erinnerte ich mich an den Tag, als Darling zu uns kam. Eigentlich sollte sie ja Distanzrennen laufen, aber da hatte sie so gar kein Talent zu. Dafür sprang sie um so besser und ich konnte mir mit ihrer Hilfe meinen größten Traum verwirklichen und gleichzeitig noch endlich verstehen, dass Ben nun mal nicht nur ein sehr guter Freund für mich war. Nur durch sie gewann ich mein erstes Springturnier auf dem Ben und ich uns das erste Mal küssten. Sie war es auf deren Rücken wir vor Bens wütenden Vater Stuart flüchteten, der nicht wollte, dass Ben und ich zusammen waren. All diese Momente hätten wir ohne Darling niemals erlebt. Das wurde mir erst jetzt so richtig bewusst.
"Ich finde sie muss bei der Hochzeit dabei sein.", kam mir nun eine spontane Idee.
"Ja. Wir haben ihr so viel zu verdanken. Da sollte sie wirklich dabei sein. Die Frage ist nur wie.", stimmte Ben mir zu.
"Die genaue Planung machen wir dann irgendwann. Jetzt sollten wir vielleicht erstmal zurück reiten. Es wird schon dunkel und es ist verdammt kalt!"
"Das hat der Winter so an sich."
"Wir haben Frühling!"
"Nein. Streng genommen ist noch Winter. Wir haben erst Anfang März."
"Es ist trotzdem kalt. Lass uns zurück reiten. Außerdem haben wir dann das Schlimmste schon mal hinter uns."
"Was meinst du denn damit?"
"Na deinen Vater. Irgendwie werden wir das auch dem beichten müssen."
"Verdammt! Da hab ich ja noch gar nicht dran gedacht! Hoffentlich tickt der nicht wieder aus."
"Das hoffe ich auch. Andererseits bist du 26 Jahre alt und dein Vater kann dir sowieso nicht mehr vorschreiben, was du machen darfst und was nicht."
"Das wird ihm nur relativ egal sein."
"Dann musst du dich einfach mal durchsetzen! Wenn du alles immer nur schweigend hin nimmst, bringt das auch nichts."
"Du weißt genau, dass ich das nicht kann."
"Dann muss ich das eben für dich machen."
"Nein! Das tust du nicht! Das geht nicht gut!"
"Dann musst du es wohl selber machen."
"Können wir nicht noch länger hier bleiben?"
"Vergiss es! Wir reiten jetzt zurück! Dann hast du es hinter dir und ich muss hier nicht endgültig erfrieren."
"Muss ich ihm das wirklich sagen?"
"Ich kann das gerne auch für dich über nehmen, aber das wolltest du ja nicht."
"Nein. Das ist keine gute Idee. Dich kann er so schon nicht wirklich leiden."
"Das passt ja. Ich ihn nämlich auch nicht."
"Eben. Deshalb geht das mit euch beiden nicht gut."
"Dann musst du es ihm wohl sagen. Jetzt komm.", sagte ich und ging nun zu Darling, die ein paar Meter entfernt graste. Ich schwang mich nun auf ihren Rücken und wartete darauf, dass auch Ben aufstieg, doch dieser blieb unschlüssig neben der Stute stehen.
"Komm. Sonst weißt du nie, wie er reagiert.", munterte ich ihn auf und reichte ihm meine Hand. Dann wurde mir allerdings bewusst, dass er sich sowieso nicht daran hoch ziehen konnte. Dann wäre ich höchstens von Darlings Rücken gerutscht. Dies war auch Ben klar, der sich nun, ohne meine Hand zu nehmen, hinter mich setzte.

Der letzte Sprung - #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt