Einige Stunden später liege ich erschöpft im Krankenbett. Immer wieder wälze ich mich herum, um endlich die richtige Position zum Schlafen zu finden. Das eigentliche Problem ist jedoch nicht die richtige Schlafposition, sondern meine Gedanken, welche wie eine lästige Fliege umherschwirren. Ich denke an das wohlige Gefühl, welches ich trotz der Schmerzen, in den Armen von Laif empfunden habe. Ich denke an seine Stimme, welche besorgt und gleichzeitig beruhigend auf mich eingeredet hat. Und am aller Meisten denke ich an unsere erste Nachhilfestunde zu zweit alleine, welche zu allem Überfluss schon morgen stattfinden soll, natürlich nur wenn Herr Stegner es erlaubt. Jedes Mal, wenn meine Überlegungen zu diesem Thema wechseln, habe ich das Gefühl, als ob tausende von Schmetterlingen in meinem Bauch umherfliegen und einen schnellen Wiener Walzer tanzen. Immer wieder versuche ich die Schmetterlinge zu vertreiben, doch sie lassen sich einfach nicht unterkriegen. „Er hat eine Freundin", ermahne ich mich im Stillen. „Und außerdem kann er ein ganz schönes Arschloch sein." „Aber er hat sich so lieb um mich gekümmert und außerdem hat er jemanden besseres als Linh verdient.", versuche ich mich selbst umzustimmen. Weitere Stunden vergehen bis ich schließlich in einen unruhigen Schlaf falle.
Am nächsten Tag werde ich abrupt von niemand anders als meiner Mutter geweckt, welche wie ein Hurrikan in mein Zimmer gestürmt kommt. „Oh mein Schatz es tut mir so leid, dass ich nicht früher kommen konnte. Ich hatte so viel zu tun und Frau Sander meinte es geht dir so weit gut und...", platzt es sofort aus meiner Mutter heraus. Die nächste halbe Stunde bin ich damit beschäftigt meine Mutter zu beruhigen und zu trösten, bis ich mir schließlich vorkomme, als ob sie die Kranke wäre und nicht andersherum. So bin ich schließlich sehr erleichtert, als der Arzt Herr Stegner im Zimmer auftaucht und meine Mutter wegschickt. Nachdem er sich vorgestellt hat, setzt er sich auf den Stuhl, welcher noch von Gestern vor meinem Bett steht. „Wie geht es uns denn heute?", frägt er mich. Ich hasse es, wenn Ärzte im Plural sprechen. Ich weiß, wie es mir geht. Ich habe jedoch keine Ahnung wie es ihm geht. „MIR geht es gut und ihnen?", erwidere ich deshalb frech. Der Arzt scheint es mit Humor zu nehmen, da er lachend antwortet: „Mir geht es auch gut, danke der Nachfrage. Ich bin gekommen, um deine Schnittwunden noch einmal zu untersuchen. Hast du noch große Schmerzen?" Ich verneine seine Frage und so macht sich Herr Stegner an die Arbeit meine Verbände, welche überall an meinem Körper verteilt sind, zu lösen. „Das sieht ganz manierlich aus.", meint er bei jedem aufgemachten Verband. Mir wird beim Anblick meiner aufgeschlitzten Arme jedoch eher schlecht, obwohl ich zugeben muss, dass sie wirklich besser aussehen, als ich gedacht habe. Jede einzelne Wunde wird anschließend desinfiziert und auf die größeren Wunden ein neuer Verband gewickelt. „Da hast du noch mal Glück gehabt.", sagt er schließlich und tätschelt mich wie ein Kind am Arm. Noch eine Sache, die ich an Ärzten nicht leiden kann. „Du kannst auf jeden Fall schon heute entlassen werden." Erleichtert atme ich auf. „Wie sieht es mit dem Tanzen aus?", frage ich ihn, um Gewissheit für später zu bekommen. „Solange du es nicht übertreibst, sollte auch das kein Hindernis darstellen." Wenigstens eine gute Nachricht. Herr Stegner gibt mir noch mehrere Anweisungen wie ich meine Verbände zu wechseln habe und wie ich am besten duschen gehe. Kurz darauf bedanke ich mich bei ihm und verlasse das Zimmer.
Ich gehe Schnurstraks zu meinem Zimmer, mit der Hoffnung dort noch ein wenig Ruhe zu finden. Vergeblich. Schon von weiten höre ich Gekicher, welches aus Sarah und meinem Zimmer zu stammen scheint. Als ich die Türe aufmache, blicke ich in die Gesichter von Sarah und Tyron. Sarah gibt bei meinem Anblick einen animalischen Schrei von sich und Tyron scheint es für einen kurzen Moment die Sprache verschlagen zu haben, doch dann platzen die Worte, die ihm anscheinend schon auf der Zunge gelegen haben, raus. „Oh man, du siehst ja aus wie ne Mumie, die gerade aus ihrer Pyramide gekrochen ist." „Vielen Danke, Tyron. So etwas hört man immer gern.", meine ich spöttisch und stütze meine Hand in die Hüfte. Bevor Tyron die Chance hat etwas darauf zu erwidern, springt Sarah aus ihrem Bett und umarmt mich fest. Ein leichter Schmerz zuckt durch meinen Körper und ich fahre erschrocken zurück. „Hab ich dir weh getan? Es tut mir so leid. Warum muss ich auch immer so grob sein.", jammert sie. „Halb so schlimm.", meine ich und lächle ihr aufmunternd zu. „Jetzt hast du aber was zu erzählen.", sagt Tyron und klopft auf den Platz neben sich. Nachdem Sarah und ich neben ihm Platz genommen haben, beginne ich meine Geschichte. Gespannt hören die beiden mir zu, wobei Tyron bei der Vorstellung, wie ich mich wie ein Kreisel im Tanzsaal herumdrehe immer wieder in lautes Gelächter ausbricht. „Aber warum hast du Frau Sander nicht einfach gesagt, dass du nicht tanzen kannst?", fragt Sarah. „Ich weiß auch nicht so recht. Nachdem sie mich auf die Tanzfläche gezogen hat, ging alles so schnell und Schwups die wupps liege ich ohnmächtig am Boden.", erkläre ich. Ich beantworte noch viele weitere Fragen der beiden, bis sie schließlich alles haargenau wissen. „Wie geht's jetzt eigentlich weiter?", fragt Tyron. Ich klatsche meine Hände gegen mein Gesicht und murmle: „Ich bekomm Nachhilfe." „Von wem?", fragt Sarah neugierig. Warum können wir es nicht einfach dabei belassen? Vorsichtig spähe ich zwischen meinen Fingern hindurch in die Gesichter meiner neuen Freunde. „Laif.", nuschel ich. Die beiden schauen sich verblüfft an und fangen an zu lachen? „Was?! Wirklich?! Du verarschst uns.", meint Tyron mit einem dicken Grinsen im Gesicht. „Warum sollte ich lügen?", frage ich verwundert und auch etwas verletzt. „Na weil Laif nicht so der Typ für soziale Tätigkeiten ist.", erklärt Sarah und fährt fort: „ Der würde niemals etwas machen, bei dem nicht dabei auch was für ihn rausspringt. Also wo ist der Harken?" Ich merke, wie Wut in mir aufsteigt. „Nirgends. Frau Sander hat ihn gefragt, ob er freiwillig mit mir trainieren würde und er hat sofort eingewilligt. Und so schlimm ist es jetzt wirklich nicht etwas Zeit mit mir zu verbringen.", erwidere ich gekränkt. „Das haben wir doch gar nicht gesagt.", versucht mich Tyron zu beschwichtigen. „Wir wollen nur nicht, dass du am Ende verletzt wirst. Er kann nämlich manchmal ein ziemliches Arschloch sein." „Vielen Dank, aber ich kann gut auf mich selbst aufpassen.", zicke ich Tyron an und verschließe trotzig meine Arme vor der Brust. Doch im tiefsten Inneren weiß ich, dass er Recht hat, was mich jedoch nur noch wütender macht. Resignierend hebt Tyron seine Arme: „Ist ja gut. Ich sag schon nichts mehr gegen deinen Prinzen." Am liebsten hätte ich ihm nach dieser Aussage die Augen ausgekratzt, doch stattdessen belasse ich es bei dem bösen Blick, welchen ich ihm zuwerfe. Für eine kurze Zeit herrscht Stille. „Und gehst du am Freitag mit auf die Party?", versucht Sarah anscheinend das Thema zu wechseln und damit die schlechte Stimmung zu vertreiben. Dankend lächle ich sie an und frage: „Welche Party denn?" „Nicht weit von hier gibt es einen Club in den auch Leute ab 16 reinkommen. Wir gehen da so ziemlich jedes Wochenende hin.", erklärt Sarah. „Man könnte schon fast sagen, dass wir dort Stammkunden sind.", gliedert sich nun auch Tyron in das Gespräch ein und grinst mich entschuldigend an. Ich lächle zaghaft zurück, um ihm zu zeigen, dass ich nicht mehr sehr sauer auf ihn bin. „Und kommst du mit?", drängt Sarah. Ich muss nicht lang überlegen, da ich, wenn es um Partys geht, nur selten nein sage. Wenn überhaupt. „Klar komm ich mit. Die Gelegenheit mal von der Schule wegzukommen lasse ich mir doch nicht entgehen.", sage ich grinsend. Sarah und Tyron strahlen mich freudig an. Die nächste Stunde überlegen Sarah und ich was wir denn nur am Freitag anziehen werden, während Tyron jedes Outfit, welches wir uns überlegen, gehässig kommentiert. Schließlich wird es ihm jedoch zu bunt, oder auch zu langweilig (wer weiß) und er verdrückt sich in sein eigenes Zimmer. Als das Treffen mit Laif immer näher rückt, bemerke ich meine Nervosität, die sich langsam in mir breit macht. In der letzten halben Stunde blicke ich jede Minute auf meine Uhr bis es Sarah zu blöd wird und sie sie im hohen Bogen auf mein Bett wirft. Doch dann ist es schließlich so weit. Mit zittrigen Beinen mache ich mich auf den Weg zum Tanzsaal, auf den Weg zu Laif.
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Dance if you can
Teen FictionMelanie ist ein ganz normales Mädchen, das gerne mit Freunden abhängt und hin und wieder auf Partys geht. Mit einer Sache hat sie jedoch nichts am Hut: Dem Tanzen. Doch plötzlich findet sie sich auf einer Tanzschule wieder und muss genau das lernen...