Four

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In meinem Zimmer ziehe ich mir meine Klamotten aus und steige unter die Dusche.

Ich kann ihn nicht ausstehen. Wie kann jemand so kalt zu seinen Kindern sein? Ich verstehe, dass er streng ist, weil er früher als Junge von seinem Vater geschlagen wurde. Aber genau aus diesem Grund muss er doch netter zu uns sein, wenn er doch weiss wie es ist, streng aufzuwachsen und sogar geschlagen zu werden!

Ja, ich habe Harry die Nase gebrochen, aber ich denke er hat jetzt schlimmere Sorgen als eine angeschwollene Nase.
Er versteht mich einfach nicht.
Er weis nicht wie es ist in die Schule zu gehen und zu wissen das niemand da ist mit dem du reden kannst.
Geschweige denn, dass es irgendjemand gibt, der dich mag.
Ich habe das alles bis Ende der zehnten Klasse geheim gehalten, bis meine Brüder es herausgefunden haben.
Sie haben nichts unternommen. Sie haben mich genau so wie früher behandelt und das war alles. Am Anfang war ich traurig. Ich meine, sie sind meine Familie und ich dachte, dass es mir besser gehen würde als sonst. Das ich glücklicher wäre. Und damit aufhören könnte.
Ich habe es nie geschafft.
Alles was ich immer wollte waren Freunde. Und jetzt hab ich nur noch Narben an meinen Beine, die niemand sehen wird.

Doch jetzt?

Jetzt bin ich dankbar. Ich wollte nicht, dass sie zum Direktor gehen und alle denken, dass ich es nicht alleine unter die Reihe bekomme. Was ich zwar auch nicht tat. Ich habe es nie unter die Reihe bekommen und werde es auch wahrscheinlich nie. Doch es war besser so nicht beachtet zu werden, als das jeder mich unter diesem Mädchen sieht, was nichts alleine hinbekommt. Ich bin daran gewöhnt und kenne es nicht anders, nicht alleine zu sein.

Es verletzt einen, zu wissen, dass dich niemand vermisst wenn du weg bist. Außer deine Familie. Kopfschüttelnd schiebe ich die Gedanken zu Seite und fange an mich ein zu shampoonieren.

Nach der Dusche ziehe ich mir eine Jogginghose an und einen grauen Tanktop. Meine Haare trockne ich leicht mit meinem Handtuch ab und mache mir einen Zopf. Mein Gefühl sagt, dass ich runter gehen soll und mit meinem Vater reden soll, aber ich mache es nicht. Ich habe keine Lust mehr immer eine andere Person zu sein wenn er in der Nähe ist.

Sollten Väter nicht ihre Kinder so lieben wie sie sind?

Das ist genau so schlimm wie in der Schule.
Ich weiss immer noch nicht was schlimmer ist.
Nicht beachtet zu werden oder zuhause anders behandelt zu werden.

Nach langer Überlegung, ob ich runter gehen sollte oder nicht, schlafe ich schließlich, ohne was zu essen, ein.
...

,,Aufstehen du Schlafmütze! Wir müssen gleich los." Höre ich meine Mutter sagen und verlässt somit mein Zimmer. Mit verschlafenen Augen schaue ich mich erst um, um zu realisieren, dass es doch wahr ist, dass ich mit ins Krankenhaus muss und nicht irgendein Albtraum.

Mit starken Bauch und Rückenschmerzen stehe ich total verschlafen auf und gehe ins Bad. Genau auf Stichwort, bekomme ich meine Periode.

Super. Das schlimmste was heute passieren kann. Aus meinem Schrank schnappe ich mir zwei Schmerztabletten, damit ich nicht allzu schlimme Schmerzen im Krankenhaus habe.

Eine schwarze lange Hose und ein kariertes Hemd, welches größer als meine eigentlich Größe ist, ziehe ich mir über. Ich habe nie wirklich Lust einkaufen zu gehen. Total anstrengend und es dauert immer Jahre bis man irgendwas anständiges gefunden hat. Deswegen bleibe ich lieber beim Onlineshopping. Einfach zu Hause und wenn es einem nicht gefällt, zurück schicken. Meine Familie ist der Behauptung, dass ich einen zu maskulinen Geschmack habe und lieber etwas anderes tragen soll.
Ich liebe meine übergroßen Hoodies und Hemden, auch wenn niemand versteht warum.

Nachdem ich meine Haare offen über meine Schulter fallen lasse, ziehe ich mir meine Brille an und richte mein Septum wieder gerade.

Ja, ich habe ein Piercing. Um ehrlich zu sein sogar zwei, nur habe ich mein Zungenpiercing rausgenommen, da es sich nach einer Zeit entzündet hat.

Keine schöne Erfahrung.

Ich ziehe mir eine schwarze Jeansjacke an und gehe die Treppen runter. Ich schminke mich für gewöhnlich stark.
Damit meine ich Eyeliner, Kajal, Mascara sowie auch Concealer und Puder, Highlighter und all den Rest was dazu gehört.

Diesen Morgen habe ich nicht sonderlich Lust mich viel zu schminken und belasse es nur bei Mascara und Concealer, um meine starken Augenringe abzudecken.

,,Hast du alles?" Frage ich meine Mutter gewöhnlich wie jeden Morgen.
,,Jaja. Alles dabei. Hier ist dein Kaffee." Sie reicht mir den Kaffee und somit verlassen wir das Haus.
...
,,Und bist du aufgeregt?" Fragt sie mich im Auto.

,,Aufgeregt? Weswegen?"
,,Dein Geburtstag ist in zwei Wochen!"

Natoll das hat noch gefehlt.
Ich liebe Geburtstag. Nur sage ich es nie. Ich tue immer aus desinteressiert und versuche mir nicht meine Freude anmerken zu lassen. Das tue ich immer. Ich hasse es meine Gefühle zu zeigen und habe seit Jahren nicht mehr geweint. Ich kann mich nicht erinnern wann ich das letze mal geweint habe. Oder das letze mal liebe verspürt habe. Oder ein Glücksgefühl. Ich weiß es nicht mehr. Als hätte ich keine Gefühle und Tag für Tag ‚tauber' werde. Klar, mal lächel' ich oder lache auch, ist nicht so, dass ich ganz Gefühllos bin, jedoch glücklich bin ich auch nicht.

,,Du weist wie ich dazu stehe. Ich feier' nicht und das wird auch so bleiben." Gebe ich monoton von mir.

,,Ja, ist gut. Du bist heute morgen bei mir und dann...", sie hält kurz inne, doch spricht dann weiter ,,Schauen wir einfach was wir mit dir machen." Verwirrt schaue ich zu ihr, doch kann mich nicht konzentrieren, wegen den verdammten Bauchschmerzen. Die Tabletten sollen gleich wirken.

Wir betreten zusammen das Krankenhaus und gehe in die Richtung wo das 'Brett' hängt. Das Brett ist sehr wichtig, da alle Termine darauf stehen und alle OP-Zimmer, welche belegt sind und welche noch frei wären.

,,Nimmst du die Akte?" Ich nicke und nehme die Akte von ihr ab.
,,Danke."
,,Kein Ding. Wohin soll die Akte?" Frage ich.
Es ist eine ganz schön schwere Akte.

,,Die gibst du nicht ab. Es ist dein 'Patient'. Du bekommt den Pieper. Er ist mit einem andere Pieper von einen Arzt verbunden. Wenn du ihn brauchst; einfach anpiepen."

Warte?
Will sie jetzt ernsthaft sagen das ich einen Patienten bekomme?

,,Du kannst mir doch keinen Menschen anvertrauten! Ich arbeite nicht mal hier. Das geht nicht und ich kriege das nicht hin!" Sag ich in Panik.
,,Doch. Es ist dein Patient." Und schon geht sie weg.

Das kann nicht ihr Ernst sein..
Geschockt sehe ich ich hinterher. Also.. Habe ich jetzt einen Patienten?

Remember him || h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt