07.03.2016
6 – Spiel
Er gab ein belustigtes Grunzen von sich und stieß mir ebenfalls in die Seite. Anders als er taumelte ich leicht und drohte erneut gegen die Wand zu knallen, hätte er mich nicht im letzten Moment, wie Liam eben, am Ellbogen gepackt und zurück gezogen. Vielleicht sollte ich noch mehr trainieren. Ich schmunzelte vor mich hin, als der Sicherheitsmann eine Tür öffnete und uns den Blick auf einen Teil des Raumes frei gab. Sobald Harry den ersten Schritt hinein getan hatte und sich durch die Haare gefahren war, kreischten alle im Raum los. Ich liebte meine Fans, aber das ohrenbetäubende Gebrüll war schrecklich. Wir waren doch auch nur Menschen.
Menschen, denen es nicht einmal mehr erlaubt war, Fehler zu machen, andere zu lieben, raus auf die Straße zu gehen und ein normales Leben zu führen. Wir hatten nichts mehr was privat war und blieb. Alles was geschah verbreitete sich mit einer rasenden Geschwindigkeit auf sozialen Netzwerken. Früher war ich gerne mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren. Ich hatte es geliebt die Menschen zu beobachten die dort mit mir auf engstem Raum gestanden hatten.
Ich hatte ihre Gesichter gesehen und versucht aus ihnen ihre Geschichte zu lesen. Mein Hirn hatte das komischste und vielleicht dennoch wahrste zusammen gesponnen was es nur geben konnte. Millionen Gesichter, jedes mit einer von tausend Facetten. Alle unterschiedlich und doch gleich. Alle gezeichnet vom Leben. Ich hatte die Momente geliebt wenn ich aus der Bahn getreten war und mich im vollen Bahnhof wieder gefunden hatte. Ich hatte die leeren, starren Blicke der anderen genossen, wie sie ihre Wege gingen und nur auf sich selbst fixiert waren.
Immer und immer wieder hatte ich mich gefragt ob sie auch manchmal so auf die anderen achteten wie ich auf andere achtete. Ich wusste nicht einmal mehr warum ich das getan hatte. Ich konnte mir nicht erklären was mich so an den ausdruckslosen Gesichtern fasziniert hatte. Es waren Menschen gewesen die zur Arbeit hetzten, versuchten die Bahn noch zu bekommen und ihre Aktenkoffer im Arm und das Handy am Ohr hatten während sie an mir vorbei eilten. Ich wusste nicht warum ich in all dem Treiben inne gehalten hatte um ihre an mir vorbei gerichteten Blicke zu sehen. Warum ich es mir freiwillig angetan hatte von all den Fremden angerempelt zu werden.
Doch ich vermisste die Blicke. Wo mich vorher niemand beachtet hatte wurde ich heute zu viel beachtet. Ich wurde auf Schritt und Tritt verfolgt, während ich dort mein Normalo Leben hatte leben können. Denn diese leeren Blicke, der Personen deren Gedanken überall waren – nur nicht bei mir – würde ich nie wieder so sehen und in der gewaltig großen Masse antreffen wie damals, bevor all das, der Trubel, um mich herum losging. Denn mittlerweile kannte schon fast jeder Rentner meinen gottverdammten Namen. Natürlich hatte ich gewusst worauf ich mich da einließ, aber wie es wirklich war, berühmt zu sein, erfuhr man erst, als man schon mitten drin war.
In einem Bruchteil einer Sekunden war mir all das durch den Kopf geschossen und die Wehmut und Nostalgie hatte mich überfallen. Harry vor mir stellte sich hinter die Fotowand die uns noch vor den Fans trennte. Er grinste mich breit an. Vermutlich war er wirklich der festen Überzeugung, dass ich mich verliebt hatte. Aber das hatte ich nicht. Wie konnte ich auch, wenn ich sie nicht kannte? Mir war schlecht. Und das Pochen in meinem Schädel wurde durch das erneute Gekreische der Jugendlichen hinter der Fotowand wieder angekurbelt. Ich rieb mir kreisend und mit leichtem Druck über die Schläfen. Harrys Blick fiel von Freude zu Besorgnis. Er wollte auf mich zukommen, als ich ihn durch ein Kopfschütteln davon abhielt. Wenn er es getan hätte wären die anderen unnötigerweise auch auf mich aufmerksam geworden. Und ich hatte schon zu viel Aufmerksamkeit. Ich sah kurz an die Raumdecke bevor ich mit einem aufgesetzten Grinsen wieder in Harrys Gesicht sah. Harrys Kopf legte sich schräg und er zog eine Augenbraue hoch mit diesem typischen „Eh-Nicht-Niall"-Blick im Gesicht. Er kaufte es mir nicht ab.
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Million Faces √ - Wattys2016
Fanfic»Rastlos ließ ich meinen Blick durch die Masse vor der Bühne gleiten, während ich sang. Millionen von Gesichtern, verschiedene Facetten und doch waren alle gleich. Dann sah ich sie. Die Eine, unter Millionen. Sie stach völlig aus der Masse heraus u...