04.05.2016
16 – Frei
Sie löste sich aus meinen Armen, ich griff nach ihrer Hand. Sie runzelte die Stirn als sie auf unsere verschränkten Finger herab schaute, lächelte aber weiterhin. Und mit diesem Lächeln auf den Lippen sah sie erneut zu mir hoch und wir verließen zusammen das liebliche Restaurant. Mein Hemd immer noch so falsch geknöpft wie als wir es gemeinsam betreten hatten. Doch es zählte nicht. Es zählte überhaupt nicht wie wir aussahen und wie wir uns gaben. Denn was wirklich zählte und was das Einzige war, was wirklich wichtig war, war, wer wir wirklich waren. Das einzig Wahre war unsere eigentliche Persönlichkeit. Und sie war das, was wir stets zu verstecken versuchten, ob wir es schafften oder nicht war eine andere Sache. Doch unter all den Masken die wir alltäglich tragen, vergaßen wir, wer wir mal wirklich waren.
Es war ein langanhaltender Prozess, der im Unbewussten geschah. Aber es war die Wahrheit. Wenn wir das versteckten, was uns ausmachte, vergaßen wir es. Aus den Augen, aus dem Sinn. Angefangen mit Etiketten, Handlungen, eigenen Meinungen bis hin zu Gefühlen, Emotionen und sich selbst. Und sie versteckte seit geraumer Zeit ihr wahres Ich. Ihr wahres Ich, was sie eben das erste Mal seit langem wieder gezeigt hatte. Vor mir. Sie war nicht wie irgendeine unter Millionen die in der breiten Masse verschluckt wurde. Sie stach dort heraus, und sie würde auch nachdem sie Gesprochen hatte weiter dort heraus stechen. Zumindest für mich. Denn für mich war sie nicht mehr irgendeine. Für mich war sie die, die meinen Beschützer - Instinkt hatte aufleben lassen. Ich wollte sie beschützen, für sie da sein, und ihr helfen – egal wie.
Und weil ich Angst hatte, sie könnte ihre wahre Persönlichkeit wieder verstecken, sich verkriechen und erneut eine steinerne Schutzmauer um sich aufbauen, die sich durch ihren abweisenden Charakter definieren ließ, wollte ich ihr helfen. Ich hatte keine Ahnung wie. Aber ich glaubte, dass Reden alleine schon so vieles bis gar alles ändern konnte und würde. Denn wie sagte man so schön? Nur sprechenden Menschen konnte geholfen werden. Ich hatte keine Ahnung wer das einmal gesagt hatte, aber derjenige war verdammt weise gewesen.
Denn wie wolltest du jemandem helfen oder für jemanden da sein, wenn du nicht wusstest, was sein Problem war?
Sie sprach nie über sich und ließ andere Menschen sofort abblitzen. Da gab es einen Grund. Sie hatte es eben bestätigt. Es war normal, dass jeder Mensch seine ganz persönlichen Masken trug. Eine für unter Freunden, der Familie oder vor Fremden. Aber wenn du dich jedem gleich emotionslos gegenüber verhieltst, wer warst du dann? Warst du dann diese reservierte, barsche Person, oder verstecktest du lieber alles vor jedem, weil du dachtest auch durch deine verschiedenen Facetten gebrochen zu werden? Ich wusste es nicht, da konnte ich mir nicht sicher sein. Vor allem hatte ich mir da bei ihr nicht sicher sein können, weil ich ihre vorherige Persönlichkeit nicht gekannt hatte, falls es eine abweichende gegeben hatte. Manche Menschen waren einfach von Grund auf ignorant und zurückhaltend reserviert. Abweisend geradezu. Aber das war die Minderheit. Doch sie hatte es dann bestätigt. Sie hatte gezeigt, dass es eine abweichende Persönlichkeit zu der als die sie sich bis jetzt gab, gegeben hatte. Mein Instinkt ihr gegenüber hatte mich nicht getäuscht, und sie hatte gesagt, dass sie nicht immer so gewesen war. Sie hatte zugegeben, dass Dinge geschehen waren, die sie verändert hatten.
„Niall?"
„Hmm?", aus meinen Gedanken heraus gerissen, sah ich seitlich zu ihr herunter.
„Danke."
„Wofür?", sie sah zu mir herauf, begegnete meinem verwirrten Blick.
„Dafür, dass du nicht gegangen bist. Weil dann das geschehen wäre, was ich immer tue. Alle von mir abzuweisen ist wohl mittlerweile meine einzige Stärke.", sie zuckte leicht mit den Schultern.
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Million Faces √ - Wattys2016
Hayran Kurgu»Rastlos ließ ich meinen Blick durch die Masse vor der Bühne gleiten, während ich sang. Millionen von Gesichtern, verschiedene Facetten und doch waren alle gleich. Dann sah ich sie. Die Eine, unter Millionen. Sie stach völlig aus der Masse heraus u...