06.05.2016
18 – Straßenkarte
Ich wusste nicht ob sie gewollt hatte, dass ich es hörte. Denn wenn ja, dann hätte sie lauter sprechen müssen. Es war eher so, als hätte sie sich damit in einer für mich nur teilweise nachvollziehbaren Art und Weise selbst bestätigen müssen. Und das war ihre Bestätigung mit mir reden zu können, die sie sich selbst gab. Ich lachte weiter, tat so, als hätte ich es nicht mitbekommen.
„Da war dieser Junge. Er hat mich erst zu meinem Beruf gebracht.", sie schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich hätte es wissen müssen. Weißt du? Es hätte mir auffallen müssen."
„Was hätte dir auffallen müssen?"
„Dass er mich benutzt. Denn das hat er die ganze Zeit über getan.", sie stoppte.
„Ich kam gerade aus der Schule und hatte keine Ahnung was ich tun sollte. Ich lernte ihn kennen, und er sagte mir, er kenne gute Jobs. Und er half mir beim bewerben und organisierte alles. Und letzten Endes hatte ich eine Arbeit und eine Ausbildung und konnte von mir behaupten schon gut Geld zu verdienen. Ich wusste nicht, dass er mich brauchte um sich einen Namen zu machen."
„Ich kann dir nicht ganz folgen."
„Ich arbeite hier im Marketing, Niall. Ich gestalte Plakate und Flyer und sowas. Und immer wenn er gefragt hat, ob ich für seine mini Konzerte etwas entwerfen könnte, hab ich nicht realisiert, dass ihm das seinen Kick gegeben hat. Er brauchte mich nicht, weil er mich liebte. Er brauchte mich nur dafür, seinen Namen an die Plakate an den Bushaltestellen zu bringen. Immer und immer wieder lobte er mich, wie gut ich in meiner Arbeit doch sei."
„Und das hat dich angespornt beim nächsten Mal noch mehr zu geben.", mutmaßte ich. Ich konnte den Kerl jetzt schon nicht leiden, auch wenn ich ihn nicht kannte. Aber wie zur Hölle konnte man jemanden so dreist ausnutzen? Er hatte ihr ganzes Leben bestimmt, er bestimmte es immer noch. Er hatte ihr eine Ausbildung und eine Arbeit verschafft, die nun ihre Zukunft verhieß. Sie kam aus dem Teufelskreis nicht mehr heraus und war von seiner vermeintlichen Liebe damals zu sehr geblendet gewesen um zu realisieren was eigentlich geschah. Sie hatte nicht gemerkt wie er sie nach und nach zu seiner Marionette gemacht hatte. Es war eine Frechheit, dass er sie so aus Eigennutzen heraus manipuliert hatte.
Er musste es doch ewig geplant haben. Man konnte doch nicht einem ahnungslosem Mädchen schöne Augen machen indem man ihr eine schöne Zukunft mit gesicherter Existenz versprach und dabei nur an sich selbst denken. Es wollte nicht in mein Gehirn gehen und verständlich werden. Zu schockiert war ich von dem Ego des Jungen, der ihr das angetan hatte.
Denn nun hatte sie zwar eine Arbeit, wurde jedoch tagtäglich daran erinnert, wie sie an diese gekommen war. Was brachte es ihr, wenn sie die Arbeit aufgab? Nichts, denn das was sie gelernt hatte, hatte er ihr auch verschafft. Er hatte ihr Leben durchgeplant und sie saß darin fest. Er hatte bestimmt was sie zu tun gehabt hatte und nun zu tun hatte. Auch wenn letzteres nur noch indirekt war. Doch wie sollte sie etwas Neues lernen? Es würde zu lange brauchen einen neuen Beruf zu erlernen oder studieren zu gehen.
„Ja.", sie seufzte.
„Er hat dein ganzes Leben in seine Hand genommen?"
„Er hat mich von vorne bis hinten benutzt. Das ist das Einzige was ich wirklich weiß."
„Wie hast du es heraus gefunden?"
„Indem mir klar wurde, dass es nicht richtig ist, wenn einer sich in einer Beziehung immer nur ausruht und der andere immer nur auf Achse ist um für den anderen etwas zu erledigen. Und das war ich. Ich habe für ihn angefangen zu arbeiten, ohne dass es mir aufgefallen ist. Dass er mich nicht liebt ist mir klar geworden, als ich ihn mit einer anderen erwischt habe. Alles was er gesagt hatte war eine Lüge gewesen. Und all das, ist mir an diese Tag an dem mir seine Affäre ungewollt vorgestellt wurde, bewusst geworden."
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Million Faces √ - Wattys2016
Fanfikce»Rastlos ließ ich meinen Blick durch die Masse vor der Bühne gleiten, während ich sang. Millionen von Gesichtern, verschiedene Facetten und doch waren alle gleich. Dann sah ich sie. Die Eine, unter Millionen. Sie stach völlig aus der Masse heraus u...