Begreifen - 9 -

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Mein Kopf brummte. Ich hörte ein regelmäßiges Piepen, doch meine Augen waren geschlossen. Ich hatte nicht die Kraft, sie zu öffnen. Es war seltsam. Ich hörte Stimmen, aber so, als wären sie weit weg. So dumpf, in einem schalldichtem Raum. Besser gesagt, fühlte ich mich wie in einem Vakuum.

Gerade noch hatte ich mit July doch ihre Tasche gepackt. Ich hatte keine Kraft in meinen Armen, konnte mich nicht regen. Mir kam es vor, als wäre dort eine Person, die ich kannte. Ihre weiche Stimme war ein Wohlklang. Juliet. Ihr Name war so perfekt. Ich wollte mich aufrichten, sie umarmen und küssen. Ich hörte ein leises Weinen. Ein leichter Druck auf meiner Hand. Juls. Ich wollte doch aufstehen und zu dir gehen! Aber so sehr ich es auch wollte, ich konnte nicht. Wieso ging das nicht?!

Ich strengte meinen Kopf an, dass ich schon Kopfschmerzen hatte. Aber meine Anstrengungen nützten nichts.

„Wach auf, Robert. Bitte. Es bleibt nur noch wenig Zeit. Bitte, bevor sie endgültig alles abschalten.." July flüsterte nur, aber ich konnte ihren Schmerz in der Stimme hören. Ich wollte aufstehen. Ich wollte meine Augen öffnen, doch die Augenlider fühlten sich schwer wie Blei an.

Wer stellte was endgültig ab?
Wo war ich?
Was war mir passiert?
Konnte ich nicht aufwachen?

Ich wollte Antworten. Aber die kamen nicht. Auf meiner Wange spürte ich eine kleine Flüssigkeit. Dass es ihre Tränen waren, war mir klar. Wie sehr ich sie doch nur umarmen wollte! Und dann etwas Warmes. Ihre zarten Lippen auf meinen. Das Gefühl konnte ich nicht beschreiben. Verzweifelt versuchte ich ihren Kuss zu erwidern, doch es passiert nichts. Konnte ich sie nicht einfach küssen? Nichts anderes auf der Welt hätte ich lieber tun wollen. Aber es blieb mir verwehrt. Die Wärme ihrer Lippen entzog sich von meinen. Sie löste sich und ich konnte nur ein noch stärkeres Weinen hören.

„Nicht mal meine Liebe kann dich zurückholen..", weinte Juliet. Es kam jemand anderes in den Raum, da ich einen kleinen Luftzug bemerkte. „July? Komm, er ist gerade weit weg. Er wird nicht mehr aufwachen. Es sind jetzt vier Jahre vergangen, seit es passiert ist. Rob wird nicht mehr zurückkehren und Drake wartet auch auf seine Mutter." Eine bekannte Stimme drang in mein Ohr. Melly. Wer war Drake? Seit vier Jahren? Was war los mit mir? Was war passiert? Ich würde nicht mehr zurückkehren. Ich konnte es nicht begreifen. „Ich wollte es nur nochmal probieren, Mel. Bevor die Frist abläuft. Aber ich komme." Mit einem Schniefen wanderten Schritte nach draußen. Die Tür schloss sich.

Ich war tot. Klinisch tot. Ich lag im Krankenhaus und wurde mit Geräten am Leben erhalten. Mein Name ist Robert Heavens. Ich hatte einen Sohn, Drake. Ich war unabdingbar ins Koma gefallen. Ich würde nie wieder aufwachen. Ich begriff nun.

hole to another universeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt