Kapitel 17

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Schnell zog ich eine Nadel, dick wie ein Finger und fast doppelt so lang, aus meinen Haaren, die mir nun in goldenen Wellen über die Schultern fielen und warf. Das Pferd des Reiters machte genau in diesem Moment einen Schritt nach hinten und stoppte dann abrupt. Ich hatte mein Ziel verfehlt. Erst jetzt sah ich genauer auf wen ich geworfen hatte. Es waren zwei Männer. Sofort fiel ein Teil der Anspannung von mir ab. Der Größere der beiden drehte den Kopf und sah mich geradewegs an. Der Andere packte seinen Bogen. Sie wechselten ein paar Worte, der Kleinere packte den kleinen Schaft meines Wurfgeschosses und zog es aus dem Baum neben ihm. Dann kamen sie auf mich zu. Und jetzt?, dachte ich. Es war wohl ihr gutes Recht sauer auf mich zu sein. Schließlich hatte ich eine tödlich spitze Haarnadel auf sie geworfen. Nervös saß ich auf Raven und wartete. Als die Beiden näher kamen, erkannte ich, dass der Mann, der mich entdeckt hatte, die dunkle Haut von Skilandris besaß, die jedoch einen unwirklichen Kontrast zu seinen schneeweißen, langen Haaren bildete, die ihm glatt über den Rücken fielen. Sein durchdringender Blick lag noch immer auf mir und es schien als verfolgte er jede meiner Bewegungen, selbst das kleinste Zucken würde ihm wohl nicht entgehen. Der Andere hingegen saß beinahe lässig im Sattel und ein leichtes, spöttisches Grinsen umspielte seine Lippen. "Ich weiß zwar nicht warum", begann er, "doch wenn ihr mich schon töten wollt dann trefft doch bitte auch!" Irritiert blinzelte ich. Wie war das? Der junge Mann, er konnte kaum älter als ich sein, streckte mir seine offene Hand entgegen. Darin meine Wurfnadel. Ich ignorierte diese Geste und reckte meinerseits herausfordernd das Kinn. "Hätte euer Pferd euch nicht gerettet, hätte ich das wohl!", entgegnete ich nicht weniger spöttisch. "Das bezweifle ich." Sein Grinsen wurde noch breiter. Sein Pferd stand nun fast neben meinem und seine Hand kam mir sehr nah. Ich betrachtete sie argwöhnisch. "Bitte nehmt euer ... was auch immer es ist", forderte mein Gegenüber. "Das ist eine Haarnadel", bemerkte ich spitz, nahm besagtes Objekt jedoch wieder an mich, nicht zuletzt, damit er endlich seine Hand weg nahm. Glücklicherweise ließ er sie tatsächlich sinken und begnügte sich stattdessen damit, mich von Kopf bis Fuß zu mustern. Ich war froh das schlichte, weiße, jedoch nach dem Kampf mit den dunklen Gestalten etwas dreckige Kleid gegen ein bequemeres eingetauscht zu haben. Allyson hatte mir ein Ledergewand aus dunklem Grün und Braun gegeben, sowie einen langen grünen Umhang. Hier waren sie nicht sonderlich passend, doch in den dichten Wäldern von Milandron und den Rysfanden würden diese Sachen nützlich sein. Um den unangenehmen Blicken des Mannes zu entgehen fragte ich: "Wer seid ihr und was wollt ihr in Calithar?" "Verzeiht", mischte sich nun der Mann mit den weißen Haaren ein, wobei er eine leichte Verbeugung andeutete, eine kleine Höflichkeit. "Aber dies hier ist ein gewöhnliches Stück Land und sowohl wir als auch ihr sind nur gewöhnliche Reisende, deren Wege sich durch eine Fügung des Schiksals kreuzen. Da tut es sicherlich nichts zur Sache was uns an diesen Ort geführt hat. Zumal wir, ich bitte um Entschuldigung Mylady, nicht diejenigen waren, die auf einen Angriff sannen." Ich holte Luft um etwas zu erwidern, verstummte dann jedoch. Sein Begleiter, der immer noch neben mir auf dem Pferd saß zog die Augenbrauen hoch. Was sollte das nur? Ich würde mich ganz sicher nicht entschuldigen. Den Griff meines Dolches hatte ich inzwischen losgelassen, doch bei dem Verhalten dieses Burschen hätte ich ihn gern gezogen und ihm vors Gesicht gehalten. "Aber wohin will eine solch junge Schönheit? Und noch dazu ganz allein?" Konnte er nicht einfach still sein? Allerdings brachte mich seine Frage kurz aus dem Konzept. Was sollte ich sagen? Die Wahrheit kam jedenfalls nicht in Frage. "Ich war Dienerin im Haushalt des Königs." "War?" Wieder dieses provokante Hochziehen der Augenbrauen. "Ja. War. Er..." Mein Herz schlug schneller und der Schmerz kehrte zurück, aber ich ließ mir nichts anmerken. "Er ist tot." Die beiden scheinen sichtlich verwirrt. "Was?" Ich nickte. "Das wussten wir nicht. Es tut uns leid", sagte der dunkle Mann, der wohl schon etwas älter war als sein Gefährte. "Die einzigen Menschen, die wir trafen waren Nomaden und Diebe. Wir hatten keine Ahnung." Ich neigte den Kopf. "Jedenfalls bin ich nun auf der Suche nach einer neuen Arbeit, weit entfernt vom Königshof", log ich weiter. Die beiden Reisenden sagten nichts dazu. Ihre Blicke konnte ich nicht deuten. Als das Schweigen sich weiter in die Länge zog, sagte ich:" Nun da ihr meine Absichten kennt, würdet ihr mir vielleicht auch eure nennen?" Der junge Mann stieß ein Schnauben aus. "Gebt mir einen guten Grund das zu tun", erwiderte er. Nun war es an mir die Augenbrauen hochzuziehen. "Einmal hätte ich euch bereits fast getötet. Diesmal wird euer Pferd euch nicht retten können." Zu meiner Überraschung breitete sich ein Lächeln auf dem Gesicht des Mannes aus. "Nur zu. Werft, stecht mich nieder!" Ich hielt inne. "Nein", sagte ich mehr gegen meinen Willen. "Obwohl..." Ich zog eines der Messer hinter meinem Rücken hervor und hielt es ihm vor die Brust. Er sah darauf hinunter und pfiff anerkennend."Nun werft Ihr also auch noch mit Waffen..." Genervt verdrehte ich die Augen. "Also noch einmal. Wer seid ihr und was wollt ihr in diesem Königreich?" Das Messer schien ihn zwar nicht im geringsten zu beeindrucken, trotzdem hob der junge Mann die Hände. "Nur Reisende.Muss es denn immer Gründe geben. Wobei ich den Grund dafür, dass ihr Euch augenscheinlich versteckt gerne wissen würde..." Ich schnappte empört nach Luft. "Ich verstecke mich nicht!" Doch dann fielen mir die schwarzen Reiter wieder ein. Langsam senkte ich den Blick und steckte das Messer zurück. "Wenn ihr meint." Ich warf dem Mann einen scharfen Blick zu und erkannte dabei zum ersten Mal die Farbe seiner Augen. Sie waren grün. Nicht so wie die von Allyson eher ein warmes, frühlingshaftes Grün. Normal. Bis jetzt hatten Strähnen seiner Haare, eine undefinierbare Mischung aus blond und Braun sie verdeckt. Und das schelmische, abenteuerlustige Funkeln, das in ihnen lag. "Meine Herren", sagte ich und neigte erneut den Kopf, diesmal eher als eine Geste des Abschieds. "Wenn ihr mich nun entschuldigt." Anscheinend würde ich den Beiden keine Informationen entlocken können und vor Einbruch der Nacht wollte ich die Grenze zu Skilandris erreicht haben. Ich trieb Raven an den beiden vorbei. "Wartet!" Ich war kaum zwanzig Schritt entfernt als er mich zurück rief. Ich drehte mich im Sattel um. Tatsächlich konnte ich nun sogar aus dieser Entfernung das Grün seiner Augen erkennen. "Wenn ihr Arbeit sucht, könntet ihr auch mit uns kommen". Fast musste ich lachen. "Und warum sollte ich das tuen?" Er zuckte mir den Schultern. "Wir könnten euch in die nächste Stadt begleiten", schlug er vor und wendete ebenfalls sein Pferd, so dass er sich nicht im Sattel verdrehen musste, um mit mir zu sprechen. "Vielleicht ist es euch noch nicht aufgefallen", rief ich zurück, "aber ich will nach Skilandris und ihr, mein Herr, reitet in die entgegengesetzte Richtung." Nach einer kurzen Pause antwortete er: " Wir haben kein Ziel. Wir könnten euch Geleitschutz geben." Als ob ich sowas brauchte! Ich seufzte. "Macht doch was ihr wollt!", rief ich dann zurück und trieb Raven wieder an. Kurz darauf vernahm ich hinter mir leise Stimmen und Hufgetrappel.

Die Suchenden   ~Daughter of Death~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt