Kapitel 3

27 2 1
                                    

Ein leiser Schrei entfuhr meiner Kehle, als ich sah wer da stand. Erobas stand hinter Lydia und drückte ihr ein Messer an die Kehle. "Hallo, Prinzesschen", zischte er und drückte noch fester zu, sodass Lydia einen erstickten Schmerzenslaut ausstieß. "Lasst sie los!", befahl ich, mit nicht ganz so fester Stimme wie ich gehofft hatte. "Nein, ganz bestimmt nicht", sagte er leise und ein gemeines Lächeln umspielte seine Lippen. Sofort bereute ich es die Wachen, die vor meinem Zimmer gestanden hatten, weggeschickt zu haben. "Was wollt ihr?", fragte ich. Sein Lächeln wurde noch breiter. "Ihr werdet mit mir kommen. Zu meinem Herrn. Denn sonst werde ich sie töten" er schielte auf Lydia hinab. Auch ich sah voller Angst und Zweifel zu ihr. Doch sie schüttelte fast unmerklich den Kopf und formte lautlos ein Wort: Lauf! Daraufhin schüttelte ich den Kopf. "Nein", flüsterte ich. "Was?", fragte Erobas. "Nein!", wiederholte ich. Diesmal lauter. "Ich werde auf keinen Fall mit euch gehen!" Gerade wollte ich weiter reden, als er mir das Wort abschnitt. "Das war die falsche Antwort!" Ich schrie, als Lydia zu Boden glitt, die Kehle aufgeschlitzt. Und Erobas grinsend über ihr stand.

Mein Schrei hallte in meinem Kopf wieder. Ich konnte nicht hören, nicht fühlen. Zitternd sank ich zu Boden. Ich starrte den Mann mir gegenüber an und doch sah ich ihn nicht. Lydia war tot. Was sollte ich jetzt nur machen? Was hätte sie mir geraten? Lauf! Hörte ich ihre Stimme in meinem Kopf. Lauf und schau nicht zurück. Doch meine Beine waren wie Blei. Ich konnte mich nicht bewegen und nur fassungslos zu Erobas hinaufstarren. "Wusstest du eigentlich, dass deine Augen mich immer fasziniert haben?", fragte er nur, hämisch grinsend, während er sein Messer an einem Tuch abwischte. Es färbte sich rot. "Seltsam, denn nun sollen sie dein Verhängnis sein. Nun ja, indirekt." Ich schüttelte verständnislos den Kopf. "Was ist mit meinen Augen? Was wollen sie?" Ich fühlte mich ausgelaugt, müde, verlassen. Erobas lachte erneut. So ein Wiederling! Als er wieder sprach, triefte seine Stimme vor Ironie und falscher Besorgnis. "Oh mein Kind, weißt du das etwa nicht? Deine Augen sind golden!" Ich sah auf. "Du bist eine Begabte!"

Fast hätte ich gelacht. Solche Leute gab es nur in Legenden und Sagen! Sie waren meist unglaublich schön und besaßen, je nach ihrer Gabe, ungeheure Kräfte. Man erkannte sie hauptsächlich an ihren Augen, welche leuchtende Farben hatten und unnatürlich hell waren. "Weißt du nicht warum dir nie jemand in die Augen gesehen hat?", riss Erobas mich aus meinen Gedanken. "Warum wurde deine Mutter wohl zu ihm gebracht?" "Was wisst ihr von meiner Mutter?", rief ich heiser, plötzlich wütend, dass er sie nun erwähnte. "Was hat sie damit zu tun?" Erobas drehte sich zum Fenster. "Du hast es immer noch nicht begriffen was? Aber was solls. Du wirst es schon bald selbst sehen!" Ich schreckte vor dieser Aussage zurück. "Was? Nein! Wo ist meine Mutter?" Mit einem Krachen flog die Tür auf. Zwei Männer von der Statur eines Boxers traten ein. Erobas hatte wohl genug von mir. Er drehte sich nicht einmal um als er erklärte: "Das sind Begabte mit der Gabe der Stärke. Du wirst ihnen nicht entkommen!" Die Art wie er das sagte, jagte mir einen Schauer über den Rücken. Ich drehte mich zu den Männern um und erstarrte. Ihre Augen waren schwarz. So schwarz wie tiefe, bodenlose Löcher, aus denen die Dunkelheit kriecht und alles Licht verschluckt. Auf einen Wink von Erobas hin, packten sie mich unter den Armen und hoben mich auf die Füße. "Nein!"; schrie ich verzweifelt und trat wild um mich. "Lasst mich los! Lasst mich sofort los!" Doch sie packten nur noch fester zu.

Es war als würde in meinem Kopf eine Mauer zusammenbrechen und alles was dahinter verborgen gewesen war, wurde nun freigelassen. Mit einem Mal wusste ich genau was ich zu tun hatte. Ich trat dem einen gegen das Schienbein, fester als ich es für möglich gehalten hätte, und hörte einen Knochen brechen. Dem anderen Kratzte ich durchs Gesicht. Beide ließen mich los. Mit einem Schlag warf ich den, den ich gekratzt hatte zu Boden und stellte meinen Fuß auf seinen Hals. Dann drückte ich zu. Den anderen hob ich mit nur einer Hand in die Luft. Fas hätte ich ihn wieder fallen lassen. WAs passierte hier nur? Ich war nicht stark! Und das waren, wenn man Erobas glauben schenken durfte, Begabte. Das hier konnte nicht echt sein. Trotzdem hielt ich den Mann oben, bis seine Augen sich verdrehten und nur noch das Weiße zu sehen war. Dann ließ ich ihn fallen und widmete mich dem am Boden liegenden, der unterdessen versuchte meinen Fuß wegzuschieben. Ich zog meinen Dolch aus dem Gürtel, nahm den Fuß weg und ließ die Klinge mit einem Schrei hinunter fahren. Genau ins Herz des Mannes. Der röchelte noch einmal kurz, dann war er tot. Ich verschwendete keine Zeit mit Erobas. Stattdessen schnappte ich mir meine Taschen und rannte, den blutigen Dolch in der Hand, nach draußen.

Die Suchenden   ~Daughter of Death~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt