Kapitel 24

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Zum Frühstück gab es Brot, Eier, Speck und Milch. Ich hatte lange geschlafen, sodass die Sonne schon sehr hoch stand, als ich vom Tisch aufstand. Ich erkundigte mich bei Mila nach den Anderen. "Die sind draußen und schauen sich ein bisschen um", erklärte sie mir, während sie über den Tresen wischte. Ich bedankte mich und trat hinaus ins Sonnenlicht. Es war ein warmer Tag. Henry saß auf einer Bank neben der Tür, eine getigerte Katze auf dem Schoß. Er lächelte schüchtern, als ich vorbei ging. Ich fand meine Reisegefährten schließlich bei den Schafen. Bharat ließ sich von Louisa die Lämmchen zeigen, während Jacob mit geschlossenen Augen im Gras lag. "Guten Morgen", begrüßte das Mädchen mich. Das Lamm in ihrem Arm sah genauso unschuldig aus wie sie. Die Hosen hatte sie gegen einen langen Rock getauscht, das Hemd gegen eine einfache Bluse. "Serafina", grüßte auch Bharat und drehte sich zu mir um. Das Schäfchen sah in seinen Armen winzig aus, doch er hielt es so behutsam, als könne es jeden Moment zerbrechen. Es war immer wieder erstaunlich wie dieser große, muskulöse Mann doch so sanft sein konnte. Hinter mir raschelte es. "Na sieh mal einer an. Wir dachten schon du wirst nie wieder wach." Jacob hatte sich auf die Ellbogen gestützt und sah amüsiert zu mir hoch. Ich entschied, ihn zu ignorieren. "Habt ihr noch andere Tiere?", fragte ich Louisa. Sie nickte, doch bevor sie antworten konnte übernahm das Jacob. "Zwei Pferde, einige Katzen und fünf Kühe. Ach ja und Hühner." Genervt verdrehte ich die Augen. "Danke Jacob." Offensichtlich zufrieden mit sich legte er sich wieder hin und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. "Entschuldigt sein Benehmen", raunte Bharat leise und setzte das Lamm ab. "Er kann ein wenig ... anstrengend sein." Louisa lachte. "Schon gut." Zu mir gewandt sagte sie: "Wir versorgen uns größtenteils selbst. Wenn wir etwas brauchen gehen wir ins Dorf. Es liegt einige Meilen weiter westlich." Es schien, als wolle sie noch etwas sagen, hielt sich jedoch dann zurück und senkte den Blick. "Ich sollte meiner Mutter noch etwas helfen. Wenn ihr Michael seht, schickt ihn bitte zum Haus." Wir nickten und Louisa verabschiedete sich. "Also. Ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber ich würde gern noch hierbleiben. Außerdem ist der halbe Tag, dank Mylady, sowieso schon verstrichen." Jacob hatte sich inzwischen aufgesetzt. Ich schaute Bharat an, der nachdenklich nickte. "Ich denke ein weiterer Tag Ruhe könnte nicht schaden. Zumal wir hier so herzlich willkommen geheißen wurden. Euch ist sicher klar, dass das nicht üblich ist oder?" Ich biss mir auf die Lippe und nickte. "Der Norden und der Westen haben verbitterter gegen die Begabten gekämpft als Süden und Osten." Unsicher sah ich mich um. "Wissen sie was ich bin?", fragte ich dann leise. Bharat nickte. "Ich habe es Mila erzählt. Aber sie wissen nicht woher du kommst und wo du hin willst." Das weiß ich nicht einmal selbst, dachte ich, dankte Bharat jedoch schlicht und zog mich ein wenig in den Schatten einer nah gelegenen Baumgruppe zurück. Dort ließ ich mich nieder, atmete die frische Luft ein und schloss die Augen. Die üblichen Gedanken geisterten schon bald wieder durch meinen Kopf. Wer war ich? Was ich war hatten wir ja jetzt wohl geklärt, aber wollte ich das auch sein? Und am wichtigsten: Was verdammt nochmal war meine Gabe? So zogen Vermutungen, Befürchtungen und Ängste ihre Kreise, bis ein Kitzeln an meiner Hand mich aufschrecken ließ. Ein kleines Lamm vergrub seine Nase zwischen meinen Fingern und schleckte daran.  "Hallo mein Kleines", flüsterte ich. Das Lämmchen hob den Kopf und sah in meine Augen. Vorsichtig streckte ich die Hand aus, doch als ich die weiche, weiße Wolle berührte, zuckte das Tierchen erschrocken zusammen und hüpfte eilig davon. Enttäuscht ließ ich meinen Kopf gegen den Baumstamm fallen an dem ich lehnte. Was war nur los mit mir?  


Später am Tag lernten wir auch unseren Gastgeber kennen. Joseph Mellan war ein muskulöser, großer Mann, wenn auch nicht so groß wie Bharat, mit dem dunklen Haar, das seine Tochter wohl von ihm geerbt hatte. Jedoch waren seine Augen, braun und sein Gesicht kantiger. Bartstoppeln umgaben die dünnen Lippen. Jacob fand heraus, dass er wohl sehr geschickt mit dem Bogen umging und hin und wieder im Wald jagte. Louisa kümmerte sich gerade mit ihm um die Pferde, als ich in den Stall kam. Der Prinz plauderte mit dem Herrn des Hauses. Hauptsächlich über die Jagd, während Louise Bharat ihre Pferde vorstellte. "Das sind Lady und Merlin." Sie zeigte ihm zwei kräftige Tiere. Beide mit schimmernd braunem Fell. Allerdings waren Ladys Augen so blau, wie die ihrer Besitzerin, während Merlins dunkel, wie die des seinen waren. Neugierig näherte ich mich und hörte zu.                                                                                                                  "Merlin ist noch etwas stärker als Lady", erklärte Louisa. "Der Arme muss immer alles tragen, wenn wir aus dem Dorf kommen." Zärtlich strich sie ihm übers Fell.                                                              "Würdet ihr euch einmal mein Schwert anschauen? Ich glaube ich habe im letzten Kampf ein wenig zu fest zugeschlagen. Da ist eine kleine Kerbe in der Schneide." Jacob und Joseph gesellten sich zu uns. "Natürlich. Ich könnte diesen kleinen Schaden für Euch beheben."            "Ich danke Euch." Zufrieden lehnte der Prinz sich ans Tor der Box und klopfte Merlin den Hals. Derweil warf mir Joseph einige abschätzige Blicke zu, die mir keinesfalls entgingen. Als ich ihn jedoch ansah betrachtete er interessiert Bharats südländisches Messer. "Lou, hilf doch bitte deiner Mutter noch etwas in der Küche ja?", bat er schließlich. Seine Tochter nickte gehorsam und wandte sich zum gehen. "Ich komme mit. Ich würde gern helfen", entschied ich und sah Louisa fragend an. Sie nickte etwas verwirrt, jedoch freundlich. "Gut, kommt mit." Erleichtert den kritischen Blicken des Hausherrn zu entfliehen, folgte ich seiner Tochter ins Haus. Ich musste mich ablenken und endlich meinen Kopf freikriegen. Und das ging am besten mit Arbeit.

Die Suchenden   ~Daughter of Death~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt