#1 - "Lass mich schlafen..."

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"Komm! Aufstehen kleines Biest", rief jemand und zog mir mit voller Wucht die Bettdecke weg.
Sofort fielen die Sonnenstrahlen auf mein Gesicht und ich kniff meine Augen zusammen.
Verzweifelt versuchte ich die Bettdecke wiederzubekommen, was mir jedoch misslang.
"Luucas! Lass mich schlafen! Heute ist Sonntag, wieso weckst du mich so früh?", murmelte ich in mein Kissen und suchte wieder eine gemütliche Position, um in Ruhe weiterschlafen zu können. Es ist mir egal ob nun mit oder ohne Bettdecke.
"Wer sagt denn, dass es Sonntag ist und dass es früh ist?", fragte mein großer Bruder. Ich konnte mir, ohne meine Augen öffnen zu müssen, deutlich vorstellen, wie er spöttisch seine Augenbrauen hob.
"Ich! Und jetzt lass mich weiterschlafen!"
"Ich will dich ja nicht enttäuschen Schwesterherz, aber ich wollte dich nur wecken, damit du noch einigermaßen pünktlich zu deinem Vorstellungsgespräch kommst."
"Das ist doch erst morgen verdammt nochmal. Am Sonntag gibt es keine Vorstellungsgespräche."
Genervt riss ich meine Augen auf und tapste nach meiner Brille, die auf dem Nachttisch neben mir lag. Schlafen konnte ich jetzt definitiv nicht mehr.
Als ich meine Brille anhatte, guckte ich auf die Uhr.
"Du hast mich allen ernstes um 8.40 Uhr geweckt?"
Ich sah meinen Bruder an, der auf meine Aussage nur "Schau mal auf das Datum und auf den Tag du kleine Besserwisserin" sagte.
Augenverdrehend sah ich wieder auf die Uhr.
"Ich habe dir doch schon gesagt, dass es..." Meine Augen weiteten sich.

MO, 26.03

"Also?", fragte Lucas ruhig, hob seine Augenbrauen und verschränkte seine Arme.
"Verdammt verdammt verdammt!", schrie ich und sprang aus dem Bett.
"Wenn du wusstest, dass ich heute um Viertel nach neun ein Vorstellungsgespräch habe, wieso weckst du mich erst jetzt?", rief ich aufgebracht.
"Jaja, nun bin ich wieder Schuld, war ja mal wieder klar", sagte er augenverdrehend und verließ mein Zimmer. "Wenn du willst, dann kann ich dich fahren. In 10 Minuten fahren wir los, sonst kommst du wirklich zu spät und das wollen wir ja alle nicht, stimmts?", sagte er noch bevor er ganz aus dem Zimmer verschwand.
"Halt die Klappe!"
Schnell sprang ich aus dem Bett und lief sofort ins Bad. Ich putzte mir meine Zähne, band mir meine Haare zu einem Zopf zusammen und schminkte mich dezent. Concealer, Wimmperntusche und einen dünnen Eyelinerstrich - fertig.
Im Rekordtempo sprintete ich wieder in mein Zimmer und riss meinen Kleiderschrank auf.
Was soll ich anziehen? Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich noch 4 Minuten hatte. Wieso hatte ich nicht am Vorabend schon was rausgelegt?

Weil du dachtest, dass heute Sonntag ist, schon vergessen?

Ich könnte mir am liebsten eine reinhauen. Wieso ausgerechnet heute?

Wenn man den ganzen Sonntag damit verbracht hat zu schlafen, da kann das schon mal vorkommen

"Woher kommst du denn jetzt wieder her? Bleib in deiner Ecke Besserwisserin", murmelte ich zu mir selbst.
Schnell suchte ich mir eine schwarze Jeans, davon hatte ich Unmengen in meinem Schrank, eine weiße Bluse und einen schwarzen Blazer heraus. Das müsste schon reichen, oder?

Egal, das müsste schon passen.

Danach packte ich noch meine schwarze Handtasche und rannte die Treppen hinunter.
"Ich bin fertig", rief ich und schaute ins Wohnzimmer, wo ich Lucas dann auch fand.
Sofort schnappte er sich seine Autoschlüssel und stand auf. Grinsend sah er mich an.
"Ist doch schön, dass du dich in 10 Minuten fertig machen kannst."
"Ha.Ha", meinte ich trocken verdrehte meine Augen. "Und jetzt komm endlich. Es ist schon 8:53 Uhr!"

______

"Viel Glück Schwesterherz", wünschte mir mein Bruder, als ich aus dem Auto stieg. Zweifelnd sah ich Lucas an. Das war zwar nicht mein allererstes Vorstellungsgespräch, aber ich war trotzdem nervös. Vor diesem hatte ich schon vier Stück gehabt, wurde aber jedes Mal abgelehnt.
"Das wird schon", munterte mich mein Bruder auf. "Tief durchatmen. Sei einfach du selbst, okay? Ich weiß, dass du das meistern wirst. Komm mal her", fügte er hinzu und lehnte sich zur Beifahrerseite. Ich bückte mich und er zog mich in eine Umarmung. "Die haben dich nicht ohne Grund zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Und jetzt geh da rein und hau sie um."
Ich nickte. Er lächelte mir aufmunternd zu und wartete. Ich atmete tief ein und dann wieder aus, Schloss meine Augen für ein paar Sekunden, sammelte mich und ging dann entschlossen hinein.
Meine Entschlossenheit löste sich dann auch sogleich in Luft auf, als ich die Eingangshalle betrat.
So viele Leute standen hier. Die Männer im Anzug mit ihren Aktenkoffern in der Hand, die Frauen in Kleider mit Mappen in der Hand und ein Telefon am Ohr.
Es kam mir so vor, als würden mich alle anstarren, deshalb begab ich mich schnell zu den Aufzügen und versuchte niemanden anzurempeln.
Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich nur noch zwei Minuten hatte.
Im Aufzug rief ich noch schnell meinen besten Freund an, der auch sofort abnahm.
"Lauren? Was zum Teufel suchst du am Handy? Hast du denn nicht gerade dein Vorstellungsgespräch?", begrüßte mich Dan, mein bester Freund.
"Dir auch einen schönen guten Morgen", sagte ich ironisch und lächelte. "Und nein, erst in einer Minute."
"Ach Lauren", seufzte Dan und meinte dann: "Viel Erfolg! Ich habe dir zwar schon gestern Abend zehntausend Mal gesagt, dass du dir keine Sorgen machen musst. Wenn es dieses Mal nicht klappt, dann eben das nächste Mal. Kopf hoch und weitermachen, das weißt du doch."
Seine Worte gaben mir neuen Mut und langsam baute sich meine vorherige Entschlossenheit wieder auf.
"Ja, ich weiß, aber-"
"Kein aber! Geh da rein und rock das Ding, aber übertreibs nicht!"
"Ich doch nicht", sagte ich grinsend.
"Es gibt einen Grund, wieso ich das ausgerechnet zu dir sage."
"Sagt der Richtige. Ich bin hier die Brave, du der Unruhestifter, schon vergessen?"
Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Ich bekam auch so schon schiefe Blicke von den anderen Menschen, die sich mit mir ihm Aufzug befinden. Ist es so ungewöhnlich im Fahrstuhl zu telefonieren?
"Was? Das habe ich gar nicht gewusst, ich dachte es wäre andersherum."
"Jaja." Schmunzelnd verdrehte ich meine Augen.
"Ach Lauren?
"Hm?"
"Hab Vertrauen in dich selbst, okay?"
Traurig lächelte ich, auch wenn er es nicht sehen konnte. Nicht daran denken!
"Scheiß einfach auf diesen Spasten. Wer dich gehen lässt hat wohl einen Dachschaden. Außerdem meintest du doch, er würde niemals im Leben die Firma übernehmen. Die Wahrscheinlichkeit ist also ziemlich gering. Falls er doch auftauchen sollte, dann komme ich höchstpersönlich vorbei und regle das."
"Ich versuchs. Danke Dan. Ohne dich wäre ich aufgeschmissen."
"Na klar doch. Kopf hoch Kleines. Ich stehe in einer 3/4 Stunde unten vor der Firma und wir gehen zusammen frühstücken, einverstanden? Dann darfst du mir auch erzählen wie es war."
"Das hört sich so verlockend an. Mein Magen knurrt schon", erwiderte ich und fasste mir automatisch an den Bauch. Sein Warmes Lachen am Ende der anderen Leitung beruhigte mich etwas.
"Bis später Kleines."
"Bis später!"

Als sich die Aufzugtüren öffneten, ging ich geradewegs zur Rezeptionsdame hin, die sich gerade umschaute.

Wartete sie etwa auf mich?

"Hallo, ich bin Lauren Silver, ich habe heute ein Vorstellungsgespräch."
"Ah, da sind Sie ja. Guten Tag Ms. Silver, Ms Sky erwartet Sie schon. Zimmer 803."
Verwirrt sah ich sie an. Wer ist Ms Sky?
Sie lachte. Anscheinend hatte sie meinen Blick verstanden.
"Ms Sky ist die Sekretärin von Mr. Hammilton."
Mein Herz zog sich zusammen. Sky...den Namen kannte ich doch irgendwoher.
Das musste noch nichts bedeuten.
Langsam nickte ich und begab mich zu dem Raum.
Zimmer 801..

802..

Es war ja nicht so, als gäbe es hier zig Türen, doch lieber zur Sicherheit zweimal hinschauen, als plötzlich mitten in einem Meeting stehen.

Dann stand ich vor dem Zimmer.

803.

Zögernd blieb ich vor der Tür stehen und hob meine Hand, um anzuklopfen. Mein Herz klopfte wieder wie wild.

"Du schaffst das! Hab Vertrauen", sprach ich mir selbst Mut zu, indem ich Dans Worte noch einmal wiederholte und klopfte dann wirklich an.

"Herein!", rief eine weibliche Stimme von drinnen und ich öffnete die Tür. Als ich drinnen stand, schloss ich die Tür hinter mir und blickte zu der kleinen zierlichen Frau, die mich von oben bis unten musterte.

"Guten Tag, ich bin Lauren-", setzte ich an, doch beim näheren Betrachten der Frau wurde mir plötzlich schlecht. Sie scannte mich von oben bis unten ab, während ich sie nur geschockt ansah. Diese giftgrünen Augen würde ich überall wiedererkennen.
Die Worte blieben mir im Hals stecken, ich war nicht fähig mich zu bewegen, geschweige denn weiterzureden, um meinen Satz zu beenden.
Ich wollte so schnell wie möglich weg, weg von diesem...

Biest.

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The first chapter, Kritik, Meinungen? :)
xxQue

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