Kapitel 4

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„Also Mia. Ich werde jetzt beginnen, dir alles zu erzählen. Aber du musst mir eines versprechen! Bitte erzähl niemandem irgendetwas und ich möchte jetzt einfach mal reden – also bitte unterbrich mich nicht. Denn so ist es für mich viel befreiender!“ Ich musste mir ein Grinsen unterdrücken und nickte dann. Sie anscheinend auch, denn wir mussten beide kurz auflachen. Dann umarmte sie mich und begann zu erzählen: „Naja. Also, ich weiss nicht, wie ich anfangen soll. Ich weiss nicht, ob du mitbekommen hast, dass ich Josh eine Freundschaftsanfrage in Facebook geschickt habe. Ja, also auf jeden Fall hat er sie bestätigt. Und mich kurz darauf angeschrieben. Er schrieb so, ob wir uns kennen und halt solche Dinge. Zuerst habe ich mich extrem gefreut. Ich meine, es ist ja nicht alltäglich, dass ein so hübscher Junge dich ‚grundlos‘ anschreibt. Auf jeden fall haben wir dann ein wenig angefangen zu chatten. Und wir verstanden uns zuerst total gut und ich war total happy. Doch dann musste ich kurz aufs Klo. Ich war echt nur kurz weg. Und naja – als ich dann zurück gekommen bin, sah ich, wie meine Schwester vor meinem Laptop stand. Und du darfst dreimal raten, was sie gemacht hat – ja, genau, sie hat mit ihm gechattet. Sie war anscheinend voll eifersüchtig auf mich, denn sie hat ihm solche Nachrichten geschrieben, wie „Du bist so hot, bitte komm vorbei und f*ck mich!“ oder „ich will, dass dus mir so richtig besorgst – von allen Seiten!“ Und als sie dann gesehen hat, dass ich komme, hat sie sich sofort aus dem Staub gemacht und sich zu meiner Mutter in die küche gesetzt. Sie wusste ganz genau, dass ich meiner Mutter unter keienn Umständen, irgendetwas davon erzählen will. Ich wollte natürlich sofort alles mit Josh klären, doch er war bereits offline gegangen. Glaub mir, aber im ersten Moment brach in mir wirklich eine kleine Welt zusammen! Ich habe mich auf Anhieb sofort so gut mit ihm verstanden. Und als ich mich dann ausloggen wollte, sah ich, dass er gerade wieder online gekommen sei. Ich schrieb ihm sofort, natürlich mit der kleinen Hoffnung, dass er mir glauben und verzeihen würde. Doch dem war nicht so. Nachdem ich ihm ein kurzes Hey geschrieben habe, hat er mich sofort total angeblafft, was ich denn noch von ihm wolle, ob er es mir nicht deutlich gesagt hätte und so. Dann las ich die letzten Nachrichten noch einmal durch. Darin stand in kurzer Zusammenfassung, dass er mich nur peinlich finden würde und sicher nichts von irgendeiner Schwärmerin wollte. Da hatte ich meine ganze Hoffnung wirklich begraben gehabt. Doch in diesem Moment bekam ich eine weitere Nachricht von ihm. Er schrieb, ob ich denn nicht irgendeine Ausrede oder einen Grund gehabt hätte. Da erzählte ich ihm natürlich sofort, dass es meine Schwester gewesen sei. Doch leider geht er in ihre Parallelklasse und kennt sie daher ein wenig. Er fand es total Scheisse, dass ich anscheinend ihr die Schuld so plötzlich zuschob, da ich kalte Füsse bekommen hätte. Dann war er off und ich am Boden zerstört.“

Wow. Das war echt hart. Ich konnte eine kleine Träne in ihren Augenwinkeln erkenne, die sie sich jedoch sofort wieder wegstrich. Obwohl Les nahe am Wasser gebaut ist, weint sie beinahe nie. Jetzt hatte ich wirklich Respekt vor Josh und so beschloss ich, ihn undercover auszufragen. Ich meine, so auffällig wäre es nicht, wenn ich ihn anschreibe, immerhin hatten wir auch schon miteinander geschrieben! Ich rückte etwas näher zu Les hin und zog sie dann in eine lange Umarmung. Ich wusste genau, was sie in solchen Situationen brauchte, auch wenn diese nicht so oft vorkamen. Vorerst beschloss ich ihr jedoch nichts von Josh und meinem Gespräch zu erzählen, denn sie muss erst mal mit ihrer Situation zurechtkommen, bevor ich ihr weitere Geschichten erzählen konnte. Ich seufzte leise und liess dann von ihr ab. Mein Blick wanderte durchs Wohnzimmer und blieb an der Uhr hängen. Es war schon acht Uhr Abends! „Scheisse, Les, es ist schon acht Uhr und wir haben auf Morgen noch so viele Hausarbeiten zu erledigen!“ Auf Les‘ etwas verheultem Gesicht erschien ein grinsen. „Was hältst du davon – fity-fifty?“ Sie hielt ihre hand in die Höhe und ich schlug ein. Dann machten wir uns auf den Weg zum Tisch im Wohnzimmer und breiteten alle unsere Hausaufgaben darauf aus. Ich kümmerte mich um alle Hausaufgaben, die wir in den Sprachfächern auf hatten und Les um die anderen Fächer. Dreiviertelstunden später setzte ich einen Punkt hinter den letzten Satz in Französisch, den ich eben zu Blatt gebracht habe. Zeitgleich klappte Les das Mathebuch zu und stöhnte entnervt auf. Als sie bemerkte, dass ich auch eben fertig geworden bin, begannen wir wie auf Kommando los zu prusten und wir konnten uns kaum mehr einkriegen vor lachen. Nach einer gefühlten Stunde – in Wirklichkeit waren es ungefähr drei Minuten, hörten wir auf zu lachen und tauschten die Plätze. Ich begann die ganzen Hausaufgaben von Les abzuschreiben, die sie eben gelöst hatte und sie das gleiche bei mir. Nach nur einer Viertelstunde waren wir beide wieder beinahe zeitgleich zu Ende – das nenn ich mal Seelenverwandtschaft. „Boah, Danke Mia, ohne dich hätte ich das niemals geschafft!“ „Geht mir genau gleich, Les!“

Les stand an der anderen Seite des Tisches auf und begann unsere Bücher zu sortieren. Ihre Bücher packte sie sich in ihre Tasche, die andere Hälfte legte sie sorgfältig auf einen Stapel auf dem Tisch. „Ich bin echt müde! Ich werde mich gleich aufs Ohr hauen, wenn ich zu Hause bin!“, sagte Les, reckte ihre beiden Arme in die Höhe und gähnte herzhaft, dann liess sie ihre Arme wieder plump fallen. Ich begleitete sie noch bis zur Haustür und umarmte sie kurz zum Abschied, dann verliess sie das Haus und machte sich auf den Heimweg. Es war erst viertel nach neun! Ich hatte ihr bewusst nichts davon gesagt, was ich nun tun werde, denn ich hatte vor, schon jetzt mit Joshs Verhör zu Beginnen.

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