Jako schloss seine Augen, lehnte sich zurück, und seufzte leise. Er war eifersüchtig. Ja, das war dumm. Ja, er hatte kein Recht dazu. Und ja, er sollte es nicht sein. Und er wollte es ja auch gar nicht. Aber er konnte einfach nichts dagegen tun.
Natürlich, er brauchte öfter mal so seine Zeit für sich. Sehr oft. Aber jetzt gerade brauchte er eigentlich jemanden, der ihn in den Arm nahm. Jemand, der ihm sagte, wie sehr er ihn lieb hatte. Und das übernahm normalerweise Felix. Die mittlerweile wohl wichtigste Person in seinem Leben. Die, zu der keine Beschreibung auf dieser Welt passte. Er war mehr als sein bester Freund. Viel mehr. Bruder traf es auch schon lange nicht mehr. Am ehesten traf es vielleicht noch Seelenverwandter. Aber eigentlich war er so viel mehr. Seelenverwandtschaft. Dieses Wort sagte fast gar nichts über ihre Beziehung aus. Vielleicht könnte man sagen, dass er ihn liebte. Aber auch dieses Wort passte nicht. Liebe war auch nur ein Wort, dass mittlerweile so bedeutungslos wurde. Es war etwas tiefes, was sie beide Verband. Etwas, dass man nicht mit Worten ausdrücken konnte.
Aber Felix war gerade weg, war feiern. Er hatte ihn gefragt, ob er mitkommen wollte, aber er wollte nicht. Hatte gesagt, dass er jetzt lieber etwas für sich wäre. Aber das war eigentlich eine dumme Idee. Er vermisste ihn. Er brauchte ihn jetzt eigentlich. Aber sein...ja, wie wollte man es nennen? Sozialakku? War noch nicht aufgeladen genug, als dass er wieder unter Menschen gehen konnte. Felix war der Mensch, mit der er gemeinsam alleine sein konnte.
Jako streckte seine Hand aus, seine Finger schwebten über der Zigarettenschachtel, aber dann zog er sie doch zurück und fuhr lieber in seine Hosentasche, um sein Handy rauszuholen. Er schaltete es an, entsperrte den Bildschirm, und öffnete den Chat mit Felix.
Er könnte ihn fragen, wann er ungefähr wieder zurückkommen würde, aber er wusste genau, würde er das tun, Felix würde aus lauter Fürsorge sofort nachhause kommen, um für Jako da zu sein. Aber das wollte er nicht. Er wollte, dass Felix jetzt seinen Spaß hatte.
Aber anscheinend hatte Felix irgendwas gespürt, vielleicht hatte er auch einfach nur gemerkt, dass Jako schon so lange online war. Jedenfalls schrieb er ihn gerade an.
<<Jako?>>
Nein, das wollte er doch nicht. Er wollte nicht, dass Felix sich jetzt Gedanken machte. Und das machte er sicher.
Aber wenn er jetzt nicht antwortete, wurde es auch nicht besser.
<<Ja?>>
<<Ist bei dir alles okay? Oder soll ich heimkommen?>>
Verdammt, er wollte, dass Felix heim kam. Ja. Aber er wollte auch, dass Felix jetzt seinen Spaß hatte. Und er konnte Felix nicht anlügen. Er wollte Felix nicht anlügen. Das war alles so kompliziert... Verzweifelt dachte er nach, schrieb eine Antwort, löschte sie wieder. Schrieb wieder eine Antwort, nur um sie zu löschen. Aber anscheinend war das auch nicht viel besser, denn schon schrieb Felix ihm wieder.
<<Okay, ich bin in einer halben Stunde zuhause. Hälst du das so lange aus?>>,
Verdammt.
<<Nein, bitte. Bleib dort, wo du bist. Ich will nicht, dass du wegen mir da weggehen musst. Bitte Felix.>>
Wow. Sehr Toll gemacht. das hörte sich so an, als wollte er nicht, dass Felix kommt. Naja...immerhin konnte er dann seinen Spaß haben.
<<Okay, dann bin ich in 30 Minuten zuhause.>>
Nein.
<<Felix! Bitte!>>
Zwei Haken.
Gelesen.
Keine Antwort.
Na toll. Jetzt würde Felix also heimkommen.
Ja, er freute sich, dass Felix heim kam. Aber gleichzeitig hatte er ein unglaublich schlechtes Gewissen.
Er stand auf, griff diesmal wirklich nach der Zigarettenpackung und ging ans Fenster, öffnete dieses, setzte sich aufs Fensterbrett und zog ein Feuerzeug aus seiner Tasche, um seine Zigarette anzuzünden.
Als er die glimmende Zigarette so in den Mund steckte, den Rauch einsog und ihn dann schließlich in die kalte Nachtluft blies, wurde ihm wiedermal aufs neue klar, was für ein Glück er doch hatte. Er wusste eigentlich nicht, warum er das gerade in solchen Momenten, in denen Felix nicht da war, bemerkte. Aber immer dann stellte er fest, wie unglaublich toll dieser war. Er lächelte leicht, betrachtete die Skyline der Stadt und begann leise vor sich hinzusingen.
Man mag vielleicht meinen, dass Felix jetzt umsonst kommen würde, da Jako sich jetzt ja anscheinend nicht mehr einsam fühlen würde, aber das stimmte so nicht. Vielleicht kennt ihr ja dieses Gefühl, wenn ihr euch einfach nur leer fühlt. Nicht, dass irgendwas schlechtes passiert wäre, nicht, dass es überhaupt irgendeine Ursache hätte. Dieses Gefühl ist einfach da. Und meistens geht dieses Gefühl auch nicht von alleine wieder weg, man braucht eine Person, die einen umarmt, einem sagt, dass sie einen lieb hat, eine Person zum reden. Und genau so ging es Jako gerade.
Er beobachtete das glühende Etwas in seiner Hand, folgte dem Rauch, der seinen Mund verließ und konzentrierte sich auf die Geräusche der Großstadt, während er auf Felix wartete.Die Zigarette war schon lange zu Ende geraucht, als Felix vor der Haustür stand, und die Tür aufschloss. Er hatte extra nicht viel getrunken, er hatte quasi gewusst, dass er zurückkommen würde, um für Jako da zu sein. Und er hatte auch gewusst, dass Jako nicht wollte, dass er wegen ihm zurückkam. Aber er hatte eben auch schon gewusst, dass er genau das tun würde.
Nachdem er leise die Tür aufgeschlossen, und seine Jacke aufgehängt hatte, machte er sich auf den Weg in Richtung Jakos Zimmer, klopfte leise und wartete auf eine Antwort.
"Ja...komm rein."
Natürlich hatte er gewusst, dass Jako ihn reinrufen würde, Jako hatte schließlich auch mit ihm gerechnet - so hoffte er zumindest - aber es war ein Akt der Höflichkeit, zu warten, bis man hereingerufen wurde.
Als er das Zimmer betrat kam ihm ein Schwall eiskalter Luft entgegen. Naja, eigentlich war es nicht kälter als draußen, aber draußen war er auch in Jacke unterwegs, und jetzt stand er im T-Shirt da.
Jako saß auch nur im T-Shirt am Fenster und starrte hinaus. Das war kein sonderlich gutes Zeichen.
Langsam ging er auf diesen zu und strich ihm vorsichtig über den Kopf. "Hey, Jako.."
"Felix!" Ein lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, ehe er sich zu dem Bärtigen drehte und seine Arme um ihn schlang.
"Alles gut, mein Tiger.." er strich wieder über die Haare des Langhaarigen, ehe er ansetzte zu sprechen.
"Es ist ziemlich kalt hier drinnen..."
Angesprochener sah ihn nur mit einem unschuldigen Blick an.
"Findest du? Ich finds schön."
"Weißt du was? Wir legen uns jetzt gleich ins Bett, und dann kuscheln wir einfach ein bisschen, ja? Aber vorher mach ich noch das Fenster zu!... Und die Heizung an."
Von einem zustimmenden gemurmel begleitet erhob sich Jako, löste schweren Herzens die Umklammerung und ging in Richtung Bett, während Felix eben genanntes noch erledigte und sich dann ebenso zu Jako ins Bett legte.
Ganz eng lagen sie nebeneinander, die Arme des Bärtigen um den manchmal nahezu zerbrechlichen Körper der Langhaarigen gelegt, dessen Gesicht in seiner Brust verborgen, die Decke eng um die geschlungen.Plötzlich drang ein leises schluchzen in Felix Ohren. Etwas in ihm zog sich zusammen. Er wusste, dass Jako unglaublich empathisch, aber eben auch unglaublich empfindlich war, und trotzdem, oder gerade deswegen Tat es ihm unglaublich weh, ihn weinen zu hören.
"Shhhh...ganz ruhig Tiger. Alles ist gut, ich bin bei dir..."
Vorsichtig strich er seinem kleinen über die Haare und drückte ihn noch enger an sich. Dieser klammerte sich geradezu an ihm fest, wie ein Ertrinkender an einem Stück Holz, und schluchzte noch immer.
Langsam spürte Felix die Nässe durch den Stoff an seiner Haut, aber eigentlich störte es ihn nicht wirklich.
Vorsichtig beugte er sich ein wenig vor, um Jako einen Kuss auf seine Stirn zu geben.
"Danke Felix..."
Die Stimme des langhaarigen war schwach, wirkte geradezu zerbrechlich.
"Für dich immer, mein kleiner."
"Ich liebe dich."
Das war nicht dieses "Ich liebe dich.", dass Pärchen zueinander sagen, das war auch nicht das "Ich liebe dich.", dass Eltern zu ihren Kindern, oder umgekehrt, sagen, das war etwas viel tieferes. Etwas, mit einer viel tieferen Bedeutung. Etwas viel aussagekräftigeres.
Und deshalb antwortete Felix jetzt auch nicht. Das wäre nur eine typische Floskel. Ein geradezu verpflichtendes "Ich dich auch."
Nein, stattdessen strich er ihm lieber weiter beruhigend über den Rücken und gab ihm einen weiteren Kuss, diesmal auf seinen Scheitel.
"Ich weiß."