10. Ben

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Mein Herz setzte bestimmt zwei Sekunden lang aus, bis es in dreifacher Geschwindigkeit anfing zu schlagen. Das war nicht der nette Junge von gestern Nacht.

Er musterte mich unnachgiebig, mit einem verkniffenen Ausdruck um den Mund. Ich wandte schnell den Blick ab, während mein Herz in winzige Stücke zerbrach und mein Gehirn sich selbst beschimpfte. Wie habe ich auch jemals denken können, jemand wie er könnte an jemandem wie mir interessiert sein?

„Was willst du hier?", erschreckte mich eine klare Stimme direkt vor mir und ich zuckte zusammen. Mein Blick wanderte nach oben, ich musste mir fast den Hals verrenken, so dicht stand er vor dem kleinen Tisch, an dem ich saß.

„Ich... ich trinke einen Tee.", war meine geistreiche Antwort und ich umfasste die weiße, große Tasse mit beiden Händen um ihr Zittern zu verbergen. Ben ließ sich elegant in den Stuhl gegenüber von mir gleiten und ich musterte seine sehnigen, aber doch leicht muskulösen Arme an denen sich einige Adern abzeichneten und seine Hände mit langen, wunderschönen Fingern. Mein Vater hätte sie als Pianistenhände bezeichnet.

„Spielst du Klavier?"

Hatte ich das gerade wirklich gefragt? Meine linke Gehirnhälfte, die für die Logik zuständig war, würde jetzt sicher die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, hätte sie welche gehabt.

Er starrte mich irritiert aus seinen wundervollen Augen an und mein Gesicht wurde von einer schamhaften Röte überzogen. Leicht schüttelte er den Kopf: „Ähm... Nein, ich spiele kein Klavier. Wie kommst du darauf?"

Da ich ihn ja schlecht über seine Pianistenhände aufklären konnte, brachte ich keinen Ton heraus, doch da beugte er sich schon vor und stellte die Ellenbogen auf dem Tisch während er das Kinn, an dem ich einen leichten Bartschatten bemerkte, auf seine Fäuste legte: „Wie wär's, wenn du mir auch einen Tee bestellst?"

„Ich glaube es gibt hier keine Bedienung. Wie wär's, wenn du dir also selber einen holen würdest?", erwiderte ich. Ich war hier doch nicht seine Bedienstete, da konnte er noch so gut aussehen. Was würde nach dem Tee kommen? Ein paar Dienstleistungen als Hure vielleicht?

Er stand auf und ging an den Tresen, während ich seelenruhig seinen schmalen Rücken und den knackigen Teil darunter musterte. Vielleicht würde ich's ja doch mal mit ihm versuchen...

Ich klatschte mir innerlich eine. Wie konnte ich nur sowas denken? Ich hatte heute kein charmantes Lächeln bekommen und auch die Magie zwischen uns war einer unangenehmen Spannung gewichen. Er würde nie etwas von mir wollen und je schneller ich das realisierte, desto besser.

Gerade als ich aufstehen und gehen wollte, kam er wieder, mit einer dampfenden Tasse in der Hand. Er prostete mir zu und nahm einen Schluck. „Kaffee", sagte er, „die Revolution des einfachen Tees. Ich bin übrigens Ben."

„Marta. Und ich hasse Kaffee.", stellte ich mich vor.

„Das ist schade... Ich mag ihn am liebsten schwarz, sodass die Oberfläche zu einem glasklaren Spiegel wird, ohne Zucker, ohne Milch, und auch ohne Ketchup oder sonst was."

Unsere Blicke verhakten sich ineinander, Gold gegen Grün, Grün gegen Gold und niemand sagte mehr ein Wort.

Ich lehnte mich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und fragte: „Warum bist du hier, Ben?"

„Dasselbe könnte ich dich fragen. Aber ich für meinen Teil, hab meine Gründe.", erwiderte er ohne unseren intensiven Blickkontakt zu brechen.

Plötzlich stand er auf, schaute mich durchdringend an und erklärte mit klarer Stimme: „Im sechsten Stock, im Ostflügel ganz hinten ist eine Tür. Wir treffen uns heute um Mitternacht dort."

Of Foxes and FailureWo Geschichten leben. Entdecke jetzt