1. Kapitel

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„Die dich Liebenden und die von euch einst Geliebten werden euch für immer in Erinnerung behalten. Ruhet in Frieden."

Das war sie also. Die Beerdigung meiner Eltern. Ich hatte gedacht, dass ich in Tränen ausbrechen würde, dass ich vor Trauer nicht mehr stehen könnte.

Doch so war es nicht.

Ich hatte während der ganzen Beerdigung nicht eine einzelne Träne vergossen. Es war als wäre ihre Quelle versiegt, was gut sein konnte, da ich in den letzten Tagen ständig geweint hatte.

Ich hatte geweint, getobt, geschrien, mich beschwert, wie ungerecht alles sei, doch letzten Endes war es nicht mehr zu ändern.

Mein Blick fiel auf den Grabstein, der bei ihrem Grab stand.

„Liebende Eltern"

Das war die Inschrift.

Und da war es wieder, das Stechen in meiner Brust, das mich nicht losgelassen hatte, seit ich von dem Tod meiner Eltern erfahren hatte.

Es war vor genau zwei Wochen gewesen.

Ich hatte die Nacht zuvor bei meiner besten Freundin Ruby geschlafen und würde mit ihr noch den Tag verbringen, bis meine Mum und mein Dad abends von ihrer Geschäftsreise zurückkommen würden.

Und abends, zu der Zeit, als sie eigentlich vor der Haustür meiner besten Freundin stehen sollten und mich in den Arm nehmen sollten, kam ein Anruf rein.

Einkommender Anruf von >Dad<. Stand da.

Schnell ging ich ran.

„Dad? Wo bleibt ihr denn? Ich warte schon auf euch."

Doch es war nicht Dad, der mir antwortete, sondern eine Frauenstimme, die ich definitiv nicht einordnen konnte. „Hallo spreche ich mit der Tochter?"

Ich stockte, woraufhin mir Ruby einen verwirrten Blick zuwarf. Wer zur Hölle war diese Frau?

„Ähm ja."

„Es tut mir wirklich außerordentlich leid, dir sagen zu müssen, dass deine Eltern einen Autounfall hatten. Sie sprechen mit Ärtzin Betina Miller."

Ich keuchte auf. Meine Eltern hatten einen Autounfall? Zu viele Fragen schossen mir durch den Kopf. Was ist passiert? Ist ihnen etwas passiert? Kann ich mit ihnen reden? Sind sie verletzt?"

Ich versuchte meine Stimme wiederzufinden. „Sind ... sind sie verletzt?"

Kurzes Schweigen am anderen Ende der Leitung. „Es tut mir leid, aber sie sind beide noch am Unfallort gestorben. Wir konnten nichts mehr tun."

Nun fiel bei mir der Groschen und das Handy aus der Hand. Ruby sah mich geschockt an „Grace, ist alles in Ordnung?"

Ein paar Tage später erfuhr ich, dass ein Lkw-Fahrer das Auto meiner Eltern frontal gerammt hatte.

Die Zeit bis zu ihrer Beerdigung wohnte ich bei Ruby, wofür ich ihr sehr dankbar war. Ich wusste, dass die Zeit, die ich bei ihr gewesen war nicht wirklich einfach für sie gewesen war, da sie ein wenig überfordert war.

Doch letztendlich hatte sie alles richtig gemacht. Sie war für mich da gewesen, als ich durch die Hölle gegangen bin. 

Die ersten paar Nächte waren die schlimmsten. Jede Mal wachte ich schweißgebadet auf. Jedes Mal hatte ich den selben Albtraum. Jedes Mal war es als würde sich etwas um meinen Hals schlingen und mir den Atem abschnüren. Und jedes Mal war es Ruby, die mir den Kopf wieder aus der Schlinge nahm, die mir wieder half zu atmen, als ich dachte zu sterben.

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