6. Kapitel

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So schnell, wie es eben ging, sperrte ich die Tür auf und stürmte in die Wohnung. Was ich dort im Wohnzimmer sah, gefiel mir so gar nicht. Die beiden waren zu Boden gegangen und Jake saß auf Jason und prügelte wie ein Bekloppter auf ihn ein.

Überall auf dem Boden war Bier verspritzt. Die Flasche lag weiter weg.

Wie eine Irre rannte ich auf die beiden zu und versuchte Jake mit aller Kraft von Jason hinunterzuziehen.

So wenig er sich bewegte,  so wenig beachtete er mich auch.  In diesem Fall gar nicht.

Also musste ich anders eingreifen:

"HABT IHR DENN JETZT VÖLLIG DEN VERSTAND VERLOREN???!!! "

Als hätten sie mich beide nicht bemerkt, fuhren sie herum und sahen mich entgeistert an. 

"Was zur Hölle macht ihr da ?!"

Erneut griff ich nach Jake, und zog ihn, diesmal mit Erfolg, von Jason runter.

Dieser würdigte mich keines Blickes und verschwand sofort in seinem Zimmer.

Als ich Jason genauer ansah,  wurde mir sofort bewusst, dass die Flasche die auf dem Boden lag,  nicht die einzige war, die er sich heute genehmigt hatte.

Seine Augen waren blutunterlaufen,  er war blass,  sein Blick glasig und seine Fahne, die ihm der Alkohol beschert hatte, roch man auf zwanzig Meter Entfernung.

Wütend und gleichzeitig von seinem Verhalten vollkommen geschockt, sah ich ihn an, ehe ich meinen Gefühlen Luft ließ: "Was zur Hölle ist denn eigentlich los mit dir? Hast du nun völlig den Verstand verloren?"

Doch anstatt mir irgendeine Antwort zu liefern, sah er mich nur emotlionslos und mit blutender Nase an, um dann in seinem Zimmer zu verschwinden.

Kochend vor Wut,  stampfte ich mit meinem rechten Fuß auf den Boden und kam mir dabei so verdammt hilflos vor,  dass sich in meinen Augen Tränen bildeten.

"Scheiße!", fauchte ich und hielt mir eine Hand an meinen schmerzenden Kopf, der noch irgendwie versuchte, das Geschehene zu realisieren.

Was zur Hölle war denn bitte mit meinem Bruder los?

Um mich irgendwie abzulenken, begann ich die Sauerei aufzuräumen. Ich schmiss die Flasche in den Müll und säuberte den Boden.

Und meine Wut wurde auch durch die Tatsache,  dass niemand kam, um mir zu helfen, nicht weniger.

Als ich dann endlich fertig war und die Fenster geöffnet hatte, um den wiederlichen Biergeruch loszuwerden, begab ich mich in mein Zimmer.

Ich zwang mich, mich zu beruhigen, indem ich mich auf mein Bett legte und mich darauf konzentrierte tief ein und aus zu atmen.

Diese Taktik hatte mir Ruby gezeigt, als meine Eltern mich regelmäßig in den Wahnsinn getrieben haben.

Und nach einigen Sekunden ging es mir schon besser.

Sollte ich mit Jason reden? Es musste doch einen Grund für sein widerwärtiges Benehmen geben. 

"Natürlich gibt es einen, du Hohlkopf,  der Tod deiner Eltern ist der Grund.", meldete sich meine innere Stimme.

Und sie hatte Recht.

Jeder löste seine Probleme anders.

Während ich mich mit so vielen Dingen beschäftigte,  nur um nicht über alles nachzudenken,  ertränkte Jason seinen Kummer und Schmerz im Alkohol.

Sollte ich zu ihm gehen und nach ihm sehen?

Wobei bei seinem Alkoholpegel weiß ich nicht,  ob das die beste Idee wäre.
Denn, wie man ja schon gemerkt hatte,  machte der Alkohol ihn unheimlich aggressiv und angriffslustig, sowie skrupellos.

Da es erst Mittag war und ich eigentlich etwas essen sollte,  machte ich mich,  nicht gerade hungrig,  auf den Weg in die Küche.

Nicht wirklich motiviert ging ich die Dinge durch, die ich fähig war zu kochen und entschied mich letztendlich für Schinkennudeln. Denn nachdem ich in den Kühlschrank gesehen hatte, war die Auswahl bei den Gerichten noch weniger geworden, da Einkaufen für Jake und Jason anscheinend ein Fremdwort war.

So brutzelten wenige Minuten später die gekochten Nudeln in einer Pfanne. Nachdem ich auch den Speck dazugegeben hatte und der Meinung war,  dass sie fertig waren, schaufelte ich mir etwas auf einen Teller,  goss mir ein Glas Wasser ein und begab mich zum Sofa in der Mitte des Raumes. Langsam und bedacht nichts zu verschütten, ließ ich mich nieder und schaltete den Fernseher an.

Ich brachte gerade mein Geschirr wieder in die Küche und lud die Spülmaschine ein, als sich eine Tür öffnete.

Ich wusste nicht,  wen ich gerade lieber sehen wollte,  doch insgeheim hoffte ich auf Jake, da er keinen Alkohol im Blut hatte und so vielleicht derjenige war, den man leichter aushalten konnte.

Als ich mich wieder aufrichtete, sah ich, dass es Jake gewesen war, der sein Zimmer verlassen hatte und nun, den Blick auf sein Handy fixiert, auf dem Weg in die Küche war.

Ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen, öffnete er den Kühlschrank und sah der gähnenden Leere entgegen, denn außer ein wenig Käse und etwas Milch war nicht wirklich was drinnen. Etwas an seiner Art sagte mir, dass er mich gesehen hatte und dadurch,  wie er sein Kiefer anspannte und einen düsteren Blick drauf hatte, ließ mich ahnen, dass er sauer war.

Ich beschloss die Stille zu brechen und so vielleicht eine Art Friedensangebot zu stellen, sollte er wirklich sauer auf mich sein.

"I-Ich hab mir vorher Nudeln -ähm- Schinkennudeln gemacht und es ist noch was da -",ich deutete auf die Pfanne, die noch gut gefüllt war, "also wenn - wenn du willst, kannst du dir gerne was nehmen."

Sein Blick schwenkte zu mir um und fiel dann auf die Pfanne.
Dann nickte er und flüsterte: "Danke."

Ich nickte nur und wollte zurück zur Couch gehen, als mich meine Neugier zurückhielt. War er denn jetzt sauer?

"Kann es, ähm, kann es sein, dass du sauer bist?"

Er sah auf und blickte mir mit seinen dunklen Augen geradewegs in meine, worauf ich eine Gänsehaut bekam. Er wirkte bei meiner Frage beinahe überrascht.

"Warum sollte ich sauer auf dich sein?"

Verlegen verlagerte ich mein Gewicht von einem Bein auf das andere und strich mir die Haare hinter die Ohren.

"Naja, keine Ahnung, es wirkt so,  deswegen wollte ich nur wissen, ob es vielleicht an mir liegt, dass du so eine Miene aufgesetzt hast. "

Er schüttelte nur den Kopf und nachdem er ein paar Sekunden nichts gesagt hatte, ging ich davon aus, dass ich keine Antwort mehr bekommen würde und drehte mich wieder weg.

Ich wollte mich gerade wieder auf die Couch setzen, als seine Stimme erklang:

"Es liegt nicht an dir. Es liegt an mir. "

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So ein neues Kapitel :)



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