3. Kapitel

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Die nächsten zwei Stunden schlief ich ohne von Albträumen geplagt zu werden.

Die Nächte zuvor konnte ich nicht gut schlafen. Ständig wiederholte sich die Situation, die mein Leben veränderte. Die Situation, die mich zu dem Wrack gemacht hatte, das ich jetzt war.

Anscheinend war ich so erschöpft, dass mein Körper diese zwei Stunden Schlaf einfach gebraucht hatte.

Das erste, was ich wahrnahm, als ich wieder aufwachte, war der Geruch von Tomatensoße.

Mühsam rappelte ich mich auf und betrachtete mich im Ganzkörperspiegel, der an meinem Schrank angebracht war.

Meine langen dunkelbraunen Haare, die ich vorher zu einem Dutt zusammengebunden hatte, sahen aus, als hätte ein Vogel darin genistet. Mein Gesicht war blass, sodass meine blauen Augen hervorstachen. Zudem zierten dunkle Augenringe mein Gesicht, die ich nicht einmal versucht hatte zu überschminken. Alles was ich an Make-up trug, war Wimperntusche.

Seufzend streckte ich mich einmal, ehe ich mir eine Strickjacke aus meinem Schrank nahm, da ich langsam anfing zu frösteln.

Dann machte ich mich auf den Weg in die Küche.

Ich erwartete, meinen Bruder in der Küche stehen zu sehen, aber dem war nicht so. Jake stand dort mit dem Rücken zu mir.

Ich wollte gerade zurück ins Zimmer gehen, als Jake sich zu mir umdrehte und nach einer Flasche griff, sein Blick fiel auf mich.

Unsicher sah ich ihn an, wusste nicht, ob ich zu ihm gehen, oder mich wieder in mein Zimmer zurückziehen sollte. Er nahm mir die Entscheidung ab, indem er sagte: „Komm hier rüber und mach dich nützlich, bevor du Wurzeln schlägst."

Charmant.

Ich nickte leicht, ehe ich zu Jake lief. „Wie kann ich helfen?" Meine Stimme war heiser und piepsig und innerlich schlug ich mich dafür selbst. „Du kannst den Tisch decken. Teller findest du in dem Schrank. Unten linke Tür. Besteck in der Schublade hier."

Ohne noch ein Wort zu sagen, machte ich mich an die Arbeit. Als ich fertig war, ergriff ich das Wort: „Ich dachte mein Bruder wollte kochen?"

„Ja wollte er eigentlich, aber er meinte, er müsse mal kurz raus an die frische Luft.", antwortete Jake, während mit einem Untersetzer und dem Topf mit der Tomatensoße an den Tisch trat.

Verständnisvoll nickte ich. „Es ist für keinen von uns leicht.", sagte ich, während ich mich an den Tisch setzte. Jake trug gerade noch den Topf mit den Spaghetti herüber, in der anderen Hand hatte er eine Schüssel mit geriebenem Parmesan.

„Wem sagst du das." Verwundert über seine Aussage, sah ich ihn an und wollte gerade nachfragen, als die Wohnungstür aufschwang.

Jason betrat die Wohnung, warf seine Jacke achtlos auf einen Stuhl, während er aus seinen Schuhen schlüpfte. Als er dem Esstisch näher kam, bemerkte ich, wie rot und verquollen seine Augen waren. Er hatte geweint.

„Jason, bist du-", ich wurde unterbrochen. „Jake ist das Essen fertig? Ich hab einen Mordshunger."

Er wollte also überspielen, dass er ebenso unter dem Tod unserer Eltern litt wie ich.

Jake nickte, ehe er sich an den Tisch setzte. Nachdem auch Jason Platz genommen hatte, aßen wir gemeinsam, doch niemand sagte irgendetwas. Mir war die Situation super unangenehm. Also ergriff ich das Wort: „Jake, was machst du eigentlich beruflich?" Überrascht davon, dass die Stille gebrochen wurde, sah Jake von seinem Teller auf. Er fuhr sich einmal durch die Haare, ehe er antwortete: „ Ich studiere Jura. Nebenbei arbeite ich in einer Werkstatt."

Holla die Waldfee. Mit Jura hatte ich ja mal so gar nicht gerechnet. Anscheinend sah man mir die Überraschung an, denn er lachte. „Ja, ich weiß, das ist nicht wirklich das, was man von mir erwartet." Ich schüttelte den Kopf. „Nein wirklich nicht." Ich wandte mich meinem Bruder zu. „Und du? Wie läuft's mit deinem Studium?" Er zuckte nur mit den Schultern. „Läuft."

Der Rest des Essens verlief schweigend. Als wir fertig waren, verschwand mein Bruder ohne ein weiteres Wort in seinem Zimmer. Ich dagegen half Jake, den Tisch abzuräumen. Während wir dies taten, erklärte mir Jake, dass er und Jason sich mit dem kochen, sowie mit dem Wohnung-Sauberhalten abwechselten.Ich erkannte den indirekten Appell, mich nun auch um diese Dinge zu kümmern, weswegen ich nickte. 

Während Jake mir noch ein paar Dinge über die Wohnung erklärte, fiel mir auf, wie distanziert er doch war. Er war immer darauf bedacht, nicht zu viel von sich preiszugeben. Dies erkannte man schon allein an der Art wie er redete. Seine Stimme hatte keinen warmen Klang. Im Gegenteil, er war kühl. Seine Augen verstärkten das Gefühl nur noch. Denn das Braun schien undurchdringbar, hart. Ohne Emotionen.

Eine halbe Stunde später hatte er sich auf die Couch verzogen, während ich mich wieder in meinem Zimmer verkroch. Ich beschloss meinen restlichen Krimskrams auszupacken. So stellte ich meine Bücher ordentlich in mein Regal, legte meinen Laptop auf meinen Schreibtisch, und verstaute auch meine restlichen wenigen Seeligkeiten. Als letztes holte ich noch ein Bild aus meinem Koffer.

Es zeigte meine Eltern, Jason und mich, wie wir zusammen im Urlaub waren. Hinter uns spiegelte sich die Sonne auf dem Meer, und wir strahlten, total verschwitzt, aber glücklich in die Kamera. Kaum zu glauben, dass dieser Moment erst ein Jahr her war.

Sanft stellte ich das Bild neben meinem Bett auf das Nachtkästchen.

Ich warf einen Blick auf die Uhr und bemerkte, dass es mittlerweile schon halb elf war. Also zog ich mir andere Sachen, ein Oversize-T-Shirt und bequeme Shorts, an und beschloss mich bettfertig zu machen. So lief ich also, mit meinem Waschzeug bepackt ins Badezimmer. Während ich durch den großen Mittelraum auf das Badezimmer zulief, bemerkte ich Jakes Blicke, der immer noch auf der Couch saß und Fern sah. Ich versuchte, seine Blicke so gut, wie es eben ging, zu ignorieren, dennoch bemerkte ich, wie sich seine Blicke in meinen Rücken bohrte und mein Kopf heiß wurde. So konnte ich es mir auch nicht nehmen, einen Blick über die Schulter zu werfen, ehe ich das Badezimmer betrat, und sah so geradewegs in Jakes Augen, die mich musternd und zugleich nachdenklich ansahen.

Schnell verschwand ich in dem anderen Raum und verschloss die Tür hinter mir.

Ohne über diesen Moment weiter nachzudenken, machte ich mich daran, meine Abendroutine durchzuführen. So schminkte ich mich ab, wusch mir mein Gesicht, putzte meine Zähne, kämmte meine Haare und flocht sie anschließend ein. Währenddessen scannte ich das Badezimmer ab, das genauso schön, geräumig und modern war, wie die gesamte andere Wohnung. Nachdem ich auch der Toilette Hallo gesagt hatte, machte ich mich wieder auf den Weg in mein Zimmer.

Bevor ich aus dem Badezimmer ging, machte ich wieder auf stechende Blicke von Jake bereit, doch als ich das Wohnzimmer betrat, war er nicht da und der Fernseher war ausgeschaltet.

Als ich wieder in meinem Zimmer war, schaltete ich das Licht aus, steckte mein Handy an ein Ladekabel und legte mich ins Bett.

Beinahe schon ängstlich schloss ich die Augen, denn nun kam die Zeit, vor der ich mich am meisten fürchtete: Die Nacht und mit ihr auch die Albträume.

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Hallo ihr lieben Leser :)

Tut mir leid, dass so lange kein Kapitel mehr kam, aber das hatte sehr viele verschiedene Gründe. Ein großer von diesen war bzw. ist das Abitur. Gott sei dank ist es nach diesem Mittwoch (hoffentlich) rum.

Ich hoffe ihr freut euch über das Kapitel. :)

Kritik, Anmerkungen, sowie Votes und Kommentare sind immer gern gesehen :).

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