11. Kapitel

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Der Moment, während sich der Schlüssel im Loch umdrehte, schien wie in Zeitlupe abzulaufen.

Während ich das Klicken hörte, überlegte sich mein Kopf alle möglichen Szenarien, die gleich passieren könnten.

Jason könnte entweder total besoffen hier ankommen, wie all die Tage zuvor, oder er könnte nüchtern hier erscheinen, was mir persönlich lieber wäre.

Das waren die einzigen Optionen ... wobei ... sollte ich die Drogen ebenfalls in Augenschein nehmen? Ich wollte nicht. Es könnte ja nur ein Ausrutscher gewesen sein. Es MUSSTE ein Ausrutscher gewesen sein, denn ich wüsste nicht, wie ich andernfalls damit umgehen sollte.

Dann schwang die Tür auf und ich war schon froh, als ich sah, dass Jason nicht taumelte. Er lief normal, und als seine Augen dann auf meine trafen, und sie nicht blutunterlaufen oder hasserfüllt waren, stieß ich die Luft, von der ich nicht einmal mitbekommen hatte, dass ich sie angehalten hatte, wieder aus.

Jason stand auf der anderen Seite der Theke und sah mich einfach nur an. Sein Blick war voller Scham und Unsicherheit.

Ich wollte ihm die Unsicherheit nehmen, klar hatte er Fehler gemacht, indem er versucht hatte den Schmerz in Alkohol zu ertränken, oder mit Drogen zu ersticken, und die Person, die dabei entstanden war, war grauenvoll, und genau das würde ich auch nicht mehr so schnell vergessen, aber er war dennoch mein Bruder. Und Fehler waren da, um gemacht zu werden und was für eine Schwester wäre ich, wenn ich ihm nicht verzeihen würde.

Also lief ich um die Theke herum und blieb vor ihm stehen. "Grace, es tut mir so unglaublich leid." Sobald er diesen Satz ausgesprochen hatte, zog ich ihn in meine Arme, woraufhin er die Umarmung sofort erwiderte.

"Ich weiß nicht was mit mir los ist.", sagte er, nachdem ich ihn losgelassen und wir uns zusammen auf die Couch gesetzt hatten. Fragend sah ich ihn an. "Ich habe nicht geweint, seitdem es passiert ist."

Sofort wusste ich, was er mit 'es' meinte. Er fuhr sich durch die Haare. "Ich meine, was ist los mit mir? Warum weine ich nicht?"

Mir tat es weh, ihn so zu sehen. So zerbrochen. "Das kommt noch. Ich konnte anfangs auch nicht weinen. Ich - bzw. Ruby hat mich mit so vielen Dingen versucht abzulenken, doch es klappte nur begrenzt. Irgendwann konnte ich nicht mehr. Mich holte die Realität ein, von der ich geflohen war. Ich habe mir gedacht, ich würde nur träumen, würde jeden Moment aufwachen und alles wäre 'normal' und wie immer, doch so war es nicht - und ich denke, dass das der Grund ist, weshalb du nicht weinst. Sobald du weinst, ist es real."

Während er versuchte meine Worte zu verstehen und auch zu verdauen, machte ich mich daran, die Lasagne aus dem Ofen zu holen. Gottseidank hatte ich die Temperatur vorher wenigstens so weit zurückgedreht, dass sie nicht angebrannt war.

So holte ich diese mit Topfhandschuhen aus dem Ofen und stellte sie auf den Untersetzer auf den Tisch. Jason hatte sich noch nicht bewegt und ich riss ihn regelrecht aus seiner Starre, als ich ihn bat, Jake bitte zum essen zu holen.

Das Essen verlief ziemlich still, hin und wieder ein wenig Smalltalk, doch das Gespräch hielt sich in Grenzen. Keiner schnitt mit einem Wort das Geschehene an, was auch gut so war. Ich wusste, dass ich mit Jason noch über jene Abende reden musste, doch dafür war es zu früh, er musste erst mit sich selbst ins Reine gelangen, ehe wir es schaffen könnten.

So wie die beiden aßen, schien es ihnen zu schmecken, worüber ich mich ziemlich freute. Kochen war früher eine Leidenschaft von mir gewesen und ich hatte schon Angst gehabt, ich hätte es verlernt.

Schon bald war die Auflaufform leer und wir satt.

Während ich abräumte, setzte sich Jake auf die Couch und Jason verkroch sich in seinem Zimmer. Gegen letzteres hatte ich nichts einzuwenden. Lieber war er hier in der Wohnung in seinem Zimmer und ich wusste, wo er war, als dass er sich irgendwo betrank oder sonst etwas konsumierte.

Bald schon war das dreckige Geschirr in der Spülmaschine verräumt und ich war gerade dabei, den Tisch abzuwischen, als es an der Tür klingelte.

Jake stand, ohne, dass ich ihn darum bitten musste, auf und lief zur Tür. Doch als ich hörte, wie er scharf die Luft einzog, sobald er die Tür geöffnet hatte, wusste ich, dass Ärger vorprogrammiert war.


Sternchen und Kommentare sind immer gerne gesehen :) <3

Ich hoffe, ihr hattet einen schönen Tag :)

 

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