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Liebes Tagebuch,
Ich habe gestern bis spät in die Nacht gezeichnet. Ich habe Leya gezeichnet. Ich glaube auch, es ist gar nicht so schlecht geworden. Diesmal habe ich auch Farben benutzt. Sonst zeichne ich ja nur mit Bleistift, aber ich wollte ihre bemerkenswerten Lippen und die Haare nicht grau zeichnen.

Ich habe mich erst nicht wirklich getraut, aber, als wir zusammen auch im Geschichtsunterricht nebeneinander saßen, habe ich uhr das Blatt gezeigt. Leya hat auf ihrem Bleistift gekaut, auf ihrem Heft gekritzelt und alles getan, außer aufpassen. Als sie aber das Bild sah, wurde sie aufmerksam.

"Das ist gut. Aber das bin nicht ich."

Das war das einzige, was sie dazu sagte. Auch, als ich nachgefragt habe, hat sie es nicht erläutert.
Ich habe die ganze Stunde hindurch mich nicht mehr konzentrieren können.
War das Bild so schlecht?
Nach dem Unterricht war Leya auf einmal weg und ich war komischer Weise unglaublich enttäuscht.
Ich habe keine Ahnung, was ich erwartet habe.
Dass wir beste Freundinnen sind?
Dass sie mir jetzt auf Schritt und Tritt folgt?
Dass ich von nun an nicht mehr alleine bin?

Ein schöner Traum, aber vielleicht etwas zu unrealistisch. Klar, gestern kannte Leya noch niemanden. Aber sie ist schön und selbstbewusst. Sie kann etwas mit jedem machen. Also wieso mit mir, der langweiligen, hässlichen Außenseiterin?
Ich habe so viel darüber nachgedacht, dass ich mich während des Algebratest nicht konzentrieren konnte. Ich habe dafür schon nicht gelernt, weil ich für Leya zeichnen wollte und während des Test habe ich nur die ganze Zeit aus dem Fenster gestarrt. Ich bin es leid. Leya hat mich verwirrt. Ich dachte, ich hätte vielleicht endlich eine Freundin. Aber sie hat sich nicht mehr blicken lassen. Verständlich flüstert diese fiese Stimme in meinem Kopf. Immer und immer wieder.
Ich habe sie nur in der Pause nur ganz kurz gesehen, da stand sie neben zwei Jungen aus den oberen Klassen und hat mit ihnen gelacht.
Ich habe mich nicht getraut, zu ihnen zu gehen. Es waren nämlich dieselben Typen, die mich vor einer Woche gegen meinen Spind geschubst und meine Bücher geklaut haben. Sie würden mich auslachen. Leya wahrscheinlich auch.

Ich glaube, ich hätte sie nicht zeichnen dürfen.

Live Like LeyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt