A

136 21 2
                                    

Für eine Stunde saßen wir dann einfach nur da und haben gar nichts gemacht.
Weder geraucht, noch getrunken.
Weder geredet, noch gelacht.
Einfach nur in das Wasser gesehen und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Dann hat Leya wieder ihre Spritzen rausgeholt und mir etwas erzählt, was mich wirklich geschockt hat.
Seit sie hier an der Brücke schläft, spritzt sie sich jeden Abend eine Spritze, um einzuschlafen, nicht so zu frieren und... sich nicht mehr so einsam zu fühlen.
Leya und einsam.
Das sind zwei Gegensätze, die einfach nicht funktionieren.
Wie Feuer und Wasser.
Wie Freude und Trauer.
Wie Tag und Nacht.
Leya ist einsam.
Als ich das begriffen habe, war ich besonders froh, bei ihr zu sein.
Denn jetzt ist keiner von uns mehr einsam.
Wir sind füreinander da und fressen zusammen.
Wir sind gemeinsam besonders.
Als ich Leya das gesagt habe, hat sie ganz leicht gelächelt und einen Arn um mich gelegt.
Dann hat sie mir die Spritze gegeben.
Ich habe gedacht, das wird jetzt total weh tun, wie in Filmen oder so. Wo sich die Menschen, die das zum aller ersten Mal machen, immer mit verbissenem Gesicht den Arm halten und dann so tun, als hätten sie soeben die größte Tat ihres Lebens getan.
Die Spritze hat nicht mehr wehgetan als eine Impfung.
Ich habe es kaum gespürt und mich einfach nur darauf vorbereitet, dass ich sofort irgendetwas anderes spüre. Soetwas wie einen Rausch oder so. Aber bis jetzt ist das alles ausgeblieben, was mich ehrlich gesagt wundert und ein bisschen beuruhigt.
Aber es kann nichts gefährliches gewesen sein, denn Leya hat es mir ja gegeben.
Leya lügt mich nicht an.
Leya macht alles, um mir zu helfen.
Leya würde mir niemals schaden.
Leya vertraue ich bedingungslos.
Irgendwie fühle ich mich seltsam.
Aber das kann nicht an der Spritze liegen, oder
NEIN!
Ich bin viel zu misstrauisch. Ich sollte Leya danken, nachdem sie so viel für mich getan hat. Wenn sie wüsste, dass ich auch nur eine Sekunde gedacht habe, sie könnte mir etwas getan haben. Ich bin so undankbar.
Sie sieht so friedlich aus, wie sie jetzt gerade neben mir sitzt und ihre Beine baumeln lässt.
Ihr seidenschwarzes Haar weht im Wind.
Ihre porzellanweiße Haut wirkt in dem Licht gespenstisch weiß und so zerbrechlich wie noch nie.
Ihre eigentlich blutroten Lippen sind durch die Dunkelheit nur noch dunkle Schatten.
Vor ungefähr zwei Wochen habe ich sie schon einmal angeguckt und gedacht, dass ich dem schönsten Menschen der Welt gegenüber bin.
Meine Meinung hat sich nicht geändert.
Leya ist so schön.
Leya ist so nett.
Leya ist so selbstbewusst.
Leya ist so eigenständig.
Leya ist so... ja, ich habe es oft gesagt, aber ich kann es nur immer und immer wieder aufschreiben, weil es einfach die Wahrheit ist.

Leya ist perfekt.

Nur eine Sache hat sich geändert: Vor zwei Wochen wollte ich so sein wie Leya.
Jetzt bin ich so wie sie. Nicht so perfekt und unfehlbar, aber Leya hat mir gezeigt, was es heißt, zu leben.

Langsam wird mir aber wirklich unwohl.
Mein Hals kratzt und ich habe Kopf- und Bauchschmerzen.
Außerdem ist mir übel.
Mein ganzer Körper rebelliert, als würde er etwas loswerde wollen, was nicht zu ihm gehört.
Ich habe Tränen in den Augen. Mist. Siehst du diesen nassen Fleck? Das ist eine meiner Tränen. Ich muss sie schnell wegwischen, damit Leya nichts merkt.
Sonst denkt sie noch, ich wäre schwach.
Ich will schreien, die schmerzen sind so unerträglich. Aber ich bleibe beherscht. Ich schreibe einfach weiter, dann fällt das gar nicht auf. Leya ist bei mir.
Mir kann nichts passieren.
Sie ist da.
Leya ist für mich da.
Ich brauche keine Angst zu haben, die Schmerzen gehen gleich wieder weg. Verdammt, mir ist so schlecht. Und ich merke, dass ich trotz der Kälte anfange zu schwitzen. Und zittern tu ich auch viel stärker.
Ich. Brauche. Keine. Angst. Zu. Haben.
Leya. Ist. Für. Mich. Da.
Aber Tagebuch?

Ich habe Angst...

Live Like LeyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt