Liebes Tagebuch,
Ich bin verwirrt. Mal wieder. Ich habe das Gefühl, dass diese Satz in den letzten zwei Tagen, die sich nebenbei bemerkt wie Wochen angefühlt haben, viel zu oft benutzt habe.
Leya war gestern gar nicht in der Schule. Ich habe den ganzen Tag über gezeichnet. Fünfzig Skizzen. Allesamt von Leya. Keine sah so aus, wie sie. Ihre eisblauen, klaren Augen sind so schwer in ihrem Zauber aufs Papier zu bringen. Aber ich meistens nicht einmal zu den Details gekommen. Irgendetwas hat nie gepasst und ich bin mit einem dumpfen Gefühl und keiner auch nur annähernd verwertbaren Skizze um halb drei zu Bett gegangen. Für Tagebuch war da keine Zeit.Aber heute habe ich Zeit.
Heute habe ich viel zu erzählen.
Heute war Leya in der Schule.Sie war wie ausgewechselt und benahm sich, wie am ersten Tag. Sie war unfassbar nett und wich mir nicht von der Seite. Natürlich hat sie auch mit ein paar Jungs geflirtet. Aber Leya darf das, denn Leya ist nett.
Leya darf alles, denn Leya ist perfekt.
Zu perfekt. Viel zu perfekt für jemanden wie mich.
Ich habe sie heute danach gefragt. Wieso sie wieder so viel mit mir macht, obwohl sie dich auch mit den anderen coolen Jungs etwas machen könnte. Leya hat gelacht. So lange, dass ich Angst hatte, etwas falsch gemacht zu haben. Aber sie hat nur kichernd den Kopf geschüttelt und meinte: "Klar, die anderen sind vielleicht beliebt und sehen gut aus, sber sie sind doch bloß langweilige Hüllen, mit denen man nicht reden kann. Sie alle sind gleich. Jungs, die was von dir wollen, stimmen dir bei allem zu und nicken nur wie armselige, ergebene Hündchen. Mädchen, die neidisch sind, widersprechen dir. Allein schon aus Prinzip. Das ist langweilig und wenn du mich fragst, noch armseliger. Mit solchen Menschen kann ich mal feiern gehen, aber niemals befreundet sein. Du hingegen bist auch jemand, mit dem man reden kann. Wenn dir etwas nicht gefällt, würdest du darüber nit mir reden." Dann hatte sie mich ganz eindringlich angeguckt und für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, ihre eisingen Augen würden die meinen durchbohren, bis in meine hintersten Gedanken.
"Du würdest doch mit mir reden, oder?", hatte sie gefragt.
Ich hab natürlich schnell 'Ja' gesagt, obwohl ich mir im Nachhinein nicht sicher bin, ob das auch der Wahrheit entspricht. Immerhin schüchtert mich Leya ein.
Könnte ich ihr wiedersprechen?
Könnte ich mich bei ihr beschweren?
Mich vielleicht sogar mit ihr... streiten?
Undenkbar. Ich glaube, dafür bin ich zu schwach. Oder Leya ist zu stark.
Trotzdem hat es sich gut angefühlt, dass sie so von mir denkt.Leya hat mich heute aber noch etwas gefragt. Und ich bereue es jetzt bereits, auch diese Frage bejaht zu haben.
Sie hat mich zu einer Party eingeladen. Ich glaube, sie ist von Steve, der eine von den beiden Jungen, mit denen sie geredet hatte. Der eine, der mich, wie alle anderen, runter gemacht hatte.
Würden sie das auch auf der Party tun? Auch in Leyas Anwesenheit? Ich habe Angst. Je mehr ich darüber nachdenke, desto absurder erscheint die Idee. ICH auf einer Party. ICH mit den ganzen coolen Menschen. ICH zwischen all denen, die mich nicht ausstehen können.Ich glaube, ich kann da nicht hingehen.
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Live Like Leya
Short StoryIch weiß, du würdest verstehen, dass ich es tun musste. In ewiger Liebe, Leya