Es fällt mir ein wenig schwer, nicht mehr "Liebes Tagebuch" zu schreiben.
Aber ich halte das schon durch. Immerhin ist das echt kindisch. Schon in der zweiten Klasse habe ich angefangen, Tagebuch zu schreiben, um die wundersamen Begebenheiten im Leben festzuhalten.Und die wundersamen Menschen.
Leya.
Sie hat mir heute den Jungen nocheinmal richtig vorgestellt. Den, den ich auf der Party geküsst habe. Mir war das so unheimlich peinlich, aber er hat mich total nett angelächelt und hat mir sogar gesagt, dass wir uns wieder treffen sollten. Ich war überwältigt.
Ein Junge will mich treffen.
Ein Junge will mich nie treffen.
Ein Junge wollte mich nie treffen.Mit war richtig schlecht von der Zigarette.
Trotzdem habe ich heute wieder daran gezogen und zwar nicht nur einmal, sondern so lange, bis ich husten musste und mein Hals brannte wie Feuer.
Leya schien das sehr witzig zu finden, denn sie hat sich kaum noch eingekriegt.
Es freut mich, wenn Leya sich freut.
Ihr Lächeln ist so ansteckend.Apropos Leya, die momentan scheinbar jetzt jeden Tag mein Hauptthema ist. Kein Wunder, immerhin prägt sie mein Leben, wie kein anderer.
Auf die Frage, die ich ihr eigentlich ständig stelle ("Wie schaffst du es nur so sorglos, humorvoll und so unbekümmert zu leben?") hatte sie jedes Mal einfach mit einem leisen, ganz unbekümmerten Lachen geantwortet.
Mit diesem Lachen, was ich auch so gerne hätte. Weil es so sorglos klingt. So voller echter Lebenslust und einfach so unglaublich perfekt.Doch dieses Mal hatte ich zum ersten Mal eine echte, ernste Antwort bekommen.
"Weißt du, Meryl, wir leben in einer grausamen Welt. Man muss sich das nehmen, was man will. So schnell es geht, denn sonst nimmt es jemand anderes. Die Menschen sind gierig und geizig. Sie wollen das haben, was du hast, du kannst sie nicht zufrieden stellen, denn sie wollen immer und immer mehr."
Genauso hatte sie es gesagt. Ich erinnere mich noch an jedes einzelne Wort. Ich habe das, was sie gesagt hat, aufgesogen, wie Luft zum Atmen. Als sie dann eine kurze Pause machte, sah sie mich erst verschwörerisch an, ehe sie etwas langsamer und mit leichter Ehrfurcht fortfuhr:
"Daher habe ich mich dazu entschlossen, einen Dreck auf die Meinung anderer zu geben. Ich will mein Leben genießen und dass auch, ohne jegliche Rücksicht auf andere zu nehmen. Ich mache, was ich will und wann ich es will und ob es mir oder anderen schadet, interessiert mich nicht. Du bist nähmlich der einzige, der in deinem Leben wirklich zählt. Du lebst doch für dich. Denn nur so kannst du überleben, Meryl. Sei nicht das Fressen. Sei der, der frisst."Dann waren wir ganz lange schweigsam. Ich glaube, wir beide mussten das Gesagte erstmal verarbeiten.
Wir schwiegen weiter, bis Leya irgendwann eine große Flasche Vodka hervorholte und einfach so in großen Zügen daraus trank. Ich trank auch ein wenig, aber bekam die brennende Flüssigkeit kaum runter.
Dann holte sie eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Tasche heraus und wir saßen einfach weiter schweigend da und rauchten und tranken.
Bis ich irgendwann losmusste. Ich stand schweigend auf, als ich ihre klare Stimme nocheinmal hörte."Die Welt ist böse, denk daran, Meryl."

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Live Like Leya
Short StoryIch weiß, du würdest verstehen, dass ich es tun musste. In ewiger Liebe, Leya