Leya ist nicht nach Hause gegangen. Nach der Zigarette folgte ein Wiskey.
Nach dem Wiskey folgte ein Joint.
Nach dem Joint folgt eine Spritze.
Zwei Spritzen, um genau zu sein. Wir haben sie uns aber noch nicht gespritz, denn ich habe Leya vorher gefragt, ob ich bei ihr bleiben kann und mit zu ihr nach Hause gehen kann.
Und Leya hat mir verraten, dass sie kein zu Hause hat. Offiziell ist sie im städtischen Kinderheim angemeldet, aber sie meint, die sind genauso wie Tierschützer und Mütter. Außen der hilfsbereite Schein, aber keine wahre Liebe oder Gutherzigkeit. Denen wäre es egal, ob sie da ist oder nicht, da sie egoistisch sind. Sie hat immer gewartet, bis ich am Abend weg war. Dann hat sie sich zusammengerollt und ist eingeschlafen, hier auf der Brücke.
Dass meine Mutter wirklich so ist, wie die Leute aus dem Kinderheim, kann ich immernoch kaum glauben. Sie sagt immer, dass sie mich nur schützen will und dass sie Angst hat alleine zu sein, weil sie meinen Vater ja schon nicht mehr hat. Dieser Satz tut jedes Mal so unglaublich weh, aber ist nicht gerade das wirklich Egoismus? Meine Mutter hält mich bei sich, weil sie ohne mich nicht leben will. Weil es ihr sonst schlecht geht. Das ist Egoismus, das hat Leya mir ja erklärt. Und Leya hat Recht. Das weiß ich doch. Das hat sie doch immer.
Nach diesem Grübeln bin ich mir sicher, dass ich nicht mehr bei meiner Mutter leben will, denn wie Leya mal gesagt hat, muss ich an mich denken. Ich bin was besonderes.
Meine Interessen stehen im Vordergrund.
Live Like Leya.
Das hat Leya mir beigebracht.
Ich muss zu denen gehören, die fressen und wenn meine Mutter die ist, die ich fressen muss, ist das so. Das ist mein Preis, um nicht selbst gefressen zu werden.
Wenn ich gehe, kann ich wirklich leben und mich entfalten.
Wenn ich ihr wehtue, tue ich mir damit etwas Gutes.
Ich habe Leya das erzählt und sie hat gelächelt."Jetzt hast du es wirklich verstanden, Meryl. Das Leben ist ein ewiges Geben und Nehmen. Aber die Klugen lassen sich geben und nehmen wo sie können."
Dann hat sie geschwiegen und ich habe auch geschwiegen. Ich habe auf eine leere Seite meines Tagebuchs wieder versucht, Leya zu zeichnen und auch, wenn es nur eine Skizze ist, glaube ich, dass ich sie dieses Mal wirklich getroffen habe.
Auf der Zeichnung sieht man nicht nur ihr äußerliches Erscheinungsbild, sondern auch ihren Charakter oder viel mehr das, was sie mir davon zeigt.
Ihren Stolz, ihre Intelligenz, ihren Mut, ihre Freiheit, ihr Eigensinn und vorallem ihr ganz besonderer Blick, aus ihren stechenden Augen, der Menschen so gut beeinflussen und vielleicht sogar manipulieren kann.
Ich glaube, morgen früh werde ich ihr die Zeichnung zeigen. Wenn ich mich traue.Wir gehen jetzt noch nicht schlafen.
Es ist kalt und Leya hat keine Drogen mehr, außer den Spritzen. Während ich schreibe, hat sie die Augen geschlossen und sieht beinahe so aus, als würde sie im Sitzen schlafen.
Aber ich habe das Gefühl, dieser Abend wird lang.Und ich habe Angst, dass irgendwann wieder Morgen ist.
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Live Like Leya
Short StoryIch weiß, du würdest verstehen, dass ich es tun musste. In ewiger Liebe, Leya