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Die Angst hielt sie gefangen, ihr Kopf befand sich in einer Schlinge, die sie jederzeit ersticken konnte. Die Tatsache, das sie in nicht allzu ferner Zeit umgebracht werden würde, bereitete ihr Bauchschmerzen und das Gefühl von Kälte und Verzweiflung. Sie konnte nichts tun, gar nichts, musste dem sicheren Tod entgegensehen! Ihr Atem ging schnell und sie konnte sehen, wie er sich in der Luft verteilte und langsam unsichtbar wurde.

Hermine hatte beide Arme fest um den Körper geschlungen und die Knie zu sich herangezogen, um sich zumindest ein wenig aufzuwärmen. Sie drehte den Kopf in Dracos Richtung, der an der gegenüberliegenden Wand lehnte, die Beine eingezogen, die Hände auf den Oberschenkeln plaziert und nachdenklich zu Boden starrte.

„Wie lange bist du schon hier?", unterbrach ihre zittrige Stimme die Stille. Er sah auf: „Seit ein paar Stunden. Ich hab den Mann nur einmal gesehen, als er dich hergebracht hat." Um nicht wieder die allumfassende Stille zurück kehren zu lassen, fragte sie weiter: „Wie hat er dich überwältigt?"

„Mit einem Schlag auf den Hinterkopf. Und dich?"

„Gewürgt", gab sie nur zurück. „Mich würde es wirklich interessieren, wer hinter dieser Maske steckt. Und warum er uns entführt hat, was seine Motive sind. Mir erschließt sich nichts!", nahm sie verzweifelt den Faden wieder auf. So sehr sie auch überlegte, sie kam auf keinen Grund. Ein trockenes Schnauben, gefolgt von Dracos Stimme, erklang: „Glaub mir, das frage ich mich auch. Und so schwer ich es auch zugeben will, außer Lösegeld fällt mir nichts ein."

„Nun", begann sie mit ihrer Antwort, „natürlich könnte er auf Geld aus sein, doch das wäre immer noch unlogisch: Du bist ein Reinblüter, also kann niemand aus dem Todesserkreis oder den Reinblütigen wollen, dass du entführt wirst." Er nickte zähneknirschend und Hermine sah ihm an, dass sie mit dem Thema Todesser einen wunden Punkt getroffen hatte. Doch ohne näher darauf einzugehen, fuhr sie fort: „Andererseits kann auch niemand von Harrys Seite mich entführt haben. Das passt einfach nicht zusammen! Entweder muss es einen Verräter zwischen uns geben oder einen Außenstehenden."

Sogleich folgte seine bittere Erwiderung: „Granger, du redest von verschiedenen Seiten wie im Krieg. Doch der ist vorbei! Der dunkle Lord ist tot, es gibt keine Seiten mehr, kein gut und böse!" Hermine biss sich auf die Lippe. Nunja, das stimmte wohl, doch sie hatte gedacht, dass Draco als ehemaliger Todesser noch immer diese Ansicht hatte. Doch einen guten Grund hatte sie, um ihm zu wiedersprechen: „Bist du wirklich so töricht? Nur weil Voldemort tot ist, bedeutet das noch lange nicht, dass es keine Anhänger mehr von ihm gibt! Gewiss, die meisten sitzen in Askaban, doch auch die werden bestimmt einen Weg finden, jenes zu verlassen. Lass mich ausreden", fügte sie hinzu und hob eine Hand, als Draco den Mund öffnete, um etwas zu erwiedern.

"Und selbst wenn das Gut-und-Böse-Schema nicht mehr so stark ausgeprägt ist, gibt es immer noch den Reinblut-Wahn. Du bist ein Reinblut aus einer angesehenen Familie und ich eine Muggelstämmige. Unterschiedlicher könnten wir nicht sein, entweder ein Verräter oder Aussenstehender muss uns entführt haben."

„Oder ein Muggel", äußerte sich Draco. „Stimmt. Das wäre logisch, er hat dich geschlagen und mich gewürgt, statt uns einfach mit einem einfachen Fluch zu schocken. Aber was würde ein Muggel für Gründe haben, uns zu entführen?" Draco verdrehte die Augen: „Granger, du hinterfragst zu viel." „Es tut mir Leid, dass ich mir Gedanken über die Motive unseren gemeinsamen Entführers mache, es könnte uns ja hier herausholen!", fauchte sie ihn zornig an.

Warum konnte er nicht nur einmal ein ganz normaler Mensch sein, mit dem sie eine ebenso normale Unterhaltung führen konnte? Warum musste er sie bei jeder Kleinigkeit beleidigen und verspotten? Der Krieg war vorbei, warum also behandelte er sie immer noch wie zu Schulzeiten? Und noch viel wichtiger war: Warum sah er nicht ein, dass sie es leichter hatten, einen Weg hier heraus zu finden, wenn sie die Bewegründe dieser Straftat kannten?

Draco seufzte nur genervt und gab keine Antwort, während Hermine weiter über die Beweggründe ihres Peinigers sinnierte. Wieder ergriff die Angst sie, welche zuvor Zorn platzgemacht hatte. Doch umso mehr sie im Gedanken nachforschte und Verdachte aufstellte, umso komplizierter und schwieriger wurde es. Sie, Hermine Granger und er, Draco Malfoy, waren zu unterschiedlich, als dass sie gemeinsam entführt worden wären. Es ergab keinen Sinn.

Draco hingegen war genervt. Hermine hinterfragte und analysierte zu viel, viel zu viel. Kein Wunder, dass sie in Hogwarts außerhalb ihres Hauses und dem Lehrkreis nicht viele Freunde gehabt hatte. Mit ihrer Intelligenz, die sie ihrer Meinung nach über alle anderen stellte, wirkte sie arrogant und engstirnig. Und mit ihrer besserwisserischen Art war sie nervig und unausstehlich. Das Schicksal musste es nicht gut mit ihm meinen, dass er gemeinsam mit ihr einem Verbrechen zum Opfer fiel.

Innerlich jedoch war er angewiedert über sich selbst: Er dachte über Hermines unerträgliche Art nach, statt sich mit dem Fluchtweg zu befassen. Doch es gab keinen, überhaupt keinen. Das einzige, was er tun könnte, war, den Entführer zu überwältigen, wenn er herunterkam. Doch darüber musste er nicht nachdenken, musste es nicht planen. Er war stark, er würde es versuchen.

Dracos Unterbewusstsein schüttelte den Kopf unglücklich über ihn: Hermine hatte Recht gehabt, dass sie sich mit den Motiven ihres Peinigers beschäftigte. Ein kurzer Blick auf sie zeigte ihm, dass sie angestrengt nachdachte, er konnte förmlich das Rattern der imaginären Zahnräder in ihrem Kopf hören.

Leise seufzte er, lehnte den Kopf an die Wand und schloss die Augen. Ihm war kalt, er zitterte und sein Magen knurrte. Die Schmerzen in seinem Arm hatten aufgehört und er atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen. Alles würde gut werden, redete er sich selbst ein, alles würde gut werden. Auch wenn er selbst nicht daran glaubte.

oOoOoOo

Er öffnet die Tür des kleinen Schranks aus dunklem Holz und holt dessen Inhalt heraus, den er auf einem Tisch an der Wand legt. Durch das Sonnenlicht, das durch die Fenster fällt, funkeln die vielen Messer und Dolche. Einige sind kurz, einige lang, manche gerade und manche gebogen, ihre gefährlichen Klingen sind silbern und die Griffe mit den verschiedensten Mustern verziert. Doch so unterschiedlich sie auch sind, sie haben eines gemeinsam:

Sie sind alllesamt scharf, zum Töten gemacht.

Er sieht sich im Zimmer um: Schwere dunkelrote Vorhänge sind zu beiden Seiten der Fenster angebracht, an den schwarzen Wänden sind Schränke und Regale angebracht. Der Fußboden besteht aus kaltem grauen Beton und an den Wänden stehen vereinzelt kleine Tische, die mit blutroten Decken überhängt sind. Von der Decke baumelt eine einzige nackte Glühbirne, die den großen Raum in fahles Licht taucht.

Gierig reibt er sich die Hände. Dies ist sein Spielzimmer, hier kann er tun, was er will.

Und er würde es benutzen.

Bald.

Tortured [Abgebrochen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt