Auf kleinen Füßen tapste ich über den nackten Steinboden, welcher sich unheimlich kalt unter meinen Sohlen anfühlte. Ein Kichern entschlüpfte mir, als eine Katze ihr Köpfchen an meinen nackten Beinen rieb. Mit speckigen Kinderfingern streichelte ich ihr feuerrotes Fell, bis sie zu schnurren anfing. „Komm", forderte ich sie auf und rannte nach draußen zu einem Teich. Mit gemächlichem Abstand folgte sie mir, doch das störte mich nicht.
Der Teich lag dunkel vor mir, tief und geheimnisvoll. Eifrig begann ich, kleine Bötchen aus Stöcken und Blättern zu bauen, ließ sie schwimmen und baute neue, wenn sie untergingen. Näherkommendes Hufgetrappel schreckte mich auf und ich erkannte einen Mann, der auf einem schwarzen Pferd angeritten kam. Elegant stieg er vor dem Haus ab und klopfte sich seine Hose ab. Er erblickte mich, als ich mich gerade verstecken wollte, und kam näher. Unsicher stellte ich mich auf und nahm dann die Katze schützend auf den Arm.
Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht, als er in die Hocke ging, sodass ich in seine grauen Augen blicken konnte. „Hallo, meine Hübsche", begrüßte er mich mit tiefer, samtener Stimme und beobachtete meine Reaktion.
„Mama sagt ich soll mit keinen Fremden reden", wehrte ich ihn ab und trat einen Schritt weg von ihm, die Katze nun stärker an mich drückend.
„Ich bin aber kein Fremder", wendete er ein und kam wieder näher. „Ich bin ein Freund deiner Eltern."
Misstrauisch sah ich ihn an.
„Was machst du denn alleine hier draußen?", fragte er mich und streckte die Hand aus, um der Katze über den Kopf zu streichen, doch sie begann sich in meinen Armen zu winden, sodass ich sie loslassen musste.
„Ich baue Bötchen", ließ ich ihn wissen und verschränkte trotzig die Ärmchen vor der Brust. „Aber sie gehen jedes Mal unter", fügte ich betrübt hinzu.
„Soll ich dir eines bauen, welches nicht untergehen wird?", bot er mir an und ich nickte zögernd. Zusammen begannen wir, nach geeigneten Zweigen und Ästen zu suchen, bevor er schließlich begann, sie zusammenzubauen.
„Hier." Er gab es mir schließlich und ich betrachtete es neugierig. Was war an diesem so anders als an meinen? „Das Wichtige ist, dass es aus einem stabilen Material ist, welches kein Wasser durchlässt, dann schwimmt es auch an der Oberfläche, ohne unterzugehen."
„Danke", bedankte ich mich artig und setzte es vorsichtig aufs Wasser, auf dem langsam dahinglitt.
„Früher hat mein Vater das auch mit mir gemacht und ich habe dies auch mit meinen Kindern gemacht. Vielleicht lernt ihr euch mal kennen." Er stand auf und überragte mich nun wieder, sodass ich den Kopf wieder in den Nacken legen musste, um ihn ins Gesicht blicken zu können. „Es freut mich, dich kennengelernt zu haben, Jade", verabschiedete er sich von mir, bevor er zurück zu seinem Pferd ging, aufstieg und davonritt.
Grelle Sonnenstrahlen rissen mich aus meinem Traum. Verärgert drehte ich mich auf die andere Seite, doch in meinen Kopf schwirrten bereits unbeantwortete Fragen, die mich nicht mehr ruhen ließen. Was bedeuteten diese immer vermehrt auftretenden Träume? Oder waren dies gar Erinnerungen? Ich hatte weder die Frau, die aussah wie ich, wiedererkannt noch den Mann mit den markanten grauen Augen. Was wollte mein Innerstes mir nur mitteilen?
Immer noch ohne Antworten läutete ich die kleine Glocke. Youra half mir, mich anzukleiden, und wir frühstückten gemeinsam. Ich gewöhnte mich besorgniserregend schnell an dieses Leben, mitsamt seinen Freiheiten. Könnte ich, nachdem ich einmal das wahre Leben gekostet hatte, zurück in mein altes trostloses Leben zurückkehren? Ich wollte weder den Luxus, mir meine Mahlzeiten selber aussuchen zu können, missen noch die erfrischende Gesellschaft von Youra. Ähnlich wie ich las sie gerne und viel, sodass wir immer schnell ein Thema fanden, über das wir uns austauschen konnten. Es gefiel mir, frei sprechen zu können, ohne unter dem ständigen Zwang der Höflichkeitsfloskeln zu stehen. Ich musste mich weder verstellen noch meine Meinung verstecken. Es schien als würden diese wenigen Tage, außerhalb der Aufsicht meines Elternhauses, mir mehr Freude bereiten als mein gesamtes Leben zuvor dies je getan hatte.

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Perfect Perfection
RomanceJahr 330 seit der Gründung Senecas: Die gesamte Welt ist bereits erforscht, allein das Reich Seneca ist seit der Krönung König Abilions noch immer von der Außenwelt abgeschnitten. Zwar entwickelt sich das Land weiter, doch die neuen Errungenschaften...
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