Tiefblaue Augen beobachteten mich stetig und zogen mich unwillkürlich in ihren Bann. Ihnen schien nichts zu entgehen, jede noch so kleine Bewegung meinerseits saugten sie gierig in sich auf. Die Pupillen weiteten sich, füllte die Iris fast gänzlich aus, sodass nur noch endloses Schwarz zu erkennen war. In ihnen lag so viel, was ich nicht zu deuten vermochte, nicht einmal ansatzweise vermuten konnte. Sie betrachteten mich mit so einer schamlosen unverhohlenen Neugier, dass sich eine zarte Gänsehaut auf meinen nackten, zur Schau gestellten Armen ausbreitete. Überrascht registrierte ich die Reaktion meines Körpers, der nicht mehr auf mich zu hören schien.
Unter dem aufmerksamen Augenpaar begann ich mich entblößt und ungeschützt zu fühlen, verletzlich, als ob eine einzelne Geste seinerseits mich bereits zerbrechen lassen könnte. Hilfesuchend schlang ich meine Arme um meinen Körper und schaffte es so, mir etwas von meiner ursprünglichen Kraft zurückzugeben.
Um die blauen Augen herum bildete sich langsam ein Gesicht. Jede Sekunde die mehr entblößte ließ mich unruhiger werden. Voller Unwohlsein erkannte ich den Mann, zu dem ich so unfreundlich gewesen war. Sein zuvor noch dümmlicher Blick war einer Maske der Trauer gewichen und nun war ich meinerseits an der Reihe, ihn neugierig zu mustern, was er ohne sichtbare Regung über sich ergehen ließ. Wir hatten innerhalb weniger Sekunden die Rollen getauscht, was mich dazu brachte, näher an ihn heranzutreten. Seine Erscheinung faszinierte mich ungemein, sodass ich nicht an mich halten konnte und ihn weiter ansah. Ich konnte es mir selber nicht erklären und dies ließ meine Neugier auf ihn nur noch mehr ins Unendliche wachsen. Ohne mich aus den Augen zu lassen, kam er mir immer näher, bis wir schließlich voreinander standen und ich direkt in seine von einem goldenen Reif umrandete Iris blicken konnte. Mir stockte der Atem, als goldene Funken in seinen Augen zu tanzen begannen und drohten, aus ihrem Gefängnis auszubrechen. Ein Tropfen flüssiges Gold entkam seinen Augen und rann seine Wange hinab, bis er schließlich auf mir landete. Ich wollte zurückzucken, Abstand von ihm nehmen, doch es war mir unmöglich. Mein Körper war wie erstarrt, doch keine Panik überkam mich. Stattdessen erfüllte mich eine alles übermannende innere Ruhe.
„Wer bist du?", flüsterte ich in die Stille und meine Stimme hallte von den Wänden wider, wieder und wieder...
Genüsslich räkelte ich meinen mit der Decke verschlungenen Körper und mir entwich ein Gähnen, welches nicht als damenhaft bezeichnet werden konnte. Noch benommen vom Schlaf setzte ich mich auf und sah mich um. Es schien, als konnte mein Verstand nicht begreifen, dass dies alles wirklich passiert war.
Ein schmaler Sonnenstrahl fiel auf mein Gesicht und ich blickte mit halb geschlossenen Lidern nach draußen. Ich fühlte mich seltsam ausgeschlafen und frisch, als ob ich eine gesamte Nacht geruht hätte, doch ein Blick auf die goldene Uhr über der Tür verriet mir, dass es erst kurz vor 12 Uhr mittags war und somit der Tag noch vor mir lag. Verloren irrte mein Blick durchs Zimmer und blieb schließlich an dem kleinen Tischchen neben meinem Bett hängen. Auf dem weißen Holz lag eine schwarze Ledermappe, auf der mein Name in goldenen, ineinander verschlungenen Buchstaben geschrieben stand. Ich konnte meine ausgeprägte Neugierde nicht zügeln und fuhr über das zarte, hochwertige Leder, welches sich angenehm weich und kühl unter meinen Fingern anfühlte. Zögernd öffnete ich sie und mir fiel eine rechteckige, in Goldpapier eingewickelte dünne Platte entgegen, welche ich gerade noch auffangen konnte, bevor sie auf den Boden fiel. Vorsichtig begann ich, das empfindliche Papier zu öffnen, und vor meinen Augen erschien eine glatte dunkle braune Fläche, die meinen Atem zum Stocken brachte. Unwillkürlich roch ich daran, um mir wirklich sicher zu sein, und mir stieg der edle Geruch in die Nase, vermischt mit einem Hauch Kirsche. Ich konnte kaum glauben, dass ich tatsächlich so einen teuren Schatz in den Händen halten durfte. Wie gerne hätte ich ein Stück davon probiert, doch meine Vernunft siegte und ich packte die Kostbarkeit sorgfältig wieder in das goldene Papier. So eine seltene Delikatesse durfte man nicht für selbstverständlich nehmen und erst recht nicht ohne besonderen Grund zu sich nehmen.

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Perfect Perfection
RomanceJahr 330 seit der Gründung Senecas: Die gesamte Welt ist bereits erforscht, allein das Reich Seneca ist seit der Krönung König Abilions noch immer von der Außenwelt abgeschnitten. Zwar entwickelt sich das Land weiter, doch die neuen Errungenschaften...
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