Kapitel 6

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Nachdem ich lange vor meinem Schrank gestanden und meine Klamotten betrachtet hatte, entschied ich mich für eine blaue Boyfriend-Jeans und ein khakigrünes T-Shirt. Als Emily, mit noch nassen Haaren, aus dem Bad kam, hüpfte ich unter die Dusche. Schnell zog ich meine Sachen an, stellte aber zwei Minuten später fest, dass es wahrscheinlich nicht das geschickteste Outfit für ein Restaurant wäre. Also das ganze Spiel von vorne. Ich vor dem Kleiderschrank ohne jeglichen Plan, was ich anziehen könnte. Emily schien meine Hilflosigkeit zu bemerken und hielt mir kurz darauf das Kleid vor die Nase, welches ich vorhin in der Mall gekauft hatte. Ich schlüpfte hinein und Auch wenn ich mich eigentlich nicht schminken wollte, griff ich dann doch zum Kohle-Kajal, danach folgten Lidschatten und Wimperntusche. Silberne, hängende Ohrringe steckte ich in meine Ohrlöcher und betrachtete mich dann im Spiegel. Das Kleid war zwar komplett aus Spitze, hatte aber dafür rosa Stoff darunter genäht, sodass man die Unterwäsche nicht sehen konnte. Die schwarze Schleife, die direkt unter der Brust gebunden war, sorgte dafür, dass das Kleid nicht wie ein Sack hing, sondern die Taille betonte.

Kurz bevor wir gingen um James und Ryan abzuholen, zog ich meine schwarzen Chucks an, warf mir meine Lederjacke über und packte alles Mögliche in meine schwarze Handtasche. „ Jetzt komm endlich!", hetzte Emily. „ Ist ja schon gut!", meckerte ich zurück. Emily hatte es heute ungewöhnlich eilig, vor allem, weil sie sonst immer die war, die länger brauchte.

Ganze drei Mal mussten wir klopfen, bis James, in Jeans aber ohne Oberteil, die Tür zum Hotelzimmer öffnete. „ Wir brauchen noch ein bisschen, glaube ich." Dann wendete er sich an Ryan:„ Sag mal, wie lange brauchst du denn noch, Kleiner?" „ Nenn mich nicht Kleiner!", kam von meinem Bruder zurück. Kurz danach flog ein Kissen auf James zu. „ Kommt doch rein in unsere Männerhöhle.", bot er uns an. Das Angebot nahmen wir dann natürlich an und siehe da, die Jungs waren fünf Minuten später wirklich fertig. Jetzt galt es nur noch, das Restaurant zu finden.

In LA war ich noch nie gewesen. Wären wir in New York, ich würde jede noch so winzige Ecke kennen, aber das hier war LA. Hier war alles anders. Alles. James googelte auf seinem Handy, wie wir am besten zum Restaurant kämen. Mit ein bisschen Verspätung kamen wir dann an. Der Rest meiner Familie, also meine Mum, Dad und Sam mit Tiffany, warteten schon ungeduldig und scheuchten uns durch die Tür.

Mein Vater ging, ohne auch nur einen Kellner zu fragen auf einen riesigen Tisch in der hintersten Ecke des Restaurants zu. Gerade als ich gesetzt hatte, wurden mir die Augen zugehalten. „Emily, hör auf damit!", mahnte ich sie und von ihr kam schnurstracks die Antwort:„ Ich bin das nicht, ich schwöre." Dann wurden die Hände von meinen Augen genommen und als ich mich umdrehte, sah ich direkt in die Augen meiner anderen besten Freundin. „Cat!", stieß ich einen spitzen, lauten und vor allem überraschten Schrei aus. Wir beide fielen uns in die Arme und ließen uns gefühlte fünf Minuten nicht mehr los. „ Ich hab dich so vermisst, Lexi!", flüsterte sie in mein Ohr und ich drückte sie noch fester, zur Bestätigung, dass es bei mir dasselbe gewesen war.

Dann wollte ich Cat Emily und James vorstellen, doch mein Blick fiel in eine andere Richtung. Ich sah eine Person, von der ich ehrlich gesagt nicht erwartet hatte, sie je wieder zu sehen. Henry war hier. Mein bester Freund, der mich komplett enttäuscht hatte. Im ersten Moment wusste ich nicht, ob ich mich freuen oder weinen sollte. Doch ehe ich mich versah, lag ich schon in seinen starken, muskulösen Armen. „ Es tut mir so leid, Lexi, wirklich. Ich hätte euch von Anfang an glauben sollen, ich dachte ihr wäret eifersüchtig und hättet es deshalb erfunden. Ich habe einen riesigen Fehler gemacht, dass weiß ich auch, kannst du mir verzeihen?", sagte er gerade so laut, dass nur ich es hören konnte. „ Weißt du was, es ist egal! Ich habe dich als besten Freund vermisst" „ Als Cat mir erzählt hat, dass du wieder nach Amerika ziehst war es schon zu spät, ich bin zu eurem Haus gefahren, aber da wart ihr schon weg." Wir blieben noch eine kurze Zeit so stehen. Es tat einfach gut ihn zu umarmen, Erst jetzt bemerkte ich, wie sehr ich ihn vermisst hatte.

Danach stellte ich meine Freunde sich gegenseitig vor und wir alle setzten uns an den Tisch. Wie sehr Henry mir doch gefehlt hatte, in den letzten Wochen. Klar Cat hatte ich auch mega vermisst, aber bei mir und Henry war es noch anders, schließlich sind wir im Streit auseinander gegangen. Wie es dazu gekommen war?

Er hatte eine Freundin gehabt, sie konnte mich und Cat allerdings von Anfang an nicht ausstehen, weil sie Angst hatte, wir würden ihr Henry wegnehmen und verhielt sich deshalb uns gegenüber ziemlich unfair und vor allem ziemlich fies. Einmal hatte sie mir absichtlich Smoothie über mein T-Shirt gekippt, ein anderes Mal hatte sie mir meine Schultasche umgestoßen, so dass ich alles einsammeln musste. Irgendwann wurde es Cat zu viel und wir beide sind dann halt zu Henry gegangen, um ihm zu erzählen, was seine, ach so tolle, Freundin alles gemacht hatte. Aber anstatt hinter uns, seinen besten Freunden zu stehen und uns zu glauben, verteidigte er seine Freundin und ließ mich so dar stehen, als hätte ich mir alles ausgedacht. Tja, ab da war unsere Freundschaft dann im Pausenmodus. Allerdings hatte Henry wohl selber erkannt das seine Freundin Veronika, oder wie auch immer sie hieß, eine verlogene Zicke war, denn Cat hatte mir vorhin erzählt, dass die beiden Schluss gemacht hätten. Doch jetzt wollen wir unsere Zeit nicht damit vertrödeln.

„ Wie kommt es eigentlich, dass ihr hier seid?" fragte ich, denn ich konnte mir nicht erklären, wie das funktioniert hatte. „ Dein Dad hat uns angerufen und gefragt, ob Henry und ich nicht zu deinem Geburtstag kommen wollen und du kannst dir unsere Antwort ja vorstellen. Auf jeden Fall hat er uns dann zwei Flugtickets besorgt und dann sind wir vorhin angekommen. Dein Vater hat unser Gepäck ins Auto geladen und uns gesagt wir sollen schon mal rein gehen." Ich stand auf und fiel meinem Vater um den Hals. „ Papa du bist der Beste!" „ Dann solltest du mich vielleicht nicht direkt erwürgen, Alexis!", kam prompt seine Antwort. „ Ups, 'tschuldige!" Ich setzte mich wieder auf meinen Platz und kurz danach bestellten wir dann auch schon unser Essen. Ich war überglücklich und ich könnte schwören, dass hier war der beste Geburtstag meines Leben. Ich feierte zusammen mit meiner Familie UND meinen besten Freunden. Mit allen vieren! Das gab es noch nie bei mir. Bevor der Nachtisch kam, unterhielt ich mich mit Cat und Emily, zum Glück verstanden sich alle gut, dabei fiel mir ein winziges Detail auf, auf dass ich Emily nachher unbedingt ansprechen musste. Ich durfte es nur bis dahin mich vergessen.

Als wir mit dem Essen fertig waren, liefen wir noch ein wenig durch das dunkle LA und gingen danach zurück ins Hotel. Meine Eltern, die ja mit dem Mietwagen gefahren waren, warteten vorne auf uns und zusammen trugen wir dann Cat's und Henrys Gepäck auf die Zimmer. Danach versammelten wir uns, mit den Jungs in Emily, meinem und Cat's Zimmer. „ Du hast ja den Pulli mit.", bemerkte Henry und lächelte. Erst wusste ich nicht was er meinte, doch als ich mich umdrehte, sah ich, dass auf meinem Koffer der Pulli lag, den ich mal von ihm bekommen hatte. „ Möglicherweise", antwortete ich, „ habe ich dich ja vermisst und ihn deshalb mitgenommen." Ich lachte kurz. Dann erzählte Cat was auf meiner alten Schule alles passiert war und wer mit wem zusammen war.

Um kurz nach eins gingen die Jungs rüber in ihr Zimmer und wir machten uns bettfertig. Wir hatten das Einzelbett an das Doppelbett herangeschoben und lagen jetzt alle auf dem Rücken, mit dem Kopf zur Zimmerdecke gerichtet. „ Emily?", fragte ich. „Ja?" „ Cat ich hab nicht dich gemeint!", schimpfte ich und schlug mit einem Kissen nach ihr. „ Was ist denn?", diesmal antwortete Em. „ Willst du mir vielleicht irgendwas erzählen?" „ Was denn? Du kennst mich eigentlich in und auswendig." „ Ich mein ja nur, vielleicht hast du ja einen Freund oder so." Für einige Sekunden war es ruhig. Dann kam von Emily eine Antwort, aber ihre Stimme war lange nicht mehr so gefasst wie vorher. „ Wie kommst du darauf?" fragte sie. Unsicherheit schwang in ihrer Stimme mit. „ Das merkt doch selbst ein Blinder!", antwortete Cat wie aus der Pistole geschossen. „ Muss ich noch direkter fragen Em? Sind du und James zusammen? Nur so, es würde mich nicht stören, ihr seid schließlich immer noch meine besten Freunde." „ Hey, und Henry und ich?", protestierte Cat. Ich gab ihr das Zeichen leise zu sein. „ Okay, du hast recht, James und ich sind zusammen, aber noch nicht lange, erst seit einer Woche oder so. Aber bitte sag es keinem ja? Wir hätten es dir bestimmt noch gesagt, nur hatten wir gedacht, wir könnten damit noch warten." Wir redeten über allen möglichen Scheiß, bis wir irgendwann einschliefen.

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