Kapitel 15

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„ Und damit der Winterball noch etwas spannender wird, darf ich verkünden, dass eine Maskenpflicht besteht, also besorgt euch eine Maske, unter der euch am besten keiner erkennt. Wir sehen uns spätestens in einer Woche. Viel Spaß!" Meine Schwester verschwand lächelnd, mit ihrem Gefolge im Schlepptau, aus dem Klassenzimmer. Ich sah sie nur noch ziemlich selten, aber inzwischen hatte ich mich damit abgefunden. Nach der Schule hing Emily wieder an mir und lag mir damit in den Ohren, dass sie unbedingt in die Stadt wollte, doch heute hatte ich wirklich keine Lust. Am Ende entschieden wir uns dann für Online Shopping und bestellten sogar beide eine Maske.

Es war abends und Emily hastete durch die Mall, wo wir ja eigentlich heute mal nicht hin wollten. Sie hatte vergessen, dass wir uns mit James und Henry treffen wollten. Genau wie ich auch. Während sie allerdings erbarmungslos durch die Menge hetzte, ließ ich meinen Kopf nach unten hängen, damit mich keiner erkennen konnte, und stieß immer wieder gegen irgendjemanden. Ich war so gut wie bei der kleinen Essens-Oase angekommen, als ich gegen einen muskulösen Oberkörper lief. Ich prallte so heftig zurück, dass ich auf dem Boden gelandet wäre, hätten mich nicht vorher zwei starke Arme an der Taille festgehalten. Dieser Moment war mir mega peinlich und ohne aufzusehen murmelte ich eine kurze Entschuldigung, bedankte mich kurz und legte dann die letzten paar Meter zu meinen Freunden in einem langsameren Tempo zurück. Kurz begrüßte ich die zwei Jungs mit einer Umarmung und ließ mich dann auf den einzigen freien Stuhl am Tisch fallen. „ Was darf es sein?" Als ich die Stimme des Kellners erkannte, zuckte ich unwillkürlich zusammen und bekam eine Gänsehaut. Langsam hob ich meinen Blick an. „ Was macht ihr denn hier? Seid ihr nicht auf Amelias Party? Mit Samantha als Schwester wärt ihr sicherlich da rein gekommen." Ich starrte Chris mit einem, hoffentlich, eiskalten Blick an. „ Das Gleiche könnten wir dich fragen, Kumpel.", erwiderte Henry. Die beiden verstanden sich ziemlich gut. Was mir auch nichts ausmachte, seit Chris aufgehört hatte, mich jeden Morgen mit fiesen Sprüchen zu bombardieren. Ohne uns wirklich weiter zu unterhalten nahm er kurz unsere Bestellung auf und verschwand. Ein anderer Kellner brachte uns dann unser Essen. Gerade als ich mir einen Löffel voll meiner Nudeln in den Mund steckte, vibrierte mein Handy in meiner Hosentasche. Vor Schreck hätte ich den Löffel fast fallen gelassen. Noch während ich kaute, zog ich das Handy aus der Tasche und blickte auf den Sperrbildschirm. „1 new Message" stand dort. Daneben blinkte das WhatsApp Zeichen auf.

Inzwischen hatte ich mein Handy auf Englisch umgestellt, da ich ja hier schließlich auch immer Englisch redete. Außer vielleicht, wenn ich mit Cat skypte, gelegentlich kam es auch vor, dass ich mich mit Henry oder meiner Familie auf Deutsch unterhielt. Meistens aber Englisch. Spanisch sprach ich höchstens, wenn die Familie meiner Mum da war oder wir sie besuchten und das bisschen Xhosa was ich in Afrika von einer Freundin gelernt hatte, kam gar nicht mehr zum Einsatz.

Gespannt entsperrte ich mein Telefon und tippte ungeduldig auf das Grün leuchtende WhatsApp-Zeichen. Natürlich musste mein Handy gerade jetzt hängen. Wenig später ließ sich die App aber dann doch öffnen. Eine blaue Eins leuchtete neben den Chat mit X auf, den ich sofort öffnete. „Schönes Outfit hast du an", hinter der Nachricht stand noch ein Zwinkersmiley. Er war also hier. Reflexartig drehte ich mich einmal um mich selbst und erntete dafür von meinen Freunden verwirrte Blicke. „ Leidest du seit neustem unter Verfolgungswahn?" Emily lachte mich an und zeigte dabei ihre strahlend weißen Zähne. Ich schüttelte den Kopf und formte dann mit den Fingern ein X. Daraufhin wendete sich Emily an die Jungs:„ Ich gehe auf Toilette. Alexis, du kommst mit." Ich musste mich zusammen reißen, um nicht über ihren Ton zu lachen, folgte ihr dann aber ohne weitere Einwände. Ich hörte noch wie James und Henry murmelten: „Warum müssen Mädchen immer zu zweit aufs Klo gehen?"

„ Was hat X jetzt schon wieder angestellt?", Emilys Stimme war ungewöhnlich aufgeregt. Ohne weitere Worte zeigte ich ihr dann seine Sms und sie stieß einen kurzen, spitzen Schrei aus. „ Oh mein Gott, das kann doch nicht sein. Wie unglaublich ist das denn? Wir müssen ihn suchen! Lass uns durch die Mall laufen! Bitte, bitte." Bei den letzten Sätzen hörte meine beste Freundin sich wie ein kleines Mädchen an. Ich schüttelte den Kopf und antwortete mit traurigem Unterton: „ Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass nur genau ein Junge aus unserer Schule hier ist. Was soll das alles denn bringen? Es ist unmöglich, herauszufinden, wer X ist. Uns bleibt wirklich nicht mehr viel Zeit, bis zum Ball und von daher können wir direkt aufgeben." Emily schaute mich entrüstet an und fing an zu lachen. „ Wenn jemand etwas Unmögliches schafft, dann sind wir beide das." Ein kleines Lächeln schlich sich auf mein Gesicht und ich umarmte Emily fest. Dann gingen wir beide zurück zu den Jungs.

„ Sagt mal, heute Abend ist doch diese Party bei Amelia und Josh Nicholson von der Chris schon geredet hat. Habt ihr vielleicht nicht doch Lust, dahin zu gehen?" Henry schaute fragend in die Runde. James zuckte nur mit den Schultern. Emily nickte sofort begeistert, wie immer natürlich und auch ich stimmte zu. Als wir bezahlt hatten gingen wir also kurz nach Hause um uns umzuziehen und liefen dann gemeinsam zum Haus von Amelia und Josh. Schon von weitem hörte man die laute Musik und viele Teenager standen vor dem Haus und tranken oder rauchten. Wir begrüßten den ein oder anderen, verabschiedeten uns aber relativ schnell nach drinnen. Ich hoffte, mit meinem Outfit nicht zu sehr aufzufallen, denn ich trug eine Hotpants und ein Ramones Bandshirt. Dazu noch ein Hemd umgebunden. Allerdings löste sich diese Sorge ziemlich schnell auf, denn uns kamen einige Mädchen entgegen, die nicht mehr als ein Bikinioberteil und eine Hotpants, die mindestens vier Nummern zu klein war, trugen. Auch wenn ich mich ein wenig unwohl fühlte, genoss ich die Party irgendwie. Viel mehr als zwei Bier und einen Becher 'Sex on the beach' trank ich nicht und war damit wahrscheinlich eine der nüchternsten Personen hier auf der Party. Ganze zwei Stunden waren wir jetzt schon hier und die Party war noch immer richtig im Gange.

Emily hatte mich dazu überredet, Wahrheit oder Pflicht mitzuspielen und jetzt saß ich hier, in einem Kreis aus mehr als fünfzehn Leuten und hoffte, dass die Flasche nicht auf mich zeigte. Emily hatte schon zweimal Pflicht gewählt, doch die Aufgaben waren bis jetzt noch nicht allzu schlimm gewesen. Ein paarmal hatte die Flasche gefährlich nah an mir gestoppt, doch jedes Mal, war sie an mir vorbei gegangen. Bis auf jetzt. Der Flaschenhals zeigte glasklar auf mich und sofort kam die Frage:„ Wahrheit oder Pflicht?"

Zögerlich antwortete ich:„ Pflicht."

Die Tür wurde aufgerissen und noch mehr betrunkene Leute aus meiner Stufe stolperten in den Raum. Unter ihnen Henry und Chris. Doch keinen im Raum schien das zu stören, denn schon wurde mir eine Aufgabe gestellt. „ Alexis, du musst Pete Langers küssen, 30 Sekunden. Mit Zunge." Emily lachte laut auf und ich stutzte. Pete Langers sah nicht schlecht aus. Er war blond und sonst halt der typische Surfer Boy. Trotzdem einfach nicht mein Typ. Wohl oder übel musste ich nun aber diese Aufgabe erfüllen.

„ Och Mann hab ich einen Kater.", stöhnte jemand neben mir. Ich drehte mich auf die Seite und sah meiner besten Freundin in die Augen, bei der wir alle zu Hause im Wohnzimmer auf der Couch schliefen. „ Na was glaubst du, was für einen ich habe!" Henry's Stimme klang ehrlich gesagt auch so, als hätte er einen Kater. „ Also ich weiß ja nicht, was ihr habt, aber bei mir macht sich nicht der Ansatz eines Katers bemerkbar." „ Tja, bei mir auch nicht.", lächelte ich Emily provozierend an. Erst dann realisierte ich von wem die Stimme gerade eben gekommen war. Ich drehte mich um und behielt Recht mit meiner Vermutung.


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