Kapitel 7

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Als ich die Augen aufschlug, liefen die Ereignisse von gestern Abend nochmal wie ein Film vor meinem inneren Auge ab. Mit einem Lächeln sank mein Kopf wieder in das weiße, für Hotels typische, Kopfkissen. Für eine halbe Stunde dämmerte ich nochmal weg, war dann aber hellwach. Heute stand Paramount Pictures auf dem Programm.

Völlig motiviert schwang ich meine Beine aus dem Bett, hüpfte quer durch das Zimmer, fischte frische Unterwäsche aus meinem Koffer und stellte mich unter die Dusche. Im ersten Moment zuckte ich merklich zusammen, als das eiskalte Wasser von oben auf mich herabprasselte, entspannte mich dann aber wieder, fest entschlossen, dass ich mir diesen Tag durch nichts kaputt machen lassen würde. Frisch geduscht kam ich aus dem Bad wieder ins Hotelzimmer, wo inzwischen auch Emily und Cat wach auf dem Bett saßen und irgendwas an meinem Handy machten. Ich erkannte natürlich die Hülle! Kichernd legten sie mein Handy weg, als sie sahen, dass ich auf sie zukam. Meine besten Freundinnen gingen auch schnell duschen, dann stellten wir alle drei uns die gleiche Frage. Was sollten wir anziehen?

Später hatten wir uns alle drei entschieden. Während ich eine Lederjacke, ein extralanges, weißes T-Shirt, eine hellblaue Jeans und weiße Schuhe auswählte, entschied sich Emily für ein weißes Oberteil mit einer schwarzen Hose, braunen Schuhen und einen Schal und Cat zog eine schwarze Lederjacke, ein weißes Oberteil, eine graue Hose und schwarze Boots an. Es war im Moment draußen um die 16° warm und es sollte höchstens 21° werden, also ging ich davon aus, dass unsere Auswahl gut war. Um halb neun trafen wir uns unten im Frühstücksraum des Hotels. Nachdem ich meine Eltern kurz begrüßt hatte, unterhielten wir uns mit den Jungs. Sowohl Cat als auch ich beobachteten genau, wie James und Emily, die sich gegenüber saßen, verhielten.

Nachdem alle fertig mit Frühstücken waren, dauerte es nicht lange, bis wir vor dem Eingang zu den Paramount Pictures Studios standen. Wir alle waren ziemlich aufgeregt und insgeheim hoffte glaube ich jeder, irgendeinen Schauspieler zu treffen. Da wir uns erst mal informieren wollten, holte mein Vater sich einen Flyer und begann vorzulesen. Es gab 4 verschiedene Touren, die für uns eigentlich alle in Frage kamen. „ Also das erste ist die ganz normale Paramount Pictures Tour, das ist eine 2-stündige Carttour, auf der man etwas über die Geschichte der Studios erfährt, außerdem kann man in das Warenhaus, ich gehe mal davon aus, dass dort die Requisiten gelagert werden und man sieht eine Filmkulisse. Die Tour an sich zeigt einem also ungefähr wie alles angefangen hat. Die zweite Tour ist die Paramount Pictures Vip Tour, da hat man, wie es hier steht, Zugang zu noch mehr ‚Magie von Hollywood'. Exklusiven Zugang zu Benutzerbereichen der Studiooperation, mit Special Effects und zum Zeichengeschäft. In das Archiv kann man auch gehen und kann Sachen von vorigen Produktionen sehen, außerdem wird man wohl Leuten vorgestellt, die all das ins Leben gerufen haben. Es gibt ein Mittagessen. Dort soll man die innere Tätigkeit von Hollywood sehen. Es gibt noch ein Angebot, dass vielleicht ganz gut ist und zwar die Paramount Pictures Walking Tour, am Anfang hat man die Möglichkeit, sich im Studio Store einen Kaffee oder Snacks mitzunehmen und dann läuft man zwei Stunden durch die Studios. Dabei sieht man zum Beispiel Soundstages, typische Dinge für Hollywood und mehr.

Die letzte Tour finde ich am besten, das ist die Paramount Pictures After Dark Tour und dort läuft man bei Sonnenuntergang los und erkundet sozusagen die Mysterien Hollywoods. Ich zitiere: Man verliert sich selbst in den Soundstages, alten Filmsets und versteckten Geheimgängen in den Studios. Die Tour ist zweieinhalb Stunden lang und man bekommt Champagner, bestimmt auch andere Getränke, Lieblingsfilmsüßigkeit und Popcorn. Man läuft dann theoretisch durch die Studios und sollte nur darauf achten, dass man gutes Schuhwerk anhat. Also, was gefällt euch am besten?"

Wir überlegten relativ lange, entschieden uns dann aber für die After Dark Tour. Mein Dad fragte an der Kasse schnell, ob Ryan mitdürfe, da die Tour eigentlich erst ab zwölf war, aber anscheinend gab es da kein Problem. Dad reservierte schnell unsere Tickets. Danach liefen wir ein bisschen rum und setzten uns mittags in ein Restaurant.

Wir waren jetzt seit einer Viertelstunde auf dem Hotelzimmer und wussten nicht, was wir mit uns anfangen sollten. Bis heute Abend war noch massig Zeit und wir wollten einfach das anlassen, was wir seit heute Morgen trugen. Geduscht hatten wir auch schon, also waren wir theoretisch komplett fertig. Was die Jungs machten, wusste ich nicht genau, aber es war mir im Moment eigentlich ziemlich egal. Was mich viel mehr störte, war, dass mich Sam seit Tiffany da war, kein einziges Mal richtig beachtet hatte. „ Hey Al, ich gehe mal kurz rüber zu Sam, ich hab noch das Geburtstagsgeschenk für sie, habe gestern ganz vergessen es ihr zu geben, okay?" Ich nickte und schon war Cat aus dem Zimmer verschwunden. Emily ging kurz darauf auch, sie wollte sich wahrscheinlich mit James treffen. Jetzt war ich ganz allein auf dem Hotelzimmer.

Bis es an der Tür klopfte.

Also stand ich vom Bett auf und stand kurz darauf vor Henry. „ Komm rein, in unser bescheidenes Reich." Ich lachte kurz. „ Wo sind die anderen?" „ Ich glaube Emily trifft sich mit James und Cat wollte meiner Schwester noch ihr Geburtstagsgeschenk geben. Und Sie mein werter Herr? Wieso beehren sie mich mit Ihrer Anwesenheit?", sprach ich in geschwollener Sprache und kicherte. Henry setzte sich auf einen Sessel, der fast gegenüber von meinem Bett stand, auf das ich mich dann, mit einem kleinen Krachen, auf den Bauch fallen ließ. Die Hände stützten, wie so oft den Kopf. „ Morgen soll das Wetter ziemlich gut werden und ich hab eine kleine Idee im Hinterkopf. Mag sein, dass es nicht gut ist, aber wir könnten ja vielleicht surfen gehen." Da ich selbst das Surfen total liebte, flippte ich bei seiner Idee total aus. „ Auf jeden Fall! Das ist eine Mega gute Idee! Wir können uns Surfbretter ausleihen!", ich hielt für einen kurzen Moment inne und fragte dann ernst, „ warte, meinst du Wellen- oder Windsurfen?" Andere würden jetzt wahrscheinlich lachen, vielleicht auch nach dem Unterschied fragen, aber für mich war es äußerst wichtig. Henry wurde vorsichtiger und erklärte:„ Also ich habe eigentlich Wellensurfen gemeint, aber wenn du lieber Windsurfen willst, ist es vollkommen in Ordnung." Ich lachte:„ Nein, nein Wellensurfen ist super, ich bin kein Fan von Windsurfen, deshalb..., glaubst du denn die anderen wollen es auch machen? Also Emily und James haben da bestimmt nichts gegen, nur wegen Cat." „Cat muss es sonst halt lernen, wir bekommen das schon hin, Lexi."

Sein Telefon klingelte. „ Hallo?... Warte, was?" Henry wurde plötzlich ganz bleich. „Sag mal gehts noch... Das ist nicht dein Ernst! ... ja, schon klar... ja, ist okay...so unverschämt hätte ich dich nicht eingeschätzt." Er war ein komplett durch den Wind und schrie die Antworten verletzt ins Telefon. „ Das kannst du nicht bringen, ich bin dein Sohn! Dann hast du nicht mal den Mumm mir das persönlich zu sagen. Was geht bei dir falsch. Wie kann man nur so unverantwortlich sein? ... ja und, dann bin ich halt fast achtzehn, das gibt dir aber trotzdem nicht das Recht dazu." Verzweifelt und wütend legte mein bester Freund auf und schmiss sein Handy aufs Bett. Eine ganze Weile schwieg er und auch ich sagte nichts.

„Ich soll zu meiner Mutter ziehen.", war der erste Satz den er herausbrachte. „Warum?" Ich wusste, dass seine Mutter seinen Vater verlassen hatte, als Henry drei Jahre alt war, aber er und sein Vater hatten nie ein Problem in ihrem Männerhaushalt gehabt. „ Mein Dad hat eine neue Freundin, schon länger, habe ich dir auch schon mal erzählt, glaube ich. Naja auf jeden Fall mochte die mich noch nie und jetzt hat sie meinen Vater irgendwie dazu bekommen, mich, naja, er hat mich theoretisch rausgeschmissen. Er hat zwar schon öfter damit gedroht, aber wer geht schon davon aus, dass er irgendwann ernst macht?" Total verzweifelt, nein eigentlich konnte man gar nicht beschreiben, wie es ihm gehen musste, wedelte er mit den Händen und lief im Raum auf und ab. „ Oh Gott", ich wusste nicht was ich sagen sollte, „und wo wohnt deine Mutter?" „ Das ist ja das Problem, er hat mir ihre Nummer gegeben und gesagt ich soll sehen, dass ich bei ihr unterkomme, meine Sachen schickt er mir wohl nach. Ich kann nicht mal vorher nach Hause." Er stand aufgebracht im Zimmer und deshalb schlug ich meine Beine vom Bett, stand auf und umarmte ihn einfach ganz fest. „ Was soll ich nur machen? Ich kenne meine Mum doch nicht mal!" Er wurde verzweifelter und ihm lief die ein oder andere Träne über die Wange. Ich ließ ihn nicht los. „ Was soll ich denn Cat sagen?"

Ich wunderte mich immer wieder, dass er sich meistens zuerst Sorgen um die anderen machte und dann an sich selbst dachte. „ Sie wird es verstehen, mit Sicherheit, außerdem hat sie ja auch noch andere Freunde in Deutschland.", redete ich ihm Mut zu. „Was soll ich nur machen?" Ich hatte Henry noch nie so verzweifelt gesehen und es tat mir im Herzen weh. „Wir rufen jetzt deine Mum an!", beschloss ich. Erst wollte Henry mir widersprechen, doch er wusste, dass in solchen Dingen nur schwer mit mir zu verhandeln war. Er tippte die Nummer in sein Handy ein, warf mir einen letzten, unsicheren Blick zu und drückte dann auf den grünen Knopf. Anrufen...

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