Kapitel 17

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Countdown. Noch 1 Tag bis zum Ball. Keine Aussicht auf ein Date mit X. Dieser Name ging mir ehrlich gesagt langsam ziemlich auf die Nerven.

Ich hatte zu wenig Schlaf bekommen, da wir erst um halb zwei Morgens wieder zu Hause waren. So schlimm sah ich demnach dann auch aus, als ich das Haus verließ. In der Schule lief es zwar nicht viel besser, aber immerhin konnte ich dem Unterricht folgen und zum Ende der Schule wurde meine Laune doch besser. „ Gehen wir zu mir?", schlug ich vor, als wir uns nach der letzten Stunde vor dem Schultor trafen. „ Klingt gut!" Chris stand hinter mir und ich zuckte unwillkürlich zusammen. „ Sag mal, seit wann gehörst du eigentlich zu unserer Gruppe, hängst du nicht eigentlich mit deinen ganzen Teamkameraden rum?" Die Worte sprudelten einfach so aus mir heraus und im nächsten Moment bereute ich fast, gefragt zu haben. „ Naja, Henry gehört genauso zu meinen Teamkameraden und außerdem kommen wir doch ganz gut klar, nicht?" Also liefen wir zu fünft, statt wie sonst zu viert, zu mir nach Hause. „ Geht schon mal in den Garten, ich suche schnell meine Mum und frage, was es zu Essen gibt."

„ Na dieser Chris ist ja schon wieder da, sicher, dass da nichts läuft?", fragte meine Mum mich neugierig aus, kaum dass ich die Küche betreten hatte. „ Mum hör auf. Ich habe dir gesagt, dass da nichts ist und so ist es immer noch. Du bist so peinlich. Wehe du machst gleich auch nur eine Andeutung!", ermahnte ich sie. Wiederwillig stimmte sie zu.

„ Él está en amor con usted, estoy seguro de que", sagte meine Mutter, als sie das Essen brachte. Sie sollte nichts sagen. Und doch hatte sie. Ich konnte nur hoffen, dass Chris kein Spanisch sprach. „ Was hat deine Mum gesagt?", fragte Emily. In ihrer Neugier stand sie weder Cat noch meiner Mum nach. „ Ach nix, ist nicht wichtig!", spielte ich das ganze runter. Als würde ich sagen, dass ‚Él está en amor con usted, estoy seguro de que' so viel hieß wie ‚er ist in dich verliebt, da bin ich mir sicher'. „ Sag mal, was kannst du eigentlich noch alles?", fragte Chris, „ du sprichst fast fließend Spanisch, Englisch und Deutsch, bist Cheerleaderin, tanzt und spielst Basketball." „ Du hast vergessen, dass sie mal Schwimmerin war, oh und sie spielt auch Klavier und Gitarre und manchmal singt sie", ergänzte Henry. „ Eigentlich war das eine rein rhetorische Frage.", meinte Chris.

Wir saßen gemeinsam auf der Terrasse und aßen Königsberger Klopse mit Kartoffeln. Ein typisch deutsches Essen eben. „ Ach wie hab ich doch das deutsche Essen vermisst." Henry hatte bei seiner Mutter natürlich kaum Deutsch gegessen, ich glaube nur einmal und zwar als ich bei ihnen war und wir für die ganze Familie gekocht hatten. Überraschung, das konnte ich nämlich auch, zwar nicht gut, aber ich beherrschte wenigstens die Grundlagen. Henry hatte sich inzwischen gut eingelebt, was seine Familie anging hatte er aber auch Glück.

Nach dem Essen saßen wir im Garten und unterhielten uns über den Ball und darüber, auf welches College wir später mal gehen wollten. Es war eigentlich ziemlich lustig. Vor allem weil wir viel herumalberten. „ Also ich und James müssen so langsam mal gehen, wir wollen ja heute Abend noch ins Kino und Essen gehen und es ist schon halb fünf." Emily umarmte mich zum Abschied und verschwand dann zusammen mit James aus der Tür. Auch Henry verabschiedete sich bald, genauso wie Chris. Jetzt war ich wieder alleine, aber es störte mich nicht all zu sehr. Ich dachte über 'X' nach. Wer könnte es sein? Verzweifelt kritzelte ich auf einem Blatt vor mir rum und zerstörte damit die Einkaufsliste, die meine Mum mir in die Hand gedrückt hatte. Sie hatte mir ihre Autoschlüssel in die Hand gedrückt und mich fast dazu gezwungen einkaufen zu gehen. Ich hatte vor kurzem meinen Führerschein gemacht und konnte somit endlich hier Auto fahren. Natürlich hatte ich den Einkauf schon erledigt. Jetzt stand nur noch ‚mit Rosie spazieren gehen' auf meiner ToDo-Liste.

„ Komm Rosie, wir gehen laufen." Ich kraulte meine kleine Golden Retriver Dame am Hals und nahm sie dann auf den Arm. Ich lief die Treppen hoch in mein Zimmer, wo ich sie dann auf mein Bett setzte. Freudig drehte sie sich einmal im Kreis und legte sich dann hin. In der Zwischenzeit suchte ich meine Sportsachen raus. Es war ziemlich lange her, seit ich das letzte Mal joggen war. Zumindest kam es mir so vor. Als ich meine Laufsachen dann erst einmal anhatte und mit Rosie an der Leine vor der Haustür stand, merkte ich, wie sehr laufen gehen mich doch ausfüllte. Anstatt meine übliche Route am Strand zu wählen, entschied ich mich für einen Weg durch die Stadt in den Park. Auch wenn die Strecke länger war, brauchte ich das einfach. Eine einzige Pause legte ich ein. Auf dem Rückweg im Park. Ich setzte mich auf eine Bank und schaute Rosie dabei zu, wie sie versuchte einen Stock zu apportieren. In mich hinein lächelnd, lief ich den restlichen Weg nach Hause, sprang schnell unter die Dusche und aß dann mit meiner Familie gemütlich zu Abend. Danach schnappte ich mir bequeme Sachen und suchte auf dem Fernseher einen Film, den ich gucken könnte. Am Ende entschied ich mich dann für 'Wenn ich bleibe'. Ich hatte den Film schon ewig sehen wollen, war aber irgendwie noch nie dazu gekommen. Außerdem war Chloë Grace Moretz eine meiner Lieblinge unter den Schauspielerinnen und das war auch schon Grund Nummer zwei, den Film zu gucken. Ungefähr bei der Hälfte klopfte es an der Tür. „ Ich kann nicht schlafen, darf ich bei dir schlafen? Ich hasse Gewitter." Mein kleiner Bruder stand im Türrahmen und schaute mich aus seinen grünen Augen an. „ Bitte?", fragte er mit Nachdruck. Ich hob die Bettdecke ein Stück an und er kuschelte sich sofort dazu. „ Danke.", flüsterte er und kurz darauf schlief er dann auch ein.

Ich stand im Flur und betrachtete mich ein letztes Mal im Spiegel. 'Wann kommt er endlich?' erwartend sah ich meine Mum an. In diesem Moment klingelte es. Aufs Stichwort, wie hätte es anders sein sollen? Schnell lief ich die Treppen hoch, zurück zu meinem Zimmer, holte das Anstecksträußchen und band es mir um. Solange ich jetzt nicht die Treppe runterfallen würde, würde alles gut gehen, doch wahrscheinlich war ich wieder ungeschickt genug um zu stolpern. Sein Mund stand offen, als er mich sah und als ich den Treppenabsatz erreicht hatte, hob er mich hoch und küsste mich so, dass ein Gefühlschaos in mir ausbrach. 'Du bist wunderschön' flüsterte er in mein Ohr, bevor er mich wieder runter ließ. Aus der Küche kam jetzt mein Dad, sein Handy in der Hand. 'Diesen Moment müssen wir doch festhalten' Dad lächelte mich an, bevor er dann mehrmals nacheinander den Auslöser knipste. Nachdem meine Eltern mich noch einmal umarmt hatten, machten wir dann den letzten Schritt. Ich hörte noch, wie die Tür zu schlug, dann wären wir zu weit weg. 'Lex, ich will mein komplettes Leben mit dir verbringen. Ich hoffe, du weißt das. Ich liebe dich. Ich liebe dich wirklich. Am liebsten würde ich jede Sekunde nur mit dir verbringen. Das hier soll kein Heiratsantrag werden, auch wenn ich bereit wäre, dich hier und jetzt zu heiraten. Ich will einfach nur, dass du weißt, dass, was auch immer sich zwischen uns stellen mag, meine Liebe zu dir all das überbrücken wird und ich immer voll und ganz hinter dir stehen werde.' Ich küsste ihn und Hand in Hand gingen wir weiter. 'Und jetzt lass uns diesen Ball rocken' rief er, bevor wir dann durch die Tür eine komplett andere Welt betraten. Der Raum war atemberaubend geschmückt. Emily, die einen großen Teil dazu beigetragen hatte, hatte ganze Arbeit geleistet. Der Prom war phantastisch und ich teilte dieses Erlebnis mit den Personen, die ich liebte. Ich feierte hier gerade meinen Abschlussball. Dieser Abend hätte nicht perfekter sein können. Es war so surreal. Ich konnte nicht glauben, dass das hier gerade wirklich passierte.

Und dann wachte ich auf. Mein kleiner Bruder schlief seelenruhig neben mir, aber ich konnte nicht mal mehr an Schlaf denken. Es war zwei Uhr nachts. Freitag. Der nächste Gedanke der mir durch den Kopf schwirrte, war, dass heute Abend der Winter-Maskenball stattfinden würde. Ich musste zurück an den Traum denken. Wieder hatte mich ein Junge Lex genannt. Und wieder konnte ich mich nicht an sein Gesicht erinnern. Träumte ich vielleicht unbewusst von X? Ach Quatsch! So was passierte in Filmen, aber nicht im echten Leben. Zumindest redete ich mir das so lange ein, bis ich es selbst glaubte, na gut, eigentlich glaubte ich es mir nicht, aber egal. Eine halbe Stunde nachdem ich vom Traum aufgewacht war, konnte ich immer noch nicht schlafen. Leise, um Ryan nicht zu wecken, stand ich auf und schlich mich dann zu meinem Schreibtisch, wo mein Handy und die Kopfhörer lagen. Mit ihnen legte ich mich wieder hin und schaltete dann Musik an. Kurz darauf konnte ich zum Glück wirklich noch mal einschlafen. Ich wollte heute Abend auf dem Ball schließlich nicht wie ein Panda aussehen, nur weil ich zu wenig Schlaf hatte.


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