Unbekannte Mächte

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Plötzlich, ich wusste nicht, wie lange ich schon an der Wand lehnte und erschöpft versuchte den Weg hier raus in meinem Kopf zu finden, hörte ich leise Schritte neben mir. Ich sah auf und blickte ein kleines Mädchen an. Sie konnte nicht älter als 6 Jahre sein, aber sie strahlte eine Macht aus, bei der sich meine Nackenhaare sträubten und mein Instinkt mich zur Flucht zwang. Langsam, das Mädchen immer im Blick behaltend, richtete ich mich auf. "Ich bin Lysvalíth. Die kannst mich aber Lys nennen." Ihre Stimme klang leise und sanft, fast kindlich. Aber die Macht, die mitschwang machte mir Angst. Etwas an ihrer Stimme erinnerte mich an Lórmiwën. Gegensätze befanden sich in ihr. Hell und Dunkel, kindlich und mächtig, warm und doch kalt. Ein Zittern durchlief mich, als ich in ihr Gesicht blickte. Es war schön. So unglaublich schön, dass mein Instinkt sich abwenden wollte, aber ihre Augen zogen mich an. Es waren eindeutig die einer Ælbin. Schwarz bis in den hintersten Augenwinkel, aber sie glänzten mit einem matten Funkeln. Sie war klein und zierlich, aber an dem schmalen schwarzen Wildledergürtel, der eigentlich nur da war, um das lange Kleid zu taillieren, hing ein Dolch mit abgenutztem Griff, der davon zeugte, dass ihre Kraft größer war, als es schien. Ihre Füße lugten nackt unter dem fast bodenlangen schwarzen Stoff hervor. "Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Deine Macht kann ich nicht übertreffen, auch wenn ich trainierter bin.", meinte das Mädchen mit einem Lächeln. Wortlos starrte ich sie weiter an. "Deine Schwerter haben mich hierhergeführt. Darf ich sie mir ansehen?" Vorsichtig nickte ich und löste sie mitsamt Scheiden von meinem Gürtel. Sie fuhr ein paar Mal über das Leder und zog anschließend die Klingen heraus. Mit dem Daumen strich sie über die Kante und erschauderte. Leise murmelte sie ein paar, mir unverständliche, Worte, woraufhin feine Linien aufleuchteten. Sie bildeten ein Muster, doch Lysvalíth schien etwas darin zu erkennen. "Das sind die Schriftzeichen der Ursprungssprache.", flüsterte sie und ich verstand: "Geweihte Klingen. Wieso waren sie in der Waffenkammer?" "Die eigentliche Frage ist, warum Lórmiwën nichts gemerkt hat.", unterbrach mich Lys. "Die Magie, die darin liegt, kann eine so ausgebildete Jägerin nicht übersehen." "Ich wollte, dass du es selbst herausfindest, werte Caladmíriel. Aber du scheinst ja Hilfe gefunden zu haben. Danke Lysvalíth, du kannst gehen." Erschrocken fuhr ich herum und erblickte Lórmiwën. Ein undeutbares Lächeln lag auf ihren Lippen, doch ihre Stimme klang kalt. Mit einem unwilligen Zischen gab das Mädchen mir meine Schwerter zurück und verschwand in den Schatten. "Wer ist sie?", wollte ich wissen, sobald ich das Gefühl hatte, dass Lysvalíth weit gemütlich entfernt war, um uns nicht mehr zu hören. "Komm mit, die Wände hier haben Ohren." Verwirrt folgte ich der Ælbin, die zielstrebig durch die Gänge lief.
Nach einigen Minuten bog sie in einen kleinen Nebengang ein und legte ihre Hand auf eine der Türen. Sofort schwang sie leise auf und Lórmiwën betrat das Zimmer. Ich folgte ihr und setzte mich auf ihre Aufforderung auf einen der Stühle. "Lysvalíth ist die Tochter unserer Königin. Ihr gehört das älteste Drachenei. Es wird seit Jahrhunderten in der Königsfamilie weitervererbt, bis der Drache darin sich entscheidet zu schlüpfen. Sie ist die erste, bei der sich etwas geregt hat, also bekommt sie die beste Ausbildung, die sie haben kann. Die Macht, die sie trägt, erhält sie von einem Stück Schale des Ei's. Es hängt an einer Kette um ihren Hals und speist sie mit Magie." "Sie hat gesagt, dass ihre Macht nie an meine heranreichen würde. Was meint sie damit?" "Das, was sie gesagt hat. Selbst mit der Macht ihres, noch ungeschlüpften, Drachen, ist sie lange nicht so stark, wie du, wenn du erstmal trainiert bist. Unsere Macht, also deine und meine, sind unglaublich stark und an uns hängt die Zukunft unserer Welt." "Warte! Was meinst du damit?", unterbrach ich Lórmiwën. In ihren Augen erschien eine Mischung aus Trotz, Angst und Schuldbewusstsein. "Die Drachen kamen zu mir, um mich zu meinem Ei zu bringen und den Zauber, der den Drachen an mich bindet, auszusprechen. Ich habe mich gegen den Zauber gewehrt und ein Teil meiner Macht hat einen Zauber in der Ursprungssprache gewirkt. Ich habe somit die Zukunft dieser Welt, der Magie und der Unendlichen an mich gebunden. Um diesen Zauber rückgängig zu machen braucht man die Töchter der Drachen, meine Drachendame und deine Ungeschlüpfte, und uns beide. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir vier dabei sterben liegt bei 100%." Daraufhin war es erst einmal still. "Danke, dass du einfach so mein Leben beendet hast!", fuhr ich sie dann genervt an. "Besser unsere Leben, als die, der gesamten Welt!", entgegnete sie mit ruhigem Ton, aber in ihrer Stimme lag eine Schärfe, die mir Angst machte. Mit großen Augen wich ich zurück und sofort entschuldigte sich die Ælbin. "Tut mir Leid. Ich wollte dir keine Angst machen, aber bedenke, dass der Zauber unbewusst war und ich auch mein Leben damit beendet habe." Sie stockte kurz, dann fügte sie mit leiser Stimme noch "und das von Oceane." hinzu. Niedergeschlagen blickte ich zu Boden. "Normalerweise hätte ich gesagt, du solltest dich ausruhen gehen, aber wenn du so bist, wie ich, wirst du nicht schlafen können. Also suchen wir dir angemessene Kleidung und schauen nach deinem Ei?" Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage, aber ich nickte und folgte ihr aus ihren Räumen.

ÆLB'AÉN - Die SchattenelbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt