Kapitel 2

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  »Wie wäre es jetzt mit einer kleinen Rundführung durch dieses nette kleine Stadt?«, ertönte Harry's Stimme aus dem Badezimmer, während ich auf dem Bett saß und meine Nägel neu lackierte. Sie hatten es aber auch dringend nötig.
»In einer halben Stunde?«, rief ich zurück. Harry stimmte mir zu in Form eines lauten "Mhm" und ich konzentrierte mich wieder ganz auf meine frisch gemachten Nägel, die nun in einem schönen Schwarzton glänzten.
Wir waren nun schon seit fünf Stunden in Mystic Falls und hatten bis jetzt uns nur mit Auspacken beschäftigt und schließlich wollte Harry dann noch duschen und ich hatte mich eben hier auf das Bett gesetzt und angefangen meine Nägel neu zu machen. Die Zeit hatte ich ja.
Theoretisch hatten wir auch noch den ganzen restlichen Tag Zeit die Stadt zu erkunden, wobei ich ja immer noch nicht wusste, wie ich ihm irgendwie etwas erzählen bzw erklären sollte, wenn selbst für mich alles so neu war, als wäre ich noch nie in meinem langen Leben hier gewesen.
Aber Harry bestand trotz allem darauf und ich wollte ja auch kein Spielverderber sein. Wer weiß, vielleicht kam mir beim genaueren Hinsehen ja wieder etwas bekannt vor? Möglich wäre es.
»Können wir los?«, fragte Harry, der auf einmal vor mir stand und mich wartend anblickte. Ich nickte und schickte ihn schon einmal vor, da ich mir noch schnell etwas anderes anziehen wollte und ging dann nach unten, wo Harry schon ungeduldig auf mich wartete.
»Wo gehen wir zuerst hin?«, fragte ich, da ich nicht wusste, wo wir mit unserer 'Führung' beginnen sollten. »Lass uns dort lang.« Der Vampir zeigte nach rechts und wir gingen los.
Wir kamen an einigen Gebäuden vorbei, unter anderem auch dem Grill, wo wir direkt beschlossen, dass wir dort heute Abend etwas essen würden.
Das Wetter war heute ganz angenehm. Es war nicht zu warm und nicht zu kalt und die Sonne ließ sich ab und zu auch einmal blicken.
Harry und ich unterhielten uns den Weg über kaum, aber das war nicht weiter schlimm. »Mir kommt hier einfach nichts mehr bekannt vor«, seufzte ich und kickte einen kleinen Stein weg, der vor uns auf dem Weg gelegen hatte.
Dafür das Mystic Falls eher eine kleinere Stadt, wenn nicht sogar ein Dorf war, war hier wirklich kaum etwas los, was ich persönlich dann doch ein wenig schade fand. Eigentlich war ich nicht so der Mensch bzw Vampir, der gerne neue Kontakte knüpfte, einfach aus dem Grund, dass diese dann immer irgendwann starben, aber gerade die Leute die hier lebten, wollte ich schon gerne mal kennen lernen. Auch, wenn es nur vom weiten geschehen würde.
»Das kommt schon noch«, sagte Harry. »Lass uns hier lang gehen.« Sanft packte er meinen Oberarm und zog mich in Richtung Wald. Mir war nicht ganz klar, was genau er jetzt ausgerechnet im Wald vorhatte, denn immerhin wollte er ja etwas von der Stadt sehen, aber mir sollte es recht sein.
Der Weg auf dem wir bis vorhin noch gegangen waren, wurde immer schmaler, weshalb wir irgendwann nur noch hintereinander gehen konnten.
Der Wald wurde immer dichter, aber Harry versicherte mir stets, dass er ganz genau wusste, welchen Weg wir nehmen mussten, damit wir wieder zurück zum Hotel kamen.
»Machen wir kurz eine Pause? Ich will etwas trinken.« Ohne auf eine Antwort seinerseits zu warten, öffnete ich seinen Rucksack, der immer noch um seinen Schultern hing und nahm mir die große Wasserflasche heraus, um dann einen großen Schluck davon zu trinken.
Wir gingen zu einem Baum und setzten uns dort in das Laub, während auch Harry anfing etwas zu trinken, aber jedoch nicht so wie ich Wasser, sondern Blut.
»Warum hast du überhaupt diesen Rucksack mitgeschleppt? Ist das nicht ein wenig übertrieben?«, grinste ich und zeigte mit einem Kopfnicken auf den Rucksack, der zu unseren Füßen lag.
»Zu einer Erkundungstour muss man immer einen Rucksack mitnehmen, Felia. Guckst du denn gar keine Filme?«, stellte er die Gegenfrage und sah mich kopfschüttelnd an.
»Sollte ich?« Ein Nicken seinerseits. »Das sollten wir gleich heute Abend machen«, schlug er kurz darauf vor. Er grinste von einem Ohr bis zum anderen und mal wieder hatte ich nicht das Bedürfnis ihm diesen Wunsch auszuschlagen. Vielleicht kam ich dann ja sogar mal auf andere Gedanken und musste mir nicht die ganze Zeit den Kopf darüber zerbrechen, dass ich an dem Ort war, an den ich eigentlich nie wieder zurückkehren wollte.
»Aber dann brauchen wir auch ganz viel Popcorn!«, grinste ich, stand auf und klopfte mir den Dreck von der schwarzen Jeans, die ich heute trug. »Ich besorge die Filme und du das Popcorn. Deal?«, fragte er immer noch breit grinsend und hielt mir seine Hand entgegen. Ich zog ihn zu mir hinauf und lächelte schelmisch zurück. »Deal.«

Die Sonne hatte nun ihren höchsten Punkt am Himmel erreicht und wir wanderten immer noch durch diesen beschissenen Wald. Langsam hatte ich wirklich genug von diesem ganzen Grün um mich herum. Bekannt kam mir immer noch nichts vor, aber mittlerweile war mir das sogar ganz recht, denn ich war immer noch nicht ganz dazu bereit so plötzlich mit meiner Vergangenheit konfrontiert zu werden.
»Schau dir mal den Baum an«, sagte Harry plötzlich und ich folgte weniger neugierig seinem Blick in Richtung eines Baumes, der zwar fest im Boden verankert zu sein schien, aber recht weit nach vorne gebeugt war, als wäre er müde und kurz vorm Einschlafen.

Schnaufend trug ich eine der vielen Kisten in unsere kleine Hütte und stellte sie zu den anderen, die ich bis jetzt alle alleine hier herein getragen hatte. Meine Schwester war schon längst abgehauen und mein Vater kümmerte sich um die Tiere. Natürlich blieb dann die restliche Arbeit an mir hängen, denn Mutter musste ja schon das Essen machen.
Es war also alles wie immer. Einfach nichts schien sich verändert zu haben und das, obwohl wir doch einen Neuanfang starten wollten.
»Das war die letzte Kiste«, sagte ich, als ich den kleinen Raum betrat indem meine Mutter war und in einem der Töpfe herum rührte.
»Sicher?«, fragte sie nach und ich konnte nicht verhindern, dass sich meine Augen verdrehten. Einfach alles was ich tat wurde von ihr hinterfragt und nichts konnte ich ihr wirklich recht machen. »Ganz sicher.« Sie nickte, als Bestätigung, aber ich wusste, dass entweder sie oder Vater noch einmal genau gucken würden, ob ich auch wirklich alle Kisten ordentlich und heil hinein verfrachtet hatte. Wieder etwas, was sich nicht geändert hatte und wohl auch nie ändern würde.
»Ich wollte mich etwas umsehen gehen«, erzählte ich ihr vorsichtig und hoffte inständig, dass ihr keine weiteren Aufgaben mehr für mich einfallen würden. »Ich werde auch nicht zu lange wegbleiben.«
»Wenn du schon gehst, dann such wenigstens ein paar Beeren zum Essen.« Mutter drehte sich zu mir um und deutete auf einen Korb, der in der Ecke auf einem selbstgebautem Tisch stand. »Vielleicht bist du dann nicht allzu nutzlos«, murmelte sie leise, als sie sich wieder ihrem Topf zugewandt hatte, aber gehört hatte ich es trotzdem, was ihr in dem Moment aber völlig egal zu sein schien.
Ich seufzte. »In Ordnung.«


»Felia? Erde an Felia!«, rief Harry und schnippte mit seinen Fingern vor meinem Gesicht herum, was mich schließlich wieder aus meinen Gedanken riss. »Alles in Ordnung bei dir? Oder warum starrst du so ausdruckslos auf diesen Baum? Ich meine, so toll ist er ja jetzt auch nicht.«
Ich schüttelte mit meinem Kopf, sodass meine braunen Locken ein wenig durch die Luft flogen und holte tief Luft. »Alles gut«, murmelte ich und versuchte zu Lächeln, damit er nicht auf die Idee kam mich auszufragen. »Lass uns zurück gehen. Du musst noch eine Videothek oder so ausfindig machen, um den Film zu holen und ich muss ein Supermarkt oder ähnliches finden.«
Harry legte seine Hand auf meine Schulter und blickte mich forschend aus seinen blauen Augen an, aber bevor er mich noch eine einzige Frage fragen konnte, war ich schon los gegangen und ihm blieb nichts anderes übrig, als mir zu folgen.

Summend ging ich durch den wohl einzigen Supermarkt weit und breit und suchte die Abteilung in der ich hoffentlich Popcorn finden würde. Oder Schokolade, aber das war mir ganz gleich.
Das mit dem Essen gehen im Grill hatten Harry und ich einfach auf Morgen verschoben, denn wir waren uns eindeutig darin einig, dass wir wohl kaum noch Hunger hätten, wenn wir uns gleich mit Popcorn und anderem Süßkram vollstopfen würden.
Mein Blick ging über die ganzen Regale und ich warf fast alles in meinen Korb, was auch nur annähernd lecker aussah. Nebenbei bemerkt war das leider recht viel.
Als ich schließlich alles zusammen hatte, machte ich mich auf den Weg zur Kasse und stellte mich geduldig hinten an. Vor mir waren ein paar Jugendliche, die sich reichlich mit Alkohol eingepackt hatten. Wahrscheinlich stieg hier heute irgendwo eine Party.
Mein Fuß tippte im Takt zu dem Lied, welches im Hintergrund aus irgendeinem Lautsprecher drang und erleichterte mir so ein wenig das Warten.
»Darf ich mal kurz?«, fragte eine Stimme hinter mir, weshalb ich mich fragend umdrehte. Sprachlos sah ich das Mädchen vor mir an, welche mittlerweile ebenfalls verwirrt eine Augenbraue hob. »Also darf ich?«, fragte sie ein weiteres Mal und irgendwie schien ich meine Stimme wieder gefunden zu haben. »Äh..klar.«
Sie lächelte kurz, aber unsicher, was wohl an meinem Blick lag, und griff dann an mir vorbei, um sich eine Schachtel Bonbons aus dem Regal neben mir zu greifen.
Immer noch sichtlich verwirrt, bemerkte ich nicht, dass ich schon längst dran war, bis ich das äußerst genervte Schnauben der Kassiererin wahrnahm. Schnell bezahlte ich, packte die gekauften Sachen in meine Tasche und verließ dann den Laden mit einem letzten skeptischen Blick auf das Mädchen.

»Du hast länger gebraucht als ich«, sagte Harry, als Begrüßung während ich die Sachen auf das Bett schmiss und mich gleich hinterher.
»Für so eine eigentlich kleine Stadt war eben viel los«, sagte ich ausweichend und kickte meine Schuhe durch den halben Raum. Ich würde ihm den wahren Grund meiner Verspätung nicht erzählen. Zumindest jetzt nicht.
Ich hatte doch von Anfang an gewusst, dass es kompliziert werden würde, wenn ich wieder hierher zurück kehrte. Diese Stadt war einfach wie verflucht.
»Du solltest weniger nachdenken.« Harry schnappte sich seinen Laptop und legte sich zu mir auf das Bett und startete dann den Film. »Mal schauen«, murmelte ich noch, bevor der Film schließlich anfing.  

Terrible Love {Kol Mikaelson} (ON HOLD)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt