Kapitel 8

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  Mystic Falls - Sommer 2012 - Gegenwart

Der Morgen nach so einem Ball ist entweder wunderschön oder schrecklich.
Die erste Variante war immer, dass du verkatert in irgendeinem Bett lagst und den schlimmsten Abend deines Lebens hinter dir hattest, oder aber du hast dein persönliches Glück gefunden und durftest Variante zwei erfahren, die dann die wäre, in der du den perfekten Abend erleben durftest; du hast mit deinem Traumprinzen getanzt, dich köstlich amüsiert und vielleicht hast du dir sogar einen Kuss oder etwas mehr von ihm gestohlen.
Bei mir traf keine dieser Varianten zu.
Getrunken hatte ich kaum etwas, weshalb ich auch keinen Kater hatte und meinen Traumprinzen hatte ich gestern Abend definitiv ebenfalls nicht geküsst oder geschweige denn mit ihm getanzt. Eigentlich scheint er nicht einmal zu existieren.
Im Allgemeinen wird die Liebe doch viel zu überbewertet und ich bin froh, dass ich sie schon gute Jahrhunderte umgehen konnte.
Ich jedoch hatte meine eigene Variante, welche nun die neue Variante drei wäre. Das Nachdenken.
Gestern Abend war viel passiert, was ich erst einmal hatte verdauen müssen, als ich nach meiner nicht so eleganten Flucht im Hotelzimmer angekommen war.
Zuerst einmal wäre da natürlich Esther gewesen. Wie konnte diese Frau noch leben? War sie neuerdings vielleicht auch ein Vampir?
Darauf hatte ich dummerweise keine Antwort finden können und höchstwahrscheinlich würde ich diese so schnell auch nicht bekommen. Vielleicht war es für den Anfang auch besser so.
Zum zweiten wäre dann mein Problem, welches sich Kol nannte. Ich war mir sicher, dass er seinen Geschwistern schon längst von unserer Begegnung erzählt hatte und spätestens in zwei Tagen, wenn nicht sogar noch früher, würden sie meine momentane Bleibe gefunden haben und irgendeiner würde mir wohl eine Predigt halten oder sogar schlimmeres.
Ich tippte ja haarscharf auf Rebekah, denn die anderen interessierten sich einen Dreck für mich. Wobei vielleicht wäre sogar noch Elijah so nett und würde Kol und Rebekah begleiten, aber sonst...
Eigentlich war das ganz gut. Mit zwei oder drei Urvampiren würde ich noch gut klar kommen und vielleicht könnte ich meinen liebsten Harry auch noch vorher überreden schnellsten von hier zu verschwinden.
Man musste schon zugeben, dass ich sehr gut im Abhauen war, aber wenn du einmal vor irgendetwas flüchtest, dann verlernst du das so schnell nicht.
Und ich war geflüchtet - nicht nur einmal.

Der Wald schien zu meinem zweiten Zuhause geworden zu sein, denn so oft wie ich mich hier in letzter Zeit aufhielt, war das schon nicht mehr normal, zumindest fand dies meine Schwester.
Meine Eltern waren stets in dem Glauben, dass ich mich mit Kol traf und ich wusste, dass meine Mutter schon hoffte, dass ich ihr bald die Neuigkeit mitteilen würde, dass ich mich mit Kol vermählen würde.
Ich persönlich hielt davon ja nichts, aber das schien nur meine Schwester zu bemerken, meine Mutter blieb ganz bei ihrer Meinung, dass wir füreinander geschaffen waren, wohingegen meinen Vater nichts dergleichen momentan zu interessieren schien. Gut so.
Aber ganz falsch lag meine Mutter dann doch nicht. Kol und ich hatten uns durchaus noch weitere male getroffen, aber ich war der Meinung, dass diese Treffen stets freundschaftlicher Gesinnung waren und dort auch nichts weiter lief, was ja auch stimmte. Höchstens umarmt hatten wir uns einmal, aber das war auch nur ein Versehen gewesen und hatte höchstens nur eine Sekunde lang gedauert.
Nichts Bedeutendes eben!
Der Weg auf dem ich lief, wurde immer enger, bis es nicht einmal mehr ein Weg war, sondern nur noch Laub, Stöcke und andere Sachen, die ich nicht identifizieren konnte.
Ich war sehr bemüht den Boden unter meinen Füßen zu betrachten, dass ich nicht einmal bemerkte, wie vor mir ein Ast in der Luft vor sich her hing, bis ich letztendlich gegen ihn lief und auf dem dreckigen Boden landete.
Das Leben musste mich wirklich hassen! Meine Familie hatte wohl doch recht, wenn sie immer sagten, dass ich ein Tollpatsch sein konnte.
In der Gegend meines Knöchels fing es an zu Pochen, weshalb mein Blick zu diesem hinunter wanderte und ich ihn von den Blättern befreite, die bei meinem dummen Sturz auf ihn gefallen waren.
Das Ergebnis, was ich zu Gesicht bekam, war nicht gerade erfreulich.
Eine Schramme, womöglich von einem Stock verursacht, zog sich über meinen Knöchel, die natürlich auch noch blutete und das er leicht angeschwollen war und ja, leider auch ein klein bisschen Farbe dazu bekommen hatte, musste ich wohl nicht erwähnen.
Der Schmerz der mich kurz danach traf, war kaum auszuhalten, zumindest hatte ich bis jetzt noch nie solch einen Schmerz empfunden, weshalb mir Tränen in die Augen stiegen.
Eine kleine Träne rann meine Wange hinab, obwohl ich eigentlich nicht vorhatte zu weinen. Irgendwo hatte ich einmal gehört, dass Weinen Schwäche zeigen würde und ich wollte auf keinen Fall schwach wirken oder gar sein.
»Felia!«, rief eine Stimme von rechts, sodass ich meinen Kopf automatisch in die Richtung drehte, wobei ich aber vergaß, dass ich immer noch heulend auf dem Boden saß.
Kol trat hinter einem der dicken Bäume hervor, er sah mal wieder einfach nur gut aus, und mit jedem Schritt den er auf mich zu trat, wurde sein Blick skeptischer. »Was tust du auf dem Boden?«, fragte er, als er bei mir angekommen war.
»Ich bin wohl hingefallen«, murmelte ich als Antwort und leider Gottes konnte man mein Leiden sehr gut aus meiner Stimme heraus hören.
Kol hockte sich zu mir, betrachtete meinen Knöchel und strich dann sanft mit seinen Fingern darüber.
Ich hätte sie ihm am liebsten weg geschlagen.
»Sieht nicht gut aus«, bemerkte er.
Ich verdrehte meine Augen. »Das weiß ich auch.«
Sein Blick wanderte wieder nach oben zu meinem Gesicht und endlich ließ er auch wieder von meinem Knöchel los.
»Du weinst«, stellte er mit einem milden Lächeln fest und diesmal wanderten seine Finger über meine Wangen und strichen mir einzelne Tränen beiseite und ja, jetzt wollte ich seine Finger nicht unbedingt wegschlagen, obwohl es noch immer ein komisches Gefühl in mir hervorruft, wenn ich ihm so nah war und er mich auch noch hauchzart berührte.
»Blitzmerker.« Mit einem kleinen Schluchzen schloss ich meine Augen und hoffte so, dass meine Tränen endlich aufhören würden, wie ein Fluss aus meinen Augen zu fließen.
Wie gerne wäre ich jetzt wieder ein kleines Mädchen, was sich bei jeder Kleinigkeit bei ihrer Mutter weinend versteckte und diese sie dann in den Arm nahm.
Ich gab es zu, manchmal war ich wirklich ein Mamakind.
Starke Arme schlossen sich um mich, sodass mein Gesicht an eine Schulter gepresst wurde. Zuerst wollte ich protestieren, aber als mir dann wieder einfiel, wer mich gerade tatsächlich in den Arm genommen hatte, entspannte ich mich ein wenig und ließ meinen Tränen freien Lauf.
Wir saßen sicher Minuten hier in denen keiner etwas sagte, aber es war schön. Sicher wäre es sogar noch schöner gewesen, wenn mein Knöchel nicht so verdammt weh getan hätte, aber man konnte wohl nicht alles im Leben haben.
»Weißt du, ich hasse es, wenn Mädchen weinen. Ich kann das nie mit ansehen«, erzählte Kol mir und ich hob meinen Kopf etwas an und nuschelte dann an seine Schulter: »Du hast wohl schon viele weinen sehen, oder?«
»Eigentlich nur meine Schwester.«
Sein Griff wurde ein bisschen stärker und letztendlich löste er sich zu meinem Leid aus der Umarmung, um mein Gesicht zu betrachten.
»Wenn ich als kleiner Junge geweint habe, hat meine Mutter immer zu mir gesagt ›Du stehst jetzt wieder auf und versuchst es erneut‹ und ich bin aufgestanden und habe mich meinen Ängsten oder weswegen auch immer ich geheult habe, gestellt.« Seine Fingerspitzen strichen sachte über meine Wangen, als wären sie aus Porzellan und überall wo sie lang wanderten, fühlte sich meine Haut komplett elektrisiert an.
Meine Wangen mussten wahrscheinlich glühen.
Schmunzelnd ließ er von mir ab. Ihm war sehr wohl bewusst, dass ich wegen seiner Berührungen rot geworden war.
»Weißt du Kol, wenn du immer einfach aus dem Nichts auftauchst, bekomme ich noch irgendwann einen Herzinfarkt«, sagte ich nach einer Weile und versuchte mich ein wenig aufzusetzen, was mir dann auch mit seiner Hilfe gelang.
»Das meine Schönheit dich so sehr blendet, wenn du mich siehst, dass du schon Herzinfarkte bekommst, war mir nicht klar. Lebendig gefällst du mir auch um einiges besser«, erwiderte er grinsend, was mich aber nur dazu brachte, dass ich seufzend meine Augen verdrehte.
»Wer sagt denn, dass ich dich unwiderstehlich finde?« - »Davon war zwar nie die Rede, aber danke, meine Schöne«, zwinkerte er und am liebsten hätte ich meinen Kopf gegen den nächst besten Baum geschlagen.
»Unwiderstehlich oder nicht, bald wirst auch du es zugeben.«
Ich zog eine Augenbraue in die Höhe. »Lass mich raten, das haben am Ende alle Mädchen gemacht?«
Kol ließ ein amüsiertes Schnauben hören. Ich schien ja wirklich gut dafür zu sein, seiner Belustigung zu dienen. »Bingo.«
Wie ich es mir gedacht hatte. Er war ein regelrechter Frauenschwarm. Warum er nicht schon längst eine Frau hatte, war mir ein weiteres Rätsel, was ich aber vorhatte bald zu lösen.
»Dann werde ich eben die erste sein, die es nicht tut«, lächelte ich spitzbübisch und verschränkte meine Arme vor der Brust.
»Darüber reden wir noch einmal in einer Woche«, antwortete er und grinste mich aus vor freudigen Augen an.


Harry war noch nicht zurück gekehrt. Höchstwahrscheinlich war er bei der Barbie Blondine von gestern Abend untergekommen und ich konnte mir ebenfalls denken, dass er nicht sehr gut auf mich zu sprechen sein würde, denn immerhin hatte ich ihm einen Tanz verwehrt und war dann auch noch ohne ihm Bescheid zu sagen abgehauen.
Aber wie hätte ich ihm denn auch Bescheid geben sollen, wenn ich mitten dabei gewesen war vor einem Urvampir zu flüchten? Eben, das ging schlecht.
Er müsste mir also verzeihen und sich einen Ruck geben, wie die ganzen anderen Male, wo ich eine schlechte Freundin für ihn gewesen war.
Im Endeffekt sollte ich ihm am besten alles erzählen und ihm erklären, warum ich nun einmal so war, wie ich heute bin, aber dadurch würde ich ihn nur in Sachen mit hinein ziehen, in denen er nicht wieder so schnell herauskommen würde, was ich eben vermeiden wollte.
Auch wenn er es nicht einsah - letztendlich wollte ich ihn doch nur beschützen.
Mit einem Sprung war ich von dem Bett aufgestanden und beim Fenster angelangt, um der Sonne dabei zuzuschauen, wie sie immer weiter aufging und so den neuen Tag ankündigte.
Mystic Falls schien noch zu schlafen, denn nur wenige waren draußen auf den Straßen unterwegs. Wahrscheinlich waren sie alle noch von gestern Abend geschafft, denn immerhin war soweit ich wusste, die ganze Stadt eingeladen gewesen.
Eine Person schien jedoch schon munter auf den Beinen zu sein und als sich dann auch noch unsere Blicke trafen, wusste ich, dass es nun zu spät war.
Es war vorbei mit dem Weglaufen.  

Terrible Love {Kol Mikaelson} (ON HOLD)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt