Die Perle der See

XIII.

„Oh mein Gott, das ist anstrengend", zischte Gabriella, die sich in einem Selbstgespräch befand, ohne zu merken, dass Captain Hillsfield sie mit vergnügten Augen dabei beobachtete und sich fragte warum die besagte junge Dame so laut ihre Gedanken äußerte. Sekunden später änderte er seine Meinung und wusste, dass sie oft den Hang dazu verspürte, ihre Meinung ohne weiteren Verluste offen kundzutun; wieso sollte es bei ihren Selbstgesprächen nicht anders sein? Ihr loses Mundwerk öffnete sich doch immer bevor ihr Kinn es verhindern konnte.

„Wer zum Teufel hat diese Schreckschrauben erfunden?" fragte sie wieder und sprach damit niemanden an, sondern dachte laut genug, damit es ihr männlicher Begleiter mitbekam.

„Wen meinen Sie damit? Sie sich selbst oder die Kanonen?" Edwin verstand von selbst, dass die Frage eher sarkastisch veranlagt war; seine rothaarige Kameradin – Ja, beide waren jetzt Kameraden auf dem Schiff und dieser Term versetzte Gabriella oft einen Schrecken – empfand dieser Kommentar jedoch nicht als sehr entzückend.

„Die größte Schreckschraube, sind immer noch Sie", wisperte sie in einem dunklen Ton bevor sich ein dreistes Lächeln auf ihre Lippen schlich, „Captain Höllenfeld."

Seine Schultern zuckten zusammen als sie seinen Spitznamen erwähnte. Noch nie hat er so viel Gegenwind von einer weiblichen Person bekommen. Jeder verfiel seinem Charme und auch wenn manche seiner Aussagen eher Inhalt ein wenig polarisierten, verstanden sich die meisten mit ihm – bis auf wenige Ausnahmen, die ihn jedoch ignorierten. Gabriella war bis her die Einzige gewesen, die ihren Hass gegen ihn offen zeigte und ihn auch dementsprechend provozierte. Edwin verzog seine Lippen zu einer Linie, „Sie fluchen sehr gerne, genauso wie die Piraten, vielleicht sind Sie hier doch nicht so fehl am Platz wie ich es anfangs angenommen hatte."

„Ach ja, und Sie? Ihre weiblichen Bekanntschaften lassen darauf schließen, dass Sie genauso einen Charakter wie die eines Piraten haben!"

„Was wissen Sie denn schon von meinen weiblichen Bekanntschaften – "

„Allie hat mir sehr viel von Ihren Auftritten in Ballsälen erzählt", zischte die Rothaarige nun lauter zurück und bemerkte nicht, dass dies die Aufmerksamkeit des gesamten Kanonendecks auf sie lenkte.

„Ach so eine sind Sie . . . Sie vertrauen Gerüchten!?"

„Warum sollte ich den Gerüchten vertrauen wenn Sie vor meiner Nase ein solches Benehmen an den Tag legen?"

„Ich!? Mein Benehmen? Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen – "

„Sagt mal, habt ihr zwei noch alle Tassen im Schrank? Hört auf hier herum zubrüllen!" schrie der Geschützoffizier durch den gesamten Raum. Er hatte das Sagen am Kanonendeck und wirkte ziemlich genervt von den Streitereien seiner neuen Gefolgschaft. „Klappen halten und arbeiten!"

Trotz der Stimmung, in der sich die zwei Streithähne befanden, blieben sie nach dieser Anordnung still. Nicht nur, weil sie sich zu fügen hatten – und beide hatten Schwierigkeiten damit, wenn man in Anbetracht zog, dass der Eine ein Kapitän in der englischen Armee war, der keine Befehle von Fremden annahm und Gabriella eine Sturheit besaß, die sogar den Teufel in Person in die Flucht schlagen würde – sondern weil die restliche Mannschaft, die am Kanonendeck verweilte, ihre Augen auf das Pärchen gerichtet hatten.

Gabriella wendete sich wieder der Kanone zu, die sie gerade versuchte zu reinigen. Diese Tätigkeit konnte sie gut ausführen, jedoch hatte sie noch nie irgendwelche Kanonen – oder Schreckschrauben, wie sie es gerne formulierte – putzen müssen. Edwin hingegen hatte weniger Probleme mit der Arbeit als mit der Person, mit der er zusammenarbeiten würde. Schon nach nur wenigen Minuten der Kameradschaft, stritten sie; er fragte sich wie das noch ausgehen würde. Seine grauen Augen wanderten durch den Raum um festzustellen, wer sie noch beobachtete. Jeder war wieder mit seinen zugetragenen Aufgaben beschäftigt, als er Gabriella wieder einen kurzen Blick zuwarf. Diese war mit den Gedanken ganz woanders als beim Putzen und Hillsfield konnte sich vorstellen, dass sie an ihre Freundin dachte, die nun bei der Köchin beschäftigt war.