VI.

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Für wenige Minuten verweilten sie am Boden; ihre Körper gelähmt von Schock. Gabriellas Augen flatterten auf und sie analysierte angestrengt die Umgebung. Die Schneiderei war ein wenig in Mitleidenschaft gezogen worden. Das andere Haus war teilweise in sich hineingestürzt. Einige schwere Brocken der Mauer waren in die Schneiderei gestürzt. Gabriella hoffte, dass niemand unter dem Gestein eingeschlossen war und atmete erleichtert auf als sie feststelle dass niemand schwer verletzt war. Ihre Ohren waren leicht taub und ihr Rücken schmerzte, da der Aufprall doch heftig war. Ihr Blick fiel sofort auf Adelaide, die neben ihr versuchte aufzustehen. Die dunklen Augen der Schneiderin wanderten zurück zu einem Haufen voller Brocken von der sie ein Stöhnen und Stimmen von Mrs Gibbs hörte. Während Gabriella und Adelaide sich umsahen, eilte Robin der etwas älteren Dame zur Hilfe. „Miss Kingston! Sie kann kaum laufen", teilte er Adelaide mit lauter Stimme mit. Die Taubheit im Ohr war noch immer präsent und veranlasste ihn dazu zu schreien. Er wollte mit der verletzten Anstandsdame zu Adelaide eilen und war entsetzt dass ihm der Weg zu ihr versperrt wurde. Große Teile der kaputten Hauswand trennten Robin und Mrs Gibbs von den zwei Freundinnen. Er war mit der älteren Dame eingeschlossen. Derweil bemerkte Gabriella, als sie aus den kaputten Fenstern der Schneiderei schaute dass sich ihnen zwei von den Piraten näherte.

„Allie . . . Wir müssen sofort verschwinden."

„Aber . . .", Adelaide wisperte als sie Mrs Gibbs sah.

Robin hörte an Miss Kingstons Stimme, wie sehr sie mit sich haderte und schloss einen Plan. „Ich bleibe bei ihr."

Und gerade als er dies sagte, sah er die Piraten durch ein kleines Loch der kaputten Mauer. Die Männer jedoch, wurden nur auf Gabriella und Adelaide aufmerksam, da sie in deren freien Sichtfeld standen. „Ihr müsst weglaufen. Versteckt euch beim Hauptquartier der Marine", schlug er vor; sie hatten keine andere Wahl, weil er die zwei nicht beschützen konnte. Alleine konnte er die störenden Mauerstücke nicht rechtzeitig beseitigen, bevor die Piraten ihm zuvor kommen würden. Er war ein begnadigter Fechter, aber er wusste, dass diese Situation prekär war, da er doch einen stechenden Schmerz in seinem Bein spürte und Mrs Gibbs beschützen musste. Zudem hatte er überhaupt keine Waffe zur Hand. „Ihr werdet euch verstecken. Der Captain ist bestimmt auf diese laute Explosion aufmerksam geworden und ist sicherlich schon unterwegs."

„Verstanden . . .", erläuterte Adelaide leise bevor sie ihm zum Abschied sagte, dass er auf sich aufpassen soll.

„Komm, Allie!" rief Gabriella bevor sie loslief. Als sie rannten, musste Adelaide feststellen, wie sehr viel einfacher es war sich ohne das schwere Kleid zu bewegen. Ihre Freundin war schneller als sie, was auch daran lag, dass Adelaide bei der freien Zeit, die sie hatte, nie in Sport investiert hatte. Es war eines der Nachteile, wenn man Mitglied der Englischen Gesellschaft war; Frauen sollten stets elegant, still und fein sein. Nicht vollgeschwitzt, laut und wichtigtuerisch, wie Gabriella es gerade vorführte.

Es dauert nicht lange, bis es nur noch ein Pirat hinter ihnen her war. Der andere war unterwegs in eine andere Richtung gerannt – wahrscheinlich mit dem Gedanken, dass sein Begleiter mit zwei unbewaffneten „Knaben" zurecht kommen würde. Die Distanz zwischen den zwei Freundinnen und dem verbliebenem Pirat wurde immer kürzer. Gabriella hatte dies nicht anders erwartet und zog Adelaide mit sich in das nächste Gebäude, was zum Glück das Marine Hauptquartier war. Es war ein wichtiger Stützpunkt der Marine im Hafen und die kleine Rothaarige erhoffte sich, dort die Truppen des Militärs vorzufinden. . . Jedoch vergebens. Als sie durch die Tür hindurch huschten, war keine Menschenseele anwesend. Instinktiv suchte Gabriella schnell nach einem Gegenstand der ihr als Waffe dienen könnte, als sich eine Stimme der Schneiderei näherte. Ihre Augen fielen auf ein Stück Holz, das sich hinter der Tür befand. In dem Moment brach der Kriminelle herein und sah wie Adelaide mit geweiteten Augen stehen blieb. Sie war wie angewurzelt und hatte gerade nach Luft geschnappt; Ihre Ausdauer praktisch kaum präsent. Er lief ohne Rücksicht auf Verluste auf sie zu. Wäre er nicht so auf sie fixiert gewesen, hätte er bemerkt, dass Gabriella wie ein tollwütiger Kämpfer hinter der Tür stand: Bereit jeden Kerl zu erledigen, der ihr und ihrer Freundin zu nahe kam. Was auch gerade in dem Moment der Fall war.

Die Perle der SeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt