XLIV.

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Die Einladung einer Feier lag auf Gabriellas Schreibtisch; Adelaides Schrift war auf dem Papier zu lesen und erklärte, dass Gabriella zu einem privaten Ball eingeladen war. Es war keine große Zusammenkunft, wo die gesamte Stadt sowohl auch Londoner Einwohner eingeladen wurden. Ihre Freundin hatte ihr vor wenigen Tagen erklärt, dass Mr Kingston darauf bestand, eine solche Feier zugunsten der Rückkehr Adelaides Gabriellas – was Mrs Kingston wohl nicht begeistern wird – und Mr Hillsfield zu veranstalten. Jedoch war sich die Schneiderin als auch Allie sicher, dass Mr Ashford vorhatte, an diesem Tag Adelaide einen Antrag zu machen und die Verlobung dort bekanntzugeben.

Gabriella würde alles versuchen, um ihrer Freundin zu helfen und ihr den Rücken zu stärken, falls Mr Ashford sie verbal belästigen würde.

Die Rothaarige wurde aus ihren Gedanken gerissen als sie leise Stimmen im unteren Teil des Hauses hörte. Das Schließen einer Tür und freudiges Gelächter zwang sie auf ihre Beine, denn sie nahm eine Stimmfarbe war, die sie noch nie zuvor gehört hatte. Sie hielt kurz inne, bevor sie spürte, wie ihr Herz beinahe aus der Brust sprang.

Es konnte nur einer sein, der so gut mit ihren Mitbewohner zu recht kam.

Ohne lange zu überlegen, schoss Gabriella von ihrem Stuhl und rannte zu den Treppen, die ins Erdgeschoss der Schneiderei führten. Als sie die dunkel braunen Augen des Fremden im Raum erblickte, die fast dieselbe Farbe wie die ihren hatte, blieb sie erstarrt an der letzten Stufe stehen.

„Gabriella", flüsterte der unbekannte Mann, dessen Müdigkeit von der strahlenden Freude in seinem Ausdruck komplett überschattet wurde. „Meine Schwester."

„Elliot!" Wie in Windeseile, marschierte die Schneiderin auf ihren Bruder zu und nahm ihn gewissenlos in den Arm. Auch wenn sie ihn nicht wirklich kannte, hatte sie ein warmes Gefühl im Bauch. Sie fühlte sich aufgehoben, als sei ihr Zuhause endlich vollständig.

„Du bist hier", murmelte sie mit Freudentränen und versteckte ihr Gesicht in der Jacke ihres Bruders, der die gleiche Mimik wie sie trug.

Nicht weit von ihnen stand auch Emilia, die von dieser Szene herzergriffen war. Es dauerte einige Momente, bis die Tränen der Geschwister getrocknet waren.

„Ich bin so froh, dass du bei uns bist!" gab Gabriella fröhlich von sich und zog Elliot mit sich, „Ich muss dir etwas zeigen!"

Mit etwas meinte die Rothaarige ihr Zimmer, genähten Sachen und Zeichnungen. Natürlich wollte sie voller Stolz zeigen, was ihr Talent war – auch wenn Elliots Begeisterung an seinem Lächeln unschwer erkennbar war. Für Gabriella wirkte er überhaupt nicht wie ein Piratenkapitän; weder sein Ausdruck noch Körpersprache deuteten daraufhin. Elliot wirkte sehr jung und schien einen ähnlichen Charakter wie sie zu haben, was sie auch erfreute.

„Das ist unglaublich", kommentierte er, als er die Zeichnungen auf ihrem Schreibtisch betrachtete.

Auch wenn sie Komplimente gegenüber ihrer Schneiderkunst gewohnt war, konnte Gabriella ihr dankbares Lachen nicht unterdrücken. Es gab einige Personen, die sie mit solchen Wörtern immer einer Freude machten und ihr Bruder war eine davon – jemand, von deren Existenz sie nie in Kenntnis gesetzt wurde und trotzdem sich ihm stark verbunden fühlte.

„Ich muss dir so viel erzählen und Allie musst du auch kennenlernen!" verkündigte Gabriella, „auch wenn Mrs Kingston es mir verbietet."

Bei dieser Aussage hob Elliot verzerrte sich sein Ausdruck, „Ja, Gwen hat uns das aus dem Brief vorgelesen . . . Und dieser Ashford scheint genauso hinterlistig zu sein. Da hat mir Edwin zugestimmt."

Ashford hatte Gabriella sehr zugesetzt und sie wusste genug Bezeichnungen, um ihn zu beschreiben. Bei der Erwähnung von Edwin allerdings, errötete sie sofort und fragte stotternd nach, wie es Hillsfield geht. Ihr Bruder schien ziemlich vergnügt von ihrer Unbehaglichkeit zu sein.

Die Perle der SeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt